Paul Rüegg, der kürzlich seinen Stand am Fricker Martinimarkt einrichtete, fällt auf. Der bärtige Mittsechziger steht in sandalenähnlichen Holzschuhen vor seinem Stand und deckt seine gedrechselten Produkte mit Preisschildern ein. „Normalerweise trage ich einen Kilt – einen schottischen Männerrock“, sagt er. Auch wenn man ihn mit seinem Markenzeichen vielerorts kennt, so scheint er mit seiner langen Hose den richtigen Riecher gehabt zu haben. Schließlich regnet es teilweise in Strömen.
Im Zeitalter des Internets sind Persönlichkeiten gefragt
Seit 19 Jahren betreibt Rüegg das Drechseln beruflich. Aus gesundheitlichen Gründen musste er damals seinen Job als Werkstatt- und Kursleiter bei Arbeitslosenprojekten aufgeben. „Wieder gesund, wollte mich niemand mehr“, sagt er.
Während er früher viele seiner Schützlinge in der Arbeitslosenwerkstatt fürs Drechseln begeistern konnte, ist er seither jährlich an 20 bis 25 Märkten anzutreffen.
Rüegg weiß, dass hier im Zeitalter vom Internet und von Onlineshops noch richtige Persönlichkeiten gefragt sind. „Man muss die Begeisterung für die Produkte an die Kundschaft weitergeben können“, sagt er. „Mir ist zudem eine gesunde Wertschöpfung wichtig. Vom geschlagenen Holz bis zum Endprodukt mache ich alles selber.“
Bewegtes Holz findet den Weg ins Schlafzimmer
Zwischen hölzernen Weinkühlern, Nussknackern und Fusselrollen fällt an Rüeggs Stand eine Kiste auf, die mit „Bewegtes Holz“ und „Zu bewegendes Holz“ angeschrieben ist. Darin befinden sich Dildos und Vibratoren in unterschiedlichen Größen und Formen. „Damit betreibe ich gerade Marktforschung“, sagt Rüegg. Er plant einen Onlineshop für seine erotischen Holzspielzeuge und möchte nun herausfinden, welche Modelle am besten ankämen.
„Ich musste zuerst herausfinden, welche Holzarten geeignet sind. Eiche und Ulme gehen zum Beispiel nicht, diese enthalten sehr viel Gerbsäure“, sagt er. Mit Ahorn, Esche und Kirschbaum – geölt, aber nicht lackiert – hat er mittlerweile die passenden Holzarten gefunden.
Verschiedene Holzarten werden verarbeitet
Daheim in Reichenburg (Kanton Schwyz) stellt er verschiedene Produkte wie Schalen in allen Größen, Pfeffermühlen und Dekoartikel her. „Die Mottenkugeln sind aber mein Hauptartikel, diese sind ein Selbstläufer“, sagt er. Für seine Produkte nutzt er nur einheimische Holzarten wie Kirschbaum, Ahorn, Eibe, Föhre, Nussbaum, Eiche, Ulme und Arve. „Das Holz stammt aus meiner Umgebung. Da habe ich einige Bauern, die mich informieren, wenn sie interessantes Holz für mich haben“, sagt Rüegg.
Paul Rüegg lebt mit seinem Stand seine Leidenschaft. „Nach zwei Jahren Unterbruch während der Corona-Pandemie war ich so ‚giggerig‘, wieder unter die Leute an den Markt zu gehen“, sagt er. Mittlerweile beobachte er aber ein zurückhaltendes Einkaufsverhalten, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen würden auf die Kauflust drücken.
Auch wenn gemäß Rüegg in der Vorweihnachtszeit neben den Gebrauchsartikeln auch die Dekoartikel gut laufen, so verzichtet vielleicht auch der eine oder andere Besuchende auf Mottenkugeln und unterstützt stattdessen Rüegg bei seiner Marktforschung in Sachen Holz fürs Schlafzimmer.
Die Autorin ist Redakteurin bei der Aargauer Zeitung. Dort ist der Beitrag auch zuerst erschienen.