Fußball: Mitte Oktober war in der österreichischen Bundesliga die Hinrunde schon beendet. Eine gute Hinrunde für einen Club aus einem kleinen Dorf in Vorarlberg. Dem SCR Altach, sonst meist als Abstiegskandidat gehandelt, gelang die erfolgreichste Hinserie seit der Bundesligareform und später auch noch der Einzug ins Pokalviertelfinale.

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Ein Erfolg, der keine Selbstverständlichkeit ist für die Kicker der 7000 Einwohner-Gemeinde zwischen Dornbirn und Götzis. Die Vorarlberger verfügen nur etwa über ein Zehntel des Saisonbudgets von Ligaprimus RB Salzburg. Unter diesen Rahmenbedingungen hat Trainer Joachim Standfest, vor der Saison vom Co- zum Cheftrainer befördert, gute Arbeit abgeliefert – ebenso wie seine Spieler, vorwiegend in Deutschland eher unbekannte Akteure. Da man im Rheintal nicht mal ebenso kurz vor Saisonbeginn einen teuren Hochkaräter aus dem Ausland verpflichten kann, hat auch einer großen Anteil am Erfolg, der im Hintergrund an der Kaderplanung und dem Scouting des Bundesligisten arbeitet: Marc-André Kriegl. Vor der aktuellen Runde hatte der Meersburger bei 14 Abgängen reichlich zu tun, die 13 Neuzugänge der Vorarlberger scheinen aber – wie die Leistungen zeigen – eine gute Wahl gewesen zu sein.

Der Weg in den Profifußball war kein einfacher für den 49-Jährigen vom Bodensee. Mit dem Fußball begann er beim TuS Meersburg, die B- und A-Juniorenzeit absolvierte er beim FC Konstanz, wo er unter anderem mit Manuel Klökler (heute Co-Trainer bei Servette Genf) und Eric Schönfeld (heute Physiotherapeut beim FC Luzern) in der höchsten deutschen A-Jugendliga spielte. Ein Kreuzbandriss beendete seine Laufbahn früh, dem Fußball blieb er aber treu. Das Medizinstudium führten ihn nach Köln, als Fan des „Effzeh“ der ideale Ort um hinter die Kulissen eines Bundesligisten zu schauen.

Erste Schritte in England

Den praktischen Teil seiner Ausbildung absolvierte er in Blackburn und in Manchester. Und auch hier lag es für ihn nahe, Medizin und Fußball zu verbinden. Im Jahr 2005 führte dann der Kontakt zu den Blackburn Rovers dazu, dass er für den englischen Erstligisten sozusagen als Nebenjob das Scouting für den deutschsprachigen Raum übernahm. Einschneidende Erfahrungen – zwei Todesfälle im Familien- und Freundeskreis und eine Krebsdiagnose – führten dann zu einem radikalen Umdenken. Das Medizinstudium brach er kurz vor dem Abschluss ab, seine Leidenschaft Fußball wurde für ihn zur Profession. In einem Bereich, in dem ehemalige Spitzenspieler den Ton angeben und die eher raren lohnenden Positionen besetzen, eine mutige Entscheidung für den Autodidakten aus der Fußballprovinz am Bodensee.

„Ich habe damals in der Nähe von Manchester gewohnt und dann geschaut, welche Fußballakademien gibt es, bei denen ich mich bewerben kann. Ganz naiv habe ich es bei Manchester City versucht!“, blickt Kriegl auf seine Anfänge zurück. Sein Glück: Der für den Nachwuchsbereich verantwortliche City-Manager war offen für Quereinsteiger und von Kriegls Präsentation überzeugt. Dann hatte er ein heißes Talent in Deutschland am Haken, bei ManCity aber hatten sich die Zuständigkeiten geändert. Doch Kriegl bekam den Kontakt zum Scoutingchef von Arsenal. Gemeinsam besuchten sie ein U15-Turnier in Blaubeuren. Die Folge: Das Talent wurde zum Training auf die Insel eingeladen, Arsene Wenger schaute vorbei und der junge Spieler namens Serge Gnabry wurde verpflichtet. Für Kriegl der Einstieg als Scout bei Arsenal, wo er sechs Jahre blieb.

Kein Glück in Bremen und Wien

Weitere Stationen bei Spieleragenturen und Vereinen folgten. Kriegl erarbeitet sich einen guten Namen, bildete sich in Sachen Statistik und Spielanalyse fort, erstellte akribische Datenanalysen, um das Scouting auf eine solide Faktenbasis zu stellen – mit Erfolg. Allerdings auch mit Grenzen. So war er ein Kandidat für die Leitung des Scoutings bei Werder Bremen – neben Ex-Nationalspieler Clemens Fritz, der den Zuschlag erhielt. Während seiner Tätigkeit für Admira Wacker Wien hatte er andere Ansichten bei der Besetzung des Trainerpostens als der sportliche Berater des Hauptsponsors, Felix Magath. Magath wollte mit der Frage „Wie viele Länderspiele haben Sie?“ die Diskussion beenden. Kriegl konterte: „Ein guter Jockey muss kein gutes Rennpferd gewesen sein“. Sein Engagement in Wien beendete er daraufhin.

Seinen Lebensmittelpunkt hat Kriegl in Bratislava, seine sportliche und berufliche Heimat ist aber der FC Altach, der sich selbst die Attribute „mutig, leidenschaftlich, familiär, innovativ und verantwortungsvoll“ auf die Fahnen schreibt. Eine Haltung, mit der sich der Meersburger identifizieren kann.