Oliver Sorg, ein ehemaliger Nationalspieler in der Landesliga. Wie fühlt sich das an? Zumindest die Verbandsliga hätte es sein sollen, leider ist der FC Radolfzell aber abgestiegen.
Das war eigentlich gar kein Thema für mich. Natürlich wäre es schöner gewesen, gerade für die Jungs, in der Verbandsliga zu spielen. Aber das war nicht der Aspekt, warum ich hier Trainer werde oder nicht. Mir geht es darum, den Spielern etwas mitzugeben, und da spielt es für mich nur eine Nebenrolle, in welcher Liga wir dann spielen.
Wie kam es dazu, dass Sie gerade jetzt ihre Fußball-Auszeit beenden?
Dieses Jahr ohne Fußball hat mir persönlich und uns als Familie echt gutgetan hat. Diesen Abstand mal zu bekommen, weil wir ja nichts anderes gekannt haben als mein Leben als Profifußballer. Wir waren gerade einkaufen, als die telefonische Anfrage von Radolfzell kam. Dann habe ich im Auto zu meiner Frau gesagt: Schatz, wenn ich das machen würde, dann wäre das so ziemlich der einzige Verein, bei dem ich es mir echt vorstellen könnte.

Was hat Sie speziell an Radolfzell gereizt?
Der FC Radolfzell war irgendwie schon immer so ein Sympathieverein. Was noch dazu kommt ist, dass ich jetzt keine Mannschaft brauche, die gleich alt oder teilweise auch älter ist als ich. Hier ist es mit den vielen jungen Spielern und der Kooperation mit dem SC Freiburg perfekt.
Von außen betrachtet kam Ihr Karriereende als Profifußballer im vergangenen Sommer relativ überraschend.
Es gab mehrere Aspekte. Irgendwie war mir klar, dass es der richtige Moment war, um aufzuhören. Körperlich bin ich richtig gut drauf, ich kann mit meinen Kindern machen, was ich will. Ich habe neulich einen früheren Mannschaftskollegen getroffen, der drei Jahre älter ist als ich, und dem hast du diese Jahre als Fußballprofi echt angesehen, das war nicht alles so geschmeidig. Da habe ich gemerkt, wie gut es mir eigentlich geht. Ich bin mit zwei leichten Gehirnerschütterungen, einem Trommelfellriss und ein paar Faserrissen aus der Fußballkarriere gekommen, hatte keine schlimmeren Verletzungen. Dafür bin ich einfach wahnsinnig dankbar.
Haben Sie die Entscheidung aktiv getroffen?
Ich hatte noch ein Jahr Vertrag in Nürnberg und wollte diese Saison noch spielen, doch dann hat mir der Verein relativ kurzfristig zum Saisonende mitgeteilt, dass er nicht mehr mit mir plant. Dann habe ich meine Karriere direkt beendet, wir sind aber mit einem echt tollen Verhältnis auseinander gegangen, das war wirklich alles sauber. Ich wollte nicht nochmal für ein Jahr irgend woanders hingehen. Meine Frau stammt aus Welschingen, wir haben gerade ein Haus gebaut.
Das Heimweh war also größer als die Versuchung, weiter Fußball zu spielen?
Ja, genau. Ich habe schon gesagt, dass das der letzte Umzug war, dieses ganze Kistenpacken war jedes Mal so ein Stress. Jetzt wissen wir zum ersten Mal, dass wir länger bleiben und hängen die Bilder auch auf. Davor haben wir immer gesagt, wir bleiben eh nur drei Jahre, wollen wir sie echt aufhängen? Dann müssen wir wieder die Löcher zumachen. Solche Überlegungen halt.
Wie fit sind Sie aktuell? Müssen Sie sich immer noch die Stutzen aufschneiden, um sie über Ihre Waden zu bekommen?
(lacht) Das ist ein Stück weit vererbt, mein Papa war Radfahrer. Was die Fitness angeht, habe ich das eine Jahr genossen und muskulär etwas abgebaut. Das war auch wirklich in Ordnung, aber dann kam der Punkt, an dem ich von mir aus sagte: Jetzt möchte ich wieder was für mich tun. Und das ist was ganz anderes als vorher. Als Profi habe ich immer alles gemacht und mich an die Pläne gehalten, jetzt mache ich es nur für mich. Ich muss in der Vorbereitung schon noch arbeiten, um wieder auf das Level zu kommen, wo ich mal war. Aber es ist jetzt mehr wollen als müssen.
Gibt es Trainer- oder Spielertrainervorbilder?
Ich will niemanden imitieren, aber natürlich nehme ich von meinen früheren Trainern, wie Andre Breitenreiter oder natürlich Christian Streich, die besten Sachen mit und was bei mir hängengeblieben ist. So ist das auch mit den Trainingsinhalten. Ich habe in letzter Zeit viel mit Ex-Mitspielern telefoniert und schreibe meine und deren Lieblingsübungen, die uns im Training Spaß gemacht haben und effektiv waren, auf. Daraus will ich ein Paket schnüren und auf den Platz bringen, das wäre so meine Wunschvorstellung. Ob die Jungs das dann genauso cool finden wie wir früher, das wird man dann sehen.
Wann starten Sie in die Vorbereitung?
Am 29. Juni geht es los.
Lassen Sie uns einen Blick auf Ihre Profikarriere werfen. Denken Sie gerne an diese Zeit zurück?
Diese Zeit war mega, auch wenn der Aufwand riesig war. Aber das war für mich nie ein Thema, denn ich wollte unbedingt Fußballprofi werden. Es waren auch nicht meine Eltern, die mir mit 14 gesagt haben, geh nach Freiburg von zu Hause weg, ganz im Gegenteil. Ich habe die Zeit sehr genossen.
Wie haben Sie Ihre Erfolge wahrgenommen?
Es ist ein manchmal ein bisschen surreal, wenn man liest, Deutscher A-Jugend-Meister ist der und der. Wenn du dann sagen kannst, ja das war ich auch, dann erinnerst du dich wieder daran, wie cool das eigentlich war. Oder als wir mit der A-Jugend den DFB-Pokal gegen Dortmund im Elfmeterschießen gewonnen haben, das sind Momente, die wirst du nie vergessen.
Merkt Christian Streich, wenn ein Spieler direkt von der Party auf den Platz kommt?
Bei manchen schon, bei mir nie. (lacht) Wobei man das bei mir auch an einer Hand abzählen konnte und ich es nie übertrieben habe.
Bei Max Kruse sah das wahrscheinlich etwas anders aus…
Er war vielleicht ein anderer Kandidat, aber man muss auch sagen, er war immer da, egal was er gemacht hat, und hat immer Leistung gebracht. Bei ihm war das in Ordnung, auch wenn er mal bis früh morgens Poker gespielt hat, weil er trotzdem abgeliefert hat.
Nehmen Sie uns mit an den 8. Mai 2014, den Tag Ihres einzigen Länderspiels gegen Polen. Was ging rund um diese Testpartie in Ihnen vor?
Das war alles sehr überraschend, weil ich der Letzte war, der damit gerechnet hat. Ich weiß noch genau, als ich mit dem Auto rechts rangefahren bin und der damalige Co-Trainer der Nationalmannschaft, Hansi Flick, mich angerufen hat. Ich hatte eine unbekannte Nummer auf dem Display und dachte schon, es ist ein Telefonstreich. Ich bin dann nach dem Gespräch mit einem breiten Grinsen in den Heimaturlaub gefahren. Ich konnte das aber schon immer supergut einschätzen. Ich weiß, dass ich eingeladen wurde, weil Pokalfinale war, keine Bayernspieler, keine Dortmundspieler da und viele andere verhindert waren. Dennoch freut es mich extrem, das erlebt zu haben.
Sie haben also nicht gleich die Flipflops für die folgende WM in Brasilien rausgelegt?
Nein, es war ein tolles Erlebnis, aber mir war damals schon klar, dass die Chancen auf die WM relativ gering waren. Ich wusste, du machst das einmal und dann gehst du wieder nach Hause.
2015 zog es Sie von Freiburg zu Hannover. Warum ausgerechnet zu den 96ern?
Ich war und bin immer noch ein riesiger Freiburg-Fan. Aber mir war immer klar, dass die Zeit als Profi-Fußballer begrenzt ist. Und da wollte ich einfach auch ein paar Dinge mitnehmen. Zu der Zeit war dann Norddeutschland dran und nach diesem Kapitel ab 2019 eben Franken, als ich in Nürnberg spielte. Zudem wollte ich damals Freiburg nicht ablösefrei verlassen, ich hatte noch ein Jahr Vertrag. Mich hat das gefreut, dass der SC, der mich jahrelang ausgebildet und mir die Chance gegeben hat, eine Entschädigung für mich bekommen hat.
Im Netz steht, Sie würden gerne alte Filme mit Bud Spencer und Terence Hill sehen. Außerdem würden sie keinen Kaffee mögen. Ist das noch so?
Ich liebe die alten Filme. Bei mir läuft auch heute noch ganz oft Nitro. Meine Frau dreht immer durch, weil die Qualität natürlich nicht wie bei neueren Filmen ist. Aber das mit dem Kaffee hat sich geändert. Ich habe sogar eine Kaffee-Ecke in meinem Haus. Espresso Macchiato könnte ich 17 Stück am Tag trinken.
Was machen Sie jetzt hauptberuflich?
Ich war gerade Bauherr für unser Haus in Engen. Das war echt ein großer Zeitaufwand, weil wir viel selber gemacht haben. Ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für das Handwerk. Daher kommt auch der Plan, dass ich mich mit meiner Holzerei nebenher selbstständig mache. Bei der Geburt unserer ersten Tochter vor sechs Jahren habe ich angefangen, Kindermöbel zu bauen. Das hat sich dann nach und nach ein bisschen hochgeschaukelt. Dann kamen irgendwann Projekte wie ein VW-Bus oder ein Piratenboot dazu. Ich habe einfach gemerkt, wie gerne ich das mache, zudem war es ein super Ausgleich. Wenn ich schlechte Zeiten beim Fußball hatte, konnte ich acht Stunden in die Werkstatt gehen. Und beim Resultat hast du dann was in der Hand. Das ist einfach ein cooles Gefühl.