Nach der Bluttat von Kreuzlingen laufen die Ermittlungen zu Motiv und Hintergründen weiter auf Hochtouren. Ein 52-jähriger Mann war am Freitagnachmittag gegen 14.15 Uhr vor den Augen mehrerer Zeugen vor einem Büro- und Hostel-Gebäude an der Romanshornerstrasse niedergeschossen worden und noch am selben Abend verstorben.

Der Tatort am Freitagabend. Vor dem Haus wartet ein Auto an einer Baustellenampel. Das Opfer war auf dem Vorplatz links vor dem Gebäude ...
Der Tatort am Freitagabend. Vor dem Haus wartet ein Auto an einer Baustellenampel. Das Opfer war auf dem Vorplatz links vor dem Gebäude niedergeschossen worden. | Bild: Sven Frommhold

Den Täter, einen 49-jährigen Mann mit deutscher und Schweizer Staatsbürgerschaft, der in der Schweiz wohnt, nahmen Beamte der Kantonspolizei noch am Tatort fest. „Gemäß ersten Erkenntnissen standen der Beschuldigte und das Opfer in einer Geschäftsbeziehung“, sagt Fabian Mörtl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Thurgau in Frauenfeld, am Montag dem SÜDKURIER. Die Frage, ob einer der beiden Beteiligten in der Firma tätig gewesen sei, auf deren Vorplatz die Schüsse fielen, ließ er unbeantwortet.

Auch zum Motiv machte er mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Angaben. Die am Tatort sichergestellte Schusswaffe sei auf den Beschuldigten zugelassen gewesen. Der Mann sitze auf Anordnung des Zwangsmaßnahmengerichts in Untersuchungshaft.

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Einige Augenzeugen sahen alles mit an

In der Nachbarschaft ist die Betroffenheit noch am Montag groß, mehrere Anwohner haben die Tat selbst mit angesehen, wie sie berichten. „Ich sah noch, wie der Schütze gerade seine Waffe heruntergenommen hat, als ich aus dem Fenster blickte“, erzählt ein junger Mann, der genau gegenüber wohnt und am Freitagnachmittag von drei Schüssen aufgeschreckt worden war. Als er zur anderen Straßenseite blickte, bot sich ihm ein verstörendes Bild.

Auf einem kurzen Video, das der Anwohner mit dem Smartphone aufgenommen hat, sieht man einen Mann regungslos am Boden liegen. Um seinen Kopf hat sich eine Blutlache gebildet. Der mutmaßliche Täter läuft nur wenige Meter entfernt langsam davon. Er schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, scheint verzweifelt. Dann macht er kehrt und tritt wieder näher an sein Opfer heran. Hier endet das Video.

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Das Drama spielte sich am helllichten Tag im Osten der Konstanzer Nachbarstadt an einer stark befahrenen Hauptstraße ab, auf der eine Baustellenampel immer wieder für Verzögerungen sorgt. Einen Streit zwischen den Männern habe er zuvor nicht gehört, sagt der junge Mann von gegenüber. Und er ist sich sicher, dass er trotz des Verkehrslärms ein lautes Wortgefecht durch das offene Fenster mitbekommen hätte. Zudem sagt er, dass der Schütze die Schüsse aus nächster Nähe abgegeben haben muss.

Auch aufgrund seiner nachfolgenden Beobachtungen geht der Anwohner davon aus, dass das Opfer schon vor Ort verstorben sein muss. Eine Viertelstunde hätten die Rettungskräfte noch Reanimationsversuche vorgenommen, aber der später ankommende Helikopter der Schweizer Rettungsflugwacht flog leer wieder weg, berichtet der Mann und widerspricht damit teilweise den Angaben der Kantonspolizei.

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Es seien „Szenen wie in einem Film“ gewesen

Ein anderer Anwohner berichtet gegenüber dem Privatsender TVO, er habe die beiden Männer diskutieren sehen, als plötzlich drei Schüsse fielen und einer der Beiden zu Boden ging. Rasch seien Passanten zu Hilfe geeilt. Der Täter habe seine Waffe fallen lassen und sei von einigen dazugekommenen Männern in Schach gehalten worden, bis Polizei und Rettungskräfte eintrafen. „Szenen wie in einem Film“, beschreibt es der Mann.

Weitere dramatische Details schildert ein Rentner auf dem Online-Portal blick.ch. Er habe gesehen, wie der Täter sein Opfer wiederzubeleben versuchte und die Pistole ins Kiesbett geworfen habe. Anschließend habe der Mann neben dem Haus gewartet, bis die Polizei ihn schließlich festnehmen konnte, ohne dass er Gegenwehr geleistet hätte. Der Senior berichtet auch von einer Frau, die aus dem Haus gekommen sei. Sie habe verzweifelt geschrien, als sie den Mann am Boden liegen sah.

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Nach Informationen des „Blicks“ haben Nachbarn den Verstorbenen als Inhaber des hier ansässigen Unternehmens erkannt. Die Staatsanwaltschaft in Frauenfeld nimmt dazu keine Stellung, dementiert es aber auch nicht. In dem Gebäude an der Romanshornerstrasse 53 ist eine Firmengruppe ansässig, die im Bereich Bauen, Immobilien und Beherbergung aktiv ist.

Im Internetauftritt der Gruppe sind zahlreiche Verkaufsobjekte, auch in Deutschland, aufgelistet. Eine ukrainische Familie bedankt sich für die Unterstützung, die man 2022 nach der Flucht aus dem Kriegsgebiet vom Firmenchef und seinem Unternehmen erhalten habe.

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Blumen für das Opfer am Tatort niedergelegt

Am Tatort liegt am Montagmorgen ein Bund roter Rosen und Gerbera, als einziges Zeichen der tragischen Ereignisse. Die Blutspuren, die am Freitagabend noch zu sehen waren, sind vom Dauerregen des Wochenendes endgültig weggewaschen worden. Im Erdgeschoss-Büro des Geschäftshauses weist man die Journalisten bestimmt weg. Man gebe keine Auskünfte. Auch die Leute im Imbiss gegenüber und weitere Befragte sind wortkarg gegenüber den Medien.

Der Schock sitzt tief an der Romanshornerstrasse und in der gesamten Konstanzer Nachbarstadt. Der niedergeschossene 52-Jährige war laut Kantonspolizei am Freitag mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht worden, wo er wenig später verstarb. Der Tatort befindet sich an einer der belebtesten Kreuzlinger Straßen im östlichen Teil der Konstanzer Nachbarstadt. Sie wird bereits seit geraumer Zeit umfassend saniert.

Urs Brüschweiler ist Journalist bei der „Thurgauer Zeitung“, mit der der SÜDKURIER kooperiert.