Viele Fragen, kaum Antworten: Was die Ankündigung von Innenministerin Nancy Faeser bezüglich weiterer Kontrollen an der Grenze von Deutschland und der Schweiz angeht, gibt es weiterhin wenig Konkretes. Die Bundespolizeidirektion Stuttgart beruft sich auf Anfrage weiterhin auf „einsatztaktische Gründe“, die Angaben zu den Kontrollmaßnahmen verbieten.

Gibt es weitere Informationen zu den Maßnahmen?

Aus dem Bundesinnenministerium (BMI) gibt es am Tag nach der Ankündigung auch keine konkreten Auskünfte zur Ausgestaltung der Grenzkontrollen. Die stationären Grenzkontrollen sollen Schleuser abschrecken.

Auf Nachfrage, was mit Geflüchteten passiert, deren unerlaubter Grenzübertritt bei den Kontrollen festgestellt wird, verweist ein Sprecher des BMI auf die Pressemitteilung vom Vortag. Darin heißt es, dass „aufenthaltsbeendende beziehungsweise einreiseverhindernde Maßnahmen“ im Einzelfall geprüft werden. Wenn ein Asylgesuch gestellt wird, würden die Geflüchteten weiterhin dem Bundesamt für Migration und Flucht zugeführt und nach der Dublin-Verordnung weitergeleitet – also nicht zurückgewiesen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner schreibt auf Anfrage, dass die Grenzkontrollen Zurückweisungen ermöglichen, wenn kein Asylantrag an der deutschen Grenze beantragt wird. An der Grenze zu Österreich gelten die verstärkten Maßnahmen schon länger. Im ersten Halbjahr seien so etwa 4500 Personen, im Jahr 2022 mehr als 14.000 Personen zurückgewiesen worden.

Drohen jetzt mehr Staus vor der Grenze?

Schon in der Pressemitteilung vom Montag hieß es, Auswirkungen auf Pendler, Handel und Reiseverkehr sollen möglichst gering gehalten werden. Dies bekräftigt die Bundespolizei nun auf Anfrage. Zudem heißt es, dass die Maßnahmen sich „schwerpunktmäßig auf den Einreiseverkehr nach Deutschland beziehen“ werden. Also: Wenn es zu Staus kommt, dann vor allem aus der Schweiz kommend Richtung Deutschland. Die Ausreise in die Schweiz ist weniger betroffen.

Am Tag nach der Ankündigung verstärkter Grenzkontrollen ist am Grenzübergang Bad Säckingen/Stein nicht mehr los als sonst, der ...
Am Tag nach der Ankündigung verstärkter Grenzkontrollen ist am Grenzübergang Bad Säckingen/Stein nicht mehr los als sonst, der Feierabendverkehr rollt normal. | Bild: Stein, Moritz

Das schweizerische Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) schreibt dem SÜDKURIER: „Bei der Ausreise nach Deutschland kann es aktuell wegen der verstärkten Kontrollen durch die deutschen Behörden zu Staubildungen und damit verbundenen Wartezeiten kommen.“ In Kreuzlingen sei es laut BAZG bereits zu Staus gekommen, in Basel habe es Verspätungen bei den grenzüberschreitenden Straßenbahnen gegeben.

Wie reagieren die Schweizer?

Das BAZG scheint ferner nicht in die verstärkten Grenzkontrollen eingebunden. „Es handelt sich um eine Maßnahme Deutschlands, welche das Schweizer Grenzregime grundsätzlich nicht beeinflusst“, heißt es. Verwiesen wird ferner auf den gemeinsamen Aktionsplan mit Deutschland, der Ende 2022 vereinbart wurde. „Dieser sieht unter anderem gemeinsame Patrouillen und einen verstärkten Informationsaustausch vor.“

Das könnte Sie auch interessieren

Was sagen Politiker und Politikerinnen aus der Region?

Die Konstanzer Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch ist auch Berichterstatterin für Einwanderung und Migration der FDP-Fraktion. In einer Erklärung schreibt sie, dass durch die stationären Grenzkontrollen „eine massive Beeinträchtigung des Alltags in unserer Grenzregion“ zu befürchten sei, ohne dass die Maßnahmen Auswirkungen auf die Einwanderung hätten. Stationäre Grenzkontrollen bezeichnet Jurisch als Nebelkerze. „Wer an der Grenze Asyl verlangt, kommt genauso in unser Asylverfahren, wie wenn er es im Land macht. Aufwand und Nutzen stehen hier in keinem Verhältnis“, schreibt Jurisch.

FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch: „Damit gerät die Freizügigkeit innerhalb der EU und des Schengenraums unter die ...
FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch: „Damit gerät die Freizügigkeit innerhalb der EU und des Schengenraums unter die Räder.“ | Bild: Ulrike Sommer

Die FDP-Politikerin sieht nicht den Bund, sondern die Länder in der Pflicht, „ihre Regelungsmöglichkeiten im Migrationsbereich“ zu nutzen. Dazu gehörten: „Beim Vollzug von Abschiebungen unbedingt mehr Tempo machen und Abschiebehaftplätze schaffen, die Ausländerbehörden besser ausstatten und organisieren und Bezahlkarten einführen.“

CDU-Politiker Felix Schreiner, der für den Wahlkreis Waldshut im Bundestag sitzt, bewertet den Schritt dagegen als „Signal in die Welt, dass die Bundesrepublik die illegale Migration begrenzen möchte“. Die stationären Grenzkontrollen würden vor allem auch am Nadelöhr Basel Badischer Bahnhof sichtbar. Er erwarte nun eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Verfolgung von Schleusern an der deutsch-schweizerischen Grenze.

Wie reagiert der Ministerpräsident?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann kann bei der Regierungspressekonferenz am Dienstag auch nicht weiter erläutern, wie die Grenzkontrollen aussehen, begrüßt sie aber. „Das wird nicht so sein, dass da an allen Grenzen jemand steht“, so Kretschmann. „Das werden je nach Lage Kontrollen durch mobile Grenzkommandos sein, die ja auch zusammen mit der Schweiz durchgeführt werden.“

Für Südbaden sei vor allem der Zustrom unbegleiteter minderjährige Flüchtlinge und deren Unterbringung ein großes Problem, dies hätten ihm die Verantwortlichen vor Ort immer wieder gespiegelt. Aber was künftig passieren soll, wenn ein mobiles Grenzkontrollkommando auf Minderjährige trifft, kann Kretschmann jedenfalls nicht genau sagen. „Ich nehme mal an, ja“, so der Regierungschef auf die Frage, ob diese dann zurückgeschickt würden.

Ein Pressesprecher des Bundesinnenministeriums kann darauf angesprochen allerdings keine allgemeinen Aussagen treffen. „Minderjährige haben noch mal einen besonderen Schutz“, heißt es.

Was sagt ein Migrationsexperte zu den Grenzkontrollen?

Fabian Gülzau ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat für Integration und Migration. Er sagt dem SÜDKURIER, dass bislang keine relevanten Studien zur Effektivität temporärer Grenzkontrollen vorliegen. „Vorübergehend können sie ein effektives Mittel sein, um einige Schleuser zu fassen“, so Gülzau.

Die Schleuser würden allerdings auf andere Routen ausweichen, um nach Deutschland zu kommen, weshalb die Grenzkontrollen langfristig nicht die richtige Antwort seien. Gülzau hofft allerdings, dass die Kontrollen den Druck auf den Europäischen Rat erhöhen, gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

Was sagt die Gewerkschaft der Polizei?

Nachdem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Notifizierung der Grenzkontrollen am Montag noch begrüßt hatte, gab es am Dienstag Kritik an der Umsetzung: Der Deutschen Presse-Agentur sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dass die Gewerkschaft sich auf mobile und flexible, statt die nun stattfindenden stationären Grenzkontrollen eingestellt habe. Beamte würden nun von Bahnhöfen und Flughäfen abgezogen und an die Grenze geschickt, und das ohne die entsprechende Ausstattung.