Eigenwillig, faul, gar dumm und etwas verschroben: So sind Katzen oft im kollektiven Gedächtnis verankert. „Dieses Bild ist falsch und wird dem Tier nicht gerecht“, sagt Fabienne Nigro entschieden. Denn: Die 42-Jährige aus Bottighofen ist Verhaltenstherapeutin für Katzen und hat sich auf Schattenkatzen spezialisiert. Das sind jene ängstlichen Katzen, die hinter schöngefärbten Internet-Hypes und menschlichem Unverständnis ihr klägliches Dasein fristen.

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Denn Verhaltensauffälligkeiten gibt es nicht nur beim Menschen. Fabienne Nigro sagt: „Viele denken, eine Katze ‚spinnt‘, weil es eben eine Katze ist.“ Um die Wesen und Probleme der Tiere zu verstehen, hat sie einen Fernlehrgang an der Akademie für angewandte Tierpsychologie und Tierverhaltenstraining besucht. „Verhaltenstherapie klingt für viele esoterisch, dabei ist es sehr konkret.“ Man müsse als Grundlagen etwa die Biologie, Psychologie oder Epigenetik des Tieres verstehen.

Seit Juli 2023 bietet Nigro Verhaltenstherapien für Katzen an. „Dafür sehe ich mir die Katzenhalter, das Umfeld, die körperliche Gesundheit des Tieres und seine Vorgeschichte an.“ Dies macht sie entweder bei einem Hausbesuch oder per Videoanruf. „Im Gespräch stellt sich oft heraus, dass viele Besitzer ein falsches Bild von ihrem Haustier haben.“

Hausgemachte Ursachen

Zahlreiche Ursachen für die Leiden der Katzen seien hausgemacht. „Viele arbeiten den ganzen Tag und haben abends keine Zeit und Lust mehr, sich mit dem Tier zu beschäftigen,“ sagt Nigro. Haustiere würden oft Eigenschaften ihrer Halter widerspiegeln. Anstatt sich mit der sensiblen Körpersprache der eigenen Katze auseinanderzusetzen, zücke man lieber das Smartphone und filme das Tier zu Unterhaltungszwecken.

Nigro sagt: „Katzen gelten als anspruchslos, was sich nach der Anschaffung im Alltag als völlige Fehleinschätzung herausstellt.“ Viele Halter würden im Internet nach einfachen Lösungen für das vermeintliche Fehlverhalten des Tieres suchen, was fatale Folgen für dieses haben kann. An diesem Punkt kommt Fabienne Nigro ins Spiel. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, den betroffenen Katzen und deren Haltern kompetent zu helfen.“

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Nigro entgegnet einem aus ihrer Sicht weit verbreiteten Irrtum: „Katzen sind nicht blöd. Man könnte ihnen sogar das Apportieren beibringen, wie bei Hunden.“ Im Gegensatz zum Hund wolle eine Katze dem Menschen aber nicht gefallen, weshalb viele das Wesen der Katze von Grund auf falsch einschätzen. Vor ihrer Ausbildung zur tierischen Verhaltenstherapeutin hatte sich Fabienne Nigro bereits jahrelang im Tierschutz und im Altnauer Tierheim engagiert. Dort habe sie viel über das Elend der Tiere und dessen Verursacher gelernt.

„Die Tierheime sind voll. Viele Menschen sind mit Haustieren überfordert und wollen sie wieder abgeben und loswerden.“ Der Mensch sei sehr selbstbezogen und versetze sich selten in die Lage des Tieres. „Außerdem sind Katzen evolutionär Beutetiere und können dadurch körperlichen Schmerz gut verbergen. Vielen Menschen fällt nichts auf“, sagt Fabienne Nigro. Bald ist wieder Weihnachten, und allzu oft lägen unter dem Christbaum Haustiere. „Ein paar Wochen nach der Bescherung füllen sich die Tierheime, weil viele Beschenkte überfordert oder enttäuscht sind vom neuen Haustier.“ Damit präge man die Tiere negativ und tue niemandem einen Gefallen.

Tobias Hug ist Reporter unserer Partnerzeitung, der „Thurgauer Zeitung“.