Zwischen der Schweiz und Deutschland verläuft neben Rhein und Bodensee auch ein unsichtbarer Graben. Es ist der Wohlstandsgraben. Neu ist er nicht, doch er wird tiefer. Und das zuletzt sogar immer schneller: Der rasante Wertverfall des Euro gegenüber dem Franken verschärft die damit verbundenen Probleme massiv.
Natürlich gibt es auch deutsche Gewinner dieser Wechselkurs-Wende. Grenzgänger, deren Franken-Gehalt nun viel mehr wert ist. Oder die Läden, die von Schweizer Einkaufstouristen profitieren, die immer kaufkräftiger werden.
Doch hier beginnen die Probleme schon: Was nutzen diese Touristen, wenn man keine Menschen mehr findet, die sie bedienen? Längst gibt es Geschäfte die Öffnungszeiten kürzen müssen, weil mögliche Mitarbeiter jenseits des Rheins arbeiten.
Vorwerfen kann man das niemandem, genau so wenig wie man Einkaufstouristen vorhalten kann, dass sie kommen. Wir würden es umgekehrt genau so machen, war ja auch mal so.
Zehn Prozent mehr für Grenzgänger
Das Auseinanderklaffen der Gehälter erschüttert den deutschen grenznahen Arbeitsmarkt aber immer mehr. Konnte sich ein Grenzgänger mit einem Gehalt von 3000 Franken Mitte Februar noch deutsche Waren für rund 2880 Euro leisten, kann er wegen des für ihn besseren Wechselkurses nun für 3100 Euro einkaufen.
Fast zehn Prozent mehr, einfach so in einem halben Jahr, in vielen Fällen von einer ohnehin höheren Basis aus als in Deutschland – welcher südbadische Arbeitgeber soll in diesen Krisenzeiten da mithalten können?
Pendler fahren gerne in die Schweiz – andere eher nicht
Dieser weiter verschärfte Arbeitskraft-Abfluss ist ein ganz greifbares Problem. Es gibt aber auch ein anderes, nahezu nie thematisiertes: Die Grenze wird in einer Richtung weniger durchgängig. Man sieht es nicht, es ist nicht wie bei den Corona-Sperrungen 2020, als berechtigterweise jeder aufschrie. Aber es gibt eine Parallele: Der Durchgang von hier in die Schweiz ist zunehmend nur für Berufspendler eine Freude.
Wenn in der Schweiz für Deutsche mit ihrem Euro alles immer teurer wird, erlahmt der Freizeit-Verkehr. Das sieht nach einem eher zweitrangigen Gaudi-Problem aus. Aber ist es das? Ist es nicht gerade der unbeschwerte Aufenthalt im Ausland, der uns verbindet?
Wenn also deutsche Familien immer häufiger im Inland bleiben, statt in die Teuer-Schweiz zu fahren, wenn Kinder Schweizer nur noch als Einkaufstouristen erleben, im schlimmsten Fall noch bedacht mit entsprechenden Kommentaren der Eltern – dann kann das nicht gut sein.
Wird das Nachbarland zur kaum begehbaren Hochpreis-Insel, entsteht eine unsichtbare Grenze in den Köpfen. Das ist das Gegenteil von dem, was wir im Europa der Gegenwart wollen und brauchen.
Möglichkeit Mindestwechselkurs?
Was also tun? Deutschland ist nahezu machtlos, was direkten Einfluss auf den Wechselkurs angeht. Nur über Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank lässt sich der Euro rasch stärken, doch selbst das würde nur wenig gegen den harten Franken helfen.
Anders die Schweiz: Hier könnte die Nationalbank wieder – wie bis 2015 beim Kurs 1 Franken zu 1,20 Euro der Fall – einen Mindestwechselkurs garantieren. So könnte sie die absehbare weitere Aufwertung des Franken zum Euro also begrenzen.
Diese Debatte wird in der Schweiz jedoch kaum geführt. Selbst die zwei potenziellen Hauptverlierer des starken Franken, Exportwirtschaft und Tourismus, fordern diesen für die Nationalbank extrem teuren Schritt derzeit nicht.
Das Thema muss diskutiert werden
Aus rein finanziellen Aspekten besteht für die Schweiz also kaum Handlungsdruck. Nur: Darf allein der eigene wirtschaftliche Vorteil entscheidend sein? Hier geht es auch um ein freundliches Zusammenleben unter Nachbarn.
Ein immer stärkerer Franken ist hier eine Belastung. Wenn die EU und die Schweiz wieder einmal ihre zukünftige Zusammenarbeit diskutieren, muss deswegen auch dieses Thema auf den Tisch.