Fußball: – Die Politik hat den Fußballern in Südbaden wohl die Entscheidung abgenommen. Durch die Verlängerung des Corona-Lockdowns bis mindestens 18. April scheint der angestrebte Re-Start des Spielbetriebs ab 8./9. Mai nicht mehr möglich zu sein: „Es wird immer unwahrscheinlicher, dass wir nach einer angemessenen Vorbereitungszeit starten können“, deutet Pressesprecher Thorsten Kratzner an, dass der Südbadische Fußballverband (SBFV) in den nächsten Tagen den Abbruch der Saison 2020/21 beschließen wird: „Nach Ostern tagt der Vorstand, dann werden wir einen Beschluss haben.“
Wir haben mit Trainern und Funktionären aus verschiedenen Ligen gesprochen, das Stimmungsbild ist eindeutig. Ein Abbruch überrascht nach der jüngsten Erfahrungen niemand mehr. Allerdings hätte sich der eine oder andere Befragte die Alternative gewünscht, dass die Saison bis Sommer 2022 verlängert worden wäre. Nicht eingeschränkt wird – vorerst – die Möglichkeit, nach den geltenden Vorschriften zu trainieren.
„Politik und Verbände müssen sich für die Zukunft rüsten“
Er habe lange gehofft, dass die Saison noch zu Ende gespielt werden könne, doch sei es nach der negativen Entwicklung der Inzidenzzahlen wohl zu erwarten, dass die Saison nicht mehr zu Ende gespielt werde. Für Trainer Tiziano Di Domenico vom Landesligisten FC Wittlingen gibt es deswegen nur eine Option: „Bei einem Saisonabbruch muss alles auf Null gestellt werden.“

Nur eine Wertung der Vorrunde oder nach einer Koeffizientenregelung wie vergangene Saison sei nicht in Ordnung. Wichtig ist es für Di Domenico, dass sich Politik und Verbände für die Zukunft Gedanken machen, mit solchen Situationen umzugehen: „Wir brauchen Optionen.“ Niemand könne wissen, ob wir durch die kommenden Jahre störungsfrei – also ohne Pandemie – kommen werden.
„Ich hätte die Saison bis Sommer 2022 verlängert“
„Wir „Lieber steige ich ab und habe dafür Fußball spielen können und meine Freunde getroffen“, bringt es Sportchef Riza Bilici vom Bezirksliga-Schlusslicht Bosporus FC Friedlingen, Schlusslicht der Bezirksliga, auf den Punkt: „Dass wir voraussichtlich nun schon zum zweiten Mal wegen der Corona-Pandemie nicht absteigen, freut mich nicht wirklich, denn ich würde lieber spielen.“ Als Profiteur sieht er seinen Clubs deshalb nicht: „Letztes Mal war es nur ein Punkt Rückstand und dieses Mal hätten wir noch acht Spiele, in denen wir es durchaus schaffen könnten. Sollte wider Erwarten noch gespielt werden ab 9. Mai, sind wir parat.“

Allerdings, das sagt Bilici auch, rechnet er nicht damit: „Drei Wochen bleiben dann zur Vorbereitung, das ist zu kurz wäre zu riskant.“ Was ihn eher stört, ist die Annullierung der Saison: „Ich wäre dafür gewesen, die aktuelle Saison bis Sommer 2022 auszuweiten. Wer sagt uns, dass wir im Herbst nicht wieder in den Lockdown müssen. Dann haben wir die gleichen Probleme in einer dritten Spielzeit.“
Fußball-Saison 2020/21 steht vor dem Abbruch
„Schnelltests vor dem Spiel wären eine Option gewesen“
Ähnlich klingt es auch bei Musa Musliu, Trainer des Bezirksliga-Tabellenführers SV Herten: „Ich fand es schade, dass der Verband schon im Februar nur zwei Optionen – Re-Start ab 9. Mai oder Abbruch – auf die Agenda genommen hat. Einzig die Vorrunde für eine Wertung heranzuziehen, ist ja auch nicht optimal.“

Dass der nun wohl anstehende Abbruch die berechtigten Titel-Hoffnungen seiner Elf zunichte macht, trägt Musliu mit Fassung: „Grundsätzlich steht die Gesundheit aller Beteiligten an oberster Stelle. Aber natürlich ist es schade, dass wir diese Chance vermutlich nicht bekommen werden. Also greifen wir nächste Saison wieder an, obwohl die Konkurrenz in Waldshut und Erzingen mächtig aufgerüstet hat.“ Für einen möglichen Re-Start schlägt er Schnelltests vor: „Einen Tag vor dem Spiel für beide Mannschaften, finanziert vom Verband und vom Verein. Das wäre sicher eine Option gewesen.“
„Laufen und Joggen ersetzt das Training nicht“
Nicht nur wegen des prekären Tabellenstandes ist Sportchef Matthias Wenk vom FC Wallbach unterm Strich froh, dass sie ein Abbruch der Saison abzeichnet: „Es spricht fast nichts mehr dafür, den Re-Start noch anzupeilen.“ Drei Wochen Vorbereitung seien absolut zu wenig: „Das habe ich letztens selbst gespürt, als ich mit Dan Stengritt zum erlaubten Zweier-Training auf dem Platz war. Laufen und Joggen ist gut, aber ersetzt normales Training nicht.“

Zudem sei nicht absehbar, dass ab 18. April das Training ohne Einschränkungen erlaubt werde.“ Ungeachtet der sportlichen Lage sieht Wenk viele offene organisatorische Fragen: „Was wäre, wenn sich Teile einer Mannschaft infiziert haben? Müssen dann alle Spieler in Quarantäne? Dürfen Spieler aus der Schweiz uneingeschränkt spielen?“ Auch wenn durch einen Abbruch der Saison der seit 2007 in der Bezirksliga spielende „Dino“ gerettet wäre: „Vernünftiger ist es auf jeden Fall.“
„Die Vorrunde zu Ende spielen? Das wird nichts mehr“
Sicher, dass die Vorrunde nicht mehr vernünftig zu Ende gespielt werden könne, ist sich Thomas Werne, Vorsitzender des A-Kreisligisten FC Geißlingen: „Wir müssten Mitte April wieder mit einem normalen Training beginnen. Das wird nichts mehr. Deswegen hätte der Verband die Saison auch jetzt schon abbrechen können.“

In seinem Verein trainieren seit kurzem wieder bis zu 20 Kinder unter Corona-Auflagen, was ja nach der gültigen Corona-Verordnung des Landes erlaubt sei, doch Werne ist sich bewusst: „Auch da bewegen wir uns auf dünnem Eis.“
„Wenn abgebrochen wird, müssen das alle akzeptieren.“
Dass es mit der Saison-Fortsetzung nichts mehr wird, glaubt auch Dietmar Zapf, einer der Vorsitzenden des SV Blau-Weiß Murg. Trotzdem plädiert er dafür, mit einer endgültigen Absage noch etwas zu warten: „Wir haben ja noch Zeit.“

Wenn die Absage dann doch erfolgen müsse, habe man das zu akzeptieren: „Fußball ist nicht das Wichtigste auf der Welt.“ Schlimmer als die Absage ist für Zapf, dass auf die Vereine künftig große Probleme zukommen werden. „Das wird den ganzen Amateursport treffen. Auch wir haben bereits Abmeldungen von Mitgliedern erhalten.“
„Training für Kinder bis 14 Jahre birgt ein hohes Risiko“
Von „Augenwischerei des Verbands“ spricht Jenniffer Eckert, die Spielbetriebsleiterin für Frauenfußball beim Landesligisten SV Niederhof. Sie hätte sich gewünscht, dass der Verband bereits jetzt die Saison gecancelt hätte: „Die Entscheidung nochmals aufzuschieben bringt nichts.“ Die Inzidenzzahlen würden, so Jenniffer Eckert, für sich sprechen. Eine Hinhaltetaktik sei in dieser Situation nicht angebracht.

Auch dem von einigen Vereinen bereits praktizierten Training für maximal 20 Kinder bis 14 Jahre steht sie skeptisch gegenüber: „Das Risiko trägt der Verein. Und dieses Risiko, dass sich ein Kind infiziert, ist nicht auszuschließen.“ Ihr Hoffnungsschimmer auch bei einem Saisonabbruch: „Vielleicht ist es im Juni oder Juli möglich, Freundschaftsspiele oder kleine Turniere auszurichten.“
„Alles andere als ein Abbruch wäre unrealistisch“
Zwar hat der B-Kreisligist SV Eggingen die erlaubten Trainingszeiten organisatorisch gut gelöst: „Kinder bis 14 Jahren trainieren nach Vorgaben; ältere dürfen sich über unsere Homepage in den erlaubten Gruppen eine Übungsstunde reservieren – das klappt gut und wird hervorragend angenommen“, so Pressesprecher Manuel Streuff.

Dass nun dennoch der Saison-Abbruch ansteht, hat ihn nicht überrascht: „Wenn ich die Risiken und die Gefahren für Spieler und Zuschauer sehe, dann ist es richtig, die Saison nicht auf Biegen und Brechen durchzudrücken. Der Wettbewerb wäre ohnehin verzerrt gewesen.“ Natürlich würde er als Aktiver seiner Vereins auch liebend gern spielen und trainieren: „Aber alles andere als ein Abbruch wäre unrealistisch.“
„Wir hatten einen super Lauf. Ich hoffe, dass die Jungs bleiben“
Richtig viel Frust klingt bei Alexander Loritz durch. Der Vorsitzende des B-Kreisligisten SV Karsau hat einen Hals, auch weil sein Club einen guten Lauf und als Tabellenzweiter durchaus Chancen auf die Rückkehr in die Kreisliga A hatte: „Ich hoffe, dass die Jungs bei der Stange bleiben. Bis jetzt gibt es keine Abgänge. Aber weiß man es, wie sie reagieren nach fast einem Jahr ohne Fußball?“ Dass die Spielzeit annulliert werden könnte, haut ihn auch nicht mehr vom Hocker: „Jetzt im Frühjahr bleibt doch nur noch der Abbruch. Ich hätte mir gewünscht, dass im Herbst wenigstens die Vorrunde beendet worden wäre.“ Schließlich habe sich sein Verein im Oktober viele Gedanken gemacht und auch investiert.

„Wir hatten ein passendes Hygienekonzept, das von allen Zuschauern – auch von den Gästen – akzeptiert wurde. Die Leute waren früh, dass sie noch Fußball schauen durften – und eine Woche später war alles für die Katz‘“, lässt er den Verband aus der Kritik: „Die haben sich vielleicht nicht weit aus dem Fenster gelehnt, aber letztlich mussten sie ja machen, was die Politik beschließt. Und da hat einiges an Maßnahmen, nicht nur für den Amateurfußball, nicht gepasst“, verweist er auf den Profisport: „Da wird munter gekickt, egal ob es positive Tests gibt.“