Hoher Blutdruck? Da könnte ein Einschalten beim Kontrafunk helfen. Sagte kürzlich zumindest Hörerin Sabine aus Südafrika – eine Bekannte des Moderators Achim Winter, wie er zugab – in einer der Sendungen des Internetradios. Das sei ja unglaublich, was da in Deutschland alles passiere und was sie so alles auf Twitter lesen müsse, so Sabine weiter. Konkreter wird sie nicht, aber: „Der Kotzbecher kann gar nicht groß genug sein.“
Ein Glück also, dass es den Kontrafunk gebe, „die Stimme der Vernunft“, wie sich der Sender selbst bezeichnet. Dessen Gründer, Burkhard Müller-Ullrich, freute sich über dieses Lob dann in seiner Sonntagsrunde, die der Internetsender als „sprechende Chronik des wöchentlichen Wahnsinns der Politik“ bezeichnet.
Kontrafunk sendet aus der Schweiz
Müller-Ullrich ist AfD-Mitglied, ehemals Moderator beim Südwestrundfunk (SWR) und sendet seit 2022 den Kontrafunk, mittlerweile aus seinem Zuhause in Steckborn in der Schweiz. Knapp 17 Kilometer sind es von hier bis nach Konstanz. Kontrafunk – wer wissen möchte, wogegen sich Müller-Ullrichs Internetradio richtet, der braucht nur kurz einzuschalten. Es geht um Politische Korrektheit, vermeintliche Regierungs- oder wahlweise Nato-Medien, die Bundesregierung und alles, was sich als links-grün bezeichnen lässt. Es wird auch mal von der „Klimahysterie“ geredet. Ist der Sender also rechts? Gar ein AfD-Radio? Beim Zuhören jedenfalls fällt schnell auf: Was da aus der Schweiz verbreitet wird, behandelt meist Politik in Deutschland und richtet sich an Hörer jenseits der Grenze.
Der „Thurgauer Zeitung“ sagte Müller-Ullrich dazu: „Wenn jemand behauptet, wir sind ein rechter Sender, dann ist das völliger Blödsinn.“ Eine inhaltliche Nähe zur AfD gebe es laut dem Moderator nicht, heißt es im Bericht der „Thurgauer Zeitung“ weiter. Eine Anfrage des SÜDKURIER für ein Gespräch mit Müller-Ullrich blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Politologe findet deutliche Worte
Deutliche Worte zur politischen Einordnung von Burkhard Müller-Ullrich findet Gerald Schneider, Professor am Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Konstanz und selbst gebürtiger Schweizer. Gebeten um eine Vermutung, warum Müller-Ullrich aus der Schweiz und nicht aus Deutschland sendet, antwortet Schneider: „Dafür gibt es wohl zwei Gründe. Zum einen verklären rechte Geister wie Herr Müller-Ullrich die Schweiz und ihre Freiheitsrechte. Zum anderen ist es einfacher, in der Schweiz ein Unternehmen zu gründen als in Deutschland mit seiner erstickenden Bürokratie.“
Auch in den Moderationen von Müller-Ullrich wird durchaus eine inhaltliche Nähe zur AfD deutlich, so etwa in der Sonntagsrunde vom 10. März. Als Gäste waren da geladen: David Boos, Organist und Journalist bei „Tichys Einblick“, Silke Schröder, Unternehmerin und ehemals im Vorstand des Vereins Deutsche Sprache, und Harald Martenstein, Kolumnist bei der „Zeit“ und der „Welt“. Laut Kontrafunk wird diskutiert, dabei stimmen sich die Gäste eigentlich nur gegenseitig in ihren Beschwörungen eines zu engen Meinungskorridors zu – ganz typisch für solche Medien. Silke Schröder war bei dem Treffen von AfD-Mitgliedern mit Rechtsextremen in Potsdam dabei, das das Recherchenetzwerk Correctiv offenlegte.
Angebliche Kampagne um das Geheimtreffen
Genau wie die AfD spricht Müller-Ullrich von einer „Correctiv-Kampagne“, der Silke Schröder zum Opfer gefallen sei. Sie wiederum sagt, man dürfe doch neugierig auf Menschen und ihre Vorträge sein – auch auf den Rechtsextremisten Martin Sellner, der bei dem Treffen in Potsdam anwesend war und einen Vortrag hielt. Um die Enthüllungen zu entkräften, spricht Schröder von einer „Choreografie“ um das Geheimtreffen. Ferner sieht die Unternehmerin von Seiten der Regierung den Versuch, „eine andere Denkrichtung, ein anderes Wahlverhalten sozial zu ächten, zu stigmatisieren“.
Burkhard Müller-Ullrich greift im Anschluss einen Gedanken von Harald Martenstein auf, es könnte irgendwann zu Unruhen oder gar einem Bürgerkrieg kommen, wenn Menschen die Meinung verboten werde. Er stelle sich das ja lieber nicht vor, aber es gehöre nun mal zur Aufgabe eines Intellektuellen, sich zu überlegen, wie Dinge weitergehen könnten – was also etwa ein AfD-Verbot auslösen könnte.
Ein Blick auf die sonstigen Gäste und Moderatoren des Kontrafunks gibt weiter Auskunft über die politische Ausrichtung: Jüngst war Dieter Stein zu Gast, Chefredakteur der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Diese bezeichnet die Bundeszentrale für politische Bildung als „Sprachrohr einer radikal-nationalistischen Opposition“. Regelmäßig treten Journalisten von Medien wie „Achse des Guten“ oder „Tichys Einblick“ auf.
Über diese Alternativmedien heißt es von Politologe Gerald Schneider: „Die sind alle in dem Sumpf zu verorten, in dem sich spätestens seit Corona allerlei Querulanten, Querdenker, Identitäre wie die Reichsbürger und die Propagandisten der AfD und der einstigen Werteunion tummeln.“ Schneider sieht bei diesen Medien keine Trennung mehr zwischen Nachricht und Kommentar.
Aber der Politologe merkt an: „Inwieweit diese Blasen dann zur Stärkung von rechtsextremen Parteien wie der AfD beitragen, ist wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen.“ Auch AfD-Mitglied Erika Steinbach war schon in der Sonntagsrunde zu Gast, ebenso Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, der während der Corona-Pandemie mit Falschinformationen auffiel.
Über die Sendung „Kontrafunk aktuell“ heißt es dazu nach eigenen Angaben, sie bringe „Stimmen und Positionen zu Gehör, die von den Regierungsmedien ausgeblendet werden.“ Zur Gründung des Senders 2022 gab es Lob vom Thüringer AfD-Chef und Rechtsextremisten Björn Höcke: „Wer eine journalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sucht, hat nun eine echte Alternative: Seit gestern sendet ‚Kontrafunk‘ ein 24-Stundenprogramm“, schrieb er damals auf Twitter.
Zusammenarbeit mit dem SWR
Die Pandemie prägte wohl auch Kontrafunk-Chef Müller-Ullrich. „Wir sind ein Kind von Corona“, wird er von der „Thurgauer Zeitung“ zitiert. Er ist verantwortlich für die Internetseite „Ich habe mitgemacht“. „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich rette euch vor einem Virus‘“, heißt es dort. Müller-Ullrich führte auf der Internetseite eine Liste von Menschen, die sich am „Corona-Unrecht“ beteiligt hätten.
Im Frühjahr 2020, also zu Beginn der Pandemie, war Müller-Ullrich noch als Moderator der Sendung „SWR2 Forum“ tätig. Die Wochenzeitung „Kontext:“ berichtete damals über seine AfD-Mitgliedschaft und eine Sendung des SWR2-Forums mit dem Titel „Das Ende der Vernunft: Wie das Corona-Virus uns entmündigt“. Damals antwortete der SWR auf eine Anfrage von „Kontext:“, dass es keine Zweifel an der „journalistischen Integrität“ von Müller-Ullrich gebe.
Auf SÜDKURIER-Anfrage, ob diese Einschätzung noch immer Bestand hat, antwortet der SWR: „Da Herr Müller-Ullrich nicht mehr für den SWR tätig ist, erlauben wir uns keine Beurteilung seiner aktuellen journalistischen Arbeit und Integrität.“ Wie lange das Arbeitsverhältnis bestand und warum es beendet wurde, gibt der SWR mit Verweis auf den Datenschutz nicht bekannt.