Amadou Marena hat einen Traum, der für viele Menschen selbstverständlich ist: seine Familie wiedersehen. Seit seiner Flucht vor acht Jahren war er, wie er selbst erzählt, nicht mehr in seiner Heimat Gambia – konnte seine Eltern, seine vier Schwestern und seinen Bruder nicht mehr in den Arm nehmen.

Über Videoanrufe halte er zumindest regen Kontakt. Zudem könne er seine Familie unterstützen. „Meine Mama bekommt Geld von mir, meinen Schwestern kann ich die Schule finanzieren“, erzählt der 29-Jährige, der beim SC Pfullendorf eine neue Familie gefunden hat.

Amadou Marena will in die Oberliga Video: Julian Widmann

Sobald er das Trainingsgelände des Linzgau-Klubs betritt, verspürt er tiefe Dankbarkeit. Im Tiefental fühlt sich der SCP-Spieler heimisch. Fußball spielen, sich neben der Arbeit noch etwas Geld dazu verdienen, sich mit Freunden gemeinsam auf den Start der zweiten Saisonhälfte, die für Pfullendorf am Samstag gegen Hofstetten beginnt, vorbereiten.

Für Amadou Marena ist das erfüllend, und alles andere als selbstverständlich. „Ich bin glücklich, hier zu sein. Ich bin vielen Leuten in Pfullendorf sehr dankbar und sehe hier auch meine Zukunft“, sagt der Mann, der im Jahr 2015 den Entschluss fasste, welcher sein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat. Uns hat er seine Geschichte erzählt, wie er vor acht Jahren aus seinem Heimatland flüchtete. Raus aus Gambia, weg von seiner Familie.

Als Junge nur Fußball im Kopf

„Ich wollte schon als kleiner Junge einfach nur Fußball spielen“, erzählt er. Das Talent hat er – sicher auch vererbt von seinem Vater, der Fußball ebenfalls „wie verrückt liebt“, sagt Marena. Doch die Rahmenbedingungen sind in Westafrika ganz anders als in Europa. „Einen Rasen oder sogar Kunstrasen gab es an dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, nicht“, so der Linksfuß.

Immer wieder aufs Neue sei es daher für ihn verblüffend, was Vereine in Deutschland für unglaubliche Sportanlagen haben. „Ich sage das öfter zu jungen Spielern, für die das normal ist. Für mich ist das nicht selbstverständlich.“

Scheut keinen Zweikampf: Amadou Marena (unten).
Scheut keinen Zweikampf: Amadou Marena (unten). | Bild: Fischer, Eugen

Denn Amadou Marena fing mit dem Fußballspielen auf Sand an. Was er im Nachhinein betrachtet allerdings gar nicht schlecht findet. „Da lernst du die Technik, weil du mit dem Ball umgehen können musst. Ansonsten hast du keine Chance“, sagt der 29-Jährige. Stolz erzählt er, dass er sich stetig weiterentwickelt habe in der Jugend – und als junger Erwachsener den Sprung in die beste Liga Gambias schaffte.

Doch kräftezehrend sei es gewesen, Marena habe zwar Kickschuhe von seinem Verein gestellt bekommen, finanziell sei der Fußball ihm und seiner Familie allerdings keine Hilfe gewesen. „Es war hart. Ich konnte meiner Mutter kein Geld geben.“

Viele Nächte auf der Straße

Amadou Marena fällt es nicht leicht, über seine Vergangenheit zu sprechen. Vor allem nicht über seine Flucht. 2015 habe er nach eigenen Angaben schließlich den Entschluss gefasst, Gambia zu verlassen. Und dies, wie er sagt, ohne seiner Mutter Bescheid zu geben. Denn Marena ist sich sicher, dass sie nicht zugestimmt hätte. Trotzdem zog er es durch. Er blendete das große Risiko aus, das Wissen, dass die Flucht seinen Tod bedeuten kann.

Der Wille, sich ein neues Leben aufzubauen, war größer. „Ich habe mir gesagt: Entweder ich sterbe oder ich schaffe es. Es war ein harter Weg“, sagt er. Die Erinnerung an seine Flucht in einem Rettungsboot werde er zum Beispiel nie vergessen.

Er sagt, dass er Glück hatte. Eine Frau und ein Mann seien auf der Flucht gestorben. Viele Nächte habe er auf der Straße verbracht, Ersatzkleidung habe er keine gehabt. „Ich hatte jeden Tag Angst. Ich bin in Tripolis in Libyen einmal weggerannt, als ich mit einer Waffe bedroht wurde. Das war schlimm.“

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Doch Amadou Marena schaffte es, er kämpfte sich über mehrere Landesgrenzen. Fünf Monate nach seinem Aufbruch habe er dann Deutschland erreicht. Ein neues Leben begann für ihn. Und der Fußball ist bis heute sein ständiger Begleiter, sein Anker. Bei einem Vorbereitungsspiel mit dem württembergischen Klub FV Altshausen, bei dem Marena zunächst spielte, wurde er vom SC Pfullendorf entdeckt.

Seit 2016 beim SCP

2016 folgte der Wechsel zu dem Klub, bei dem er auch heute noch aktiv ist. Der SC Pfullendorf und Amadou Marena: das passt einfach. „Die Jungs sind meine neue Familie, mir wurde von Anfang an viel geholfen“, sagt der Leistungsträger, der als linker Außenverteidiger auch durch seine Torgefahr auffällt.

Neue Position in Deutschland

„Meine Freunde in Gambia glauben mir nicht, wenn ich ihnen erzähle, dass ich in Deutschland als Verteidiger eingesetzt werde“, sagt er und lacht dabei. Doch dem ehemalige Zehner, der vom früheren SCP-Coach Marco Konrad umfunktioniert wurde, liegt diese Position.

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Sein Ziel mit dem SC Pfullendorf ist der Aufstieg in die Oberliga – am liebsten schon in dieser Runde, auch wenn das nicht einfach sei. Marena betont aber: „Wir müssen dran bleiben und wieder so spielen wie zu Beginn der Saison. Wir haben viele junge, gute Spieler.“

Nicht nur im Fußball setzt sich Amadou Marena Ziele. Sprachlich will er sich verbessern, er besucht weiter wöchentlich Deutschkurse. Doch sein größter Traum ist eben ein anderer, auch wenn er noch nicht weiß, wann sich dieser erfüllen wird: seine Eltern und Geschwister in den Arm nehmen.