Autofahrer mussten in den vergangenen Wochen und Monaten manch nervenzehrende Wartezeit in Kauf nehmen. Die Herbstferien brachten ein wenig Linderung, aber in Normalzeiten braucht es nur eine Störung an einem Knotenpunkt, um das städtische Straßennetz an den Rand eines Kollapses zu bringen – zumindest in der Wahrnehmung der Verkehrsteilnehmer. „Kreuzlingen braucht keine Klimakleber, da sorgen Stadt und Kanton schon dafür, dass überall Stau ist“, ergießt sich dazu Häme in die sozialen Medien.
Die Romanshornerstraße war über eineinhalb Jahre eine Baustelle. Ende August musste der Hafenkreisel für wenige Tage gesperrt werden, gefolgt von einigen Wochen Einbahnregelung auf der Hafenstraße. Fast nahtlos abgelöst wurde diese Baustelle nun von jener an der Bärenstraße, die nun bis Ende nächsten Jahres bestehen bleiben wird.
Deutlich spürbar war dies zuletzt für die Autofahrer auf der Ost-West-Achse: Ein Durchkommen gab es nur mit Anstehen. „Denken ist offensichtlich Glücksache bei der Planung der Verkehrsströme.“ Solche Frust- und Wutäusserungen sind im Internet zuhauf nachzulesen.
Im Stadtparlament kommt ein Sturm der Entrüstung auf
Das Thema brennt vielen Einwohnern unter den Nägeln. Mittlerweile hat es eine politische Komponente erhalten. Die SVP in Person von Gemeinderätin Séverine Schindler tat ihren Ärger im Stadtparlament kund und fragte: „Wollen Sie noch den letzten Kreuzlinger wütend machen?“
Im Oktober reichte sie dazu einen Vorstoß ein: „Unserer Einschätzung nach, haben viele Kreuzlinger große Mühe mit der aktuellen Verkehrssituation, die doch schon einige Jahre anhält. Und sie wünschen sich zwischendurch einmal eine Verschnaufpause.“
Die Kreuzlinger Innenstadt würde gemieden und für Einkäufe nach Weinfelden oder Amriswil ausgewichen. Für Detailhandel und Gewerbe sei die Situation „alles andere als optimal“ und „schwierig zu akzeptieren“. Schindler und die SVP erwarten eine Gesamtplanung und Lösungsvorschläge vom Stadtrat. Im Auge des Sturms der Entrüstung steht Bau-Stadtrat Ernst Zülle. Er ist nicht für jede Baustelle verantwortlich – auch Kanton und Werkbetriebe sanieren Straßen –, er muss aber den Kopf hinhalten.
Zülle wehrt sich: „Selbstverständlich werden die verschiedenen Baustellen koordiniert.“ Am Sonnenplatzkreisel an der Bärenstraße sei erst mit dem Bau begonnen worden, nachdem die Hafenstraße wieder offen war, relativiert er. Vermutlich hätten dies die Autofahrer aber erst spät gemerkt und es habe einige Tage gedauert, bis sich die Verkehrsflüsse entsprechend angepasst hätten.
„Kreuzlinger Rush-Hour ist nicht von der Hand zu weisen“
Dass der Verkehr in Kreuzlingen öfter stockt, will der Stadtrat aber nicht leugnen. „Das Verkehrsaufkommen wird eben immer größer. Es gibt eine Rush-Hour in Kreuzlingen, das ist nicht von der Hand zu weisen.“ In Kreuzlingen gebe es 70 Kilometer an Straßen. Diese hätten im Schnitt eine Lebensdauer von 35 Jahren. Was bedeute, dass jedes Jahr etwa zwei bis drei Kilometer saniert werden müssten, rechnet Ernst Zülle vor.
Ein Hinausschieben der anfallenden Arbeiten führe zu Mehrkosten und nur immer zu weiteren Verzögerungen. Einfach eine Sanierung auslassen, gehe nicht. „Es tut uns leid, wir haben auch keine Freude am Kolonnenverkehr. Aber es geht nicht anders, als dass wir gut und vorausschauend planen und die bestmögliche Verkehrsführung anbieten.“
Nachtschichten, wie auch schon gefordert, seien mitten in der Stadt nicht opportun, führten sofort zu Lärmklagen. Außerdem seien Straßen- und Werkleitungssanierungen auch saisonale Arbeiten und voneinander abhängig. Gerade Letztere seien meist dringend und nicht unendlich aufschiebbar.
„Den Stau machen nicht die Planer und Bauarbeiter, sondern die Autofahrer“, fügt der Stadtrat seinen Ausführungen hinzu. Solche Sätze kommen bei den Autofahrern aber nicht gut an. Genauso wenig wie jüngst Zülles Aussage im Gemeinderat, als er darauf hinwies, man solle doch häufiger einmal das Fahrrad nutzen. Die SVP nahm dieses Votum in ihrem Vorstoß auf und fragte polemisch nach, ob es ernst gemeint sei, dass die Handwerker mit dem Fahrrad ihre Arbeit erledigen sollen.
Selbstverständlich seien nicht die Gewerbetreibenden angesprochen gewesen, betont Zülle. Aber die Stadt setze alle Hebel in Bewegung, um für den öffentlichen Verkehr und den Langsamverkehr bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen. So will man auch für Entlastung auf den chronisch überfüllten Straßen sorgen.
Urs Brüschweiler ist Reporter unserer Partnerzeitung, der „Thurgauer Zeitung“.