Aline, seit Ihrem grandiosem Olympiasieg in Tokio ist heute exakt ein Jahr vergangene. Wie oft denken Sie noch an den 2. August 2021?
In den ersten Monaten dachte ich gar nicht so viel. Aber zuletzt wieder öfters, da ich durch unser Kind mehr zuhause bin und mehr Zeit habe.
Und wie oft haben Sie sich den Finalkampf seitdem angeschaut?
Als ich schwanger war öfters, weil einem ja hin und wieder langweilig ist.
Werden Sie bei diesen Bildern immer noch emotional?
Normalerweise eher weniger. In diesen Tagen aber schon, da ich durch den Jahrestag von einigen Personen daran erinnert werde.
Hat die Goldmedaille einen Ehrenplatz?
Noch nicht. Aber wenn wir mit unserem Umbau fertig sind, bekommt sie einen besonderen Platz.
Der olympische Triumph, anschließende Fernseh-Auftritte und Ehrungen haben Sie deutschlandweit populär gemacht. Inwiefern hat dies auch Ihr Leben geprägt?
Mich selbst hat es nicht verändert. Aber es war eine wilde, verrückte und spannende Zeit. Ich hatte 40, 50 Termine. Mein Alltag ist aber weiterhin unspektakulär.
Wie blicken Sie auf die vergangenen 365 Tage zurück ?
Ich bin stolz und mega dankbar, dass ich das alles erleben durfte.
Was war besonders positiv ? Woran erinnern Sie sich gerne?
Obwohl meine Familie bei Olympia nicht dabei war, überstrahlen die Tage von Tokio alles. Ich hoffe, ich werde das nie vergessen. Deshalb habe ich auch ein Tagebuch geschrieben, damit ich mir alles merken kann.
Gab es in den vergangenen Monaten Termine oder Auftritte, bei denen Sie froh waren, dass sie endlich vorbei sind?
In der Zeit, als ich bereits schwanger war, wurde es ein bisschen viel. Aber es war immer meine Entscheidung, zu welcher Veranstaltung oder Ehrung ich gehe.
Sie sind auch derzeit noch für solche Termine unterwegs?
Ja. Zwar nicht mehr im Fernsehen, aber für Vorträge, die ich halte. Das macht mir riesig Spaß.
Bedauern Sie hin und wieder, dass Sie ihre Ringer-Karriere beendet haben?
Bedauern nicht, denn es war die richtige Entscheidung. Aber wenn man sich Ziele setzt und Träume hat, die einen den ganzen Tag beschäftigt haben, und das alles nun vorbei ist, dann fehlt schon etwas. Ringen hat bis zum Karriereende mein ganzes Leben geprägt. Außerdem fehlen mir die Menschen und Emotionen aus dem Ringersport.
Im Spitzensport gibt es viele Beispiele von Sportlerinnen, die nach einer Babypause wieder zurückkamen. Hatten Sie schon Comeback-Gedanken ?
Nein. Das ist ausgeschlossen. Mein Trainer sagt zwar, dass er mich sofort wieder fit bringt und es reizt auch ein bisschen. Aber wenn man sagt, man hört auf, dann sollte man auch aufhören. Ich habe mit Weltmeistertitel und Olympiasieg alles erreicht. Was will ich mehr als Sportlerin?
Nun gibt es einen anderen Mittelpunkt in Ihrem Leben. Sie und Ihr Mann Jan haben sei Mai einen Sohn. Wie hat Ilian Georg Euer Leben verändert?
Er hat alles gut durcheinandergewirbelt. Wir waren schon immer kinderlieb und dachten, wir sind gut vorbereitet. Aber ein eigenes Kind ist eine ganz andere Hausnummer und eine extreme Bereicherung für unser Leben.
Die Stadt Triberg hat die Sporthalle nach Ihnen benannt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie zum ersten Mal von diesem Vorhaben hörten?
Ich musste zunächst lachen, da in Krefeld bereits das gleich gemacht wurde. Das ist natürlich eine riesen Ehre. Triberg und Krefeld sind mein Zuhause. Wenn später mein Kind Schulsport in der Halle hat, die nach mir benannt wurde, dann ist das schon etwas Besonderes. Dass die Menschen einem einen Erfolg gönnen und ihn wertschätzen, freut mich noch mehr als der Olympiasieg. Das hätte ich vor einem Jahr nicht gedacht.
Anfang September startet die Ringer-Mannschaftsaison. Wird Aline Rotter-Focken bei Heimkämpfen des SV Triberg in der Aline Rotter-Focken-Halle zu sehen sein ?
Auf jeden Fall. Ich weiß zwar nicht, wie oft ich kann, aber ich freue mich auf die Kämpfe, bei denen ich dabei sein kann.
Fragen: Christof Kaltenbach