Verflucht, nur ein Zettel im Briefkasten! Das Päckchen mit der heiß ersehnten Bestellung wurde wieder einmal nicht persönlich abgegeben, obwohl man eigentlich den ganzen Tag zu Hause war. Stattdessen hat der Paketbote einen Zettel hinterlassen.

Weil die Sendung in einer Postfiliale abgeholt werden muss, reagiert man wahrscheinlich verärgert – und denkt nicht über den Druck nach, unter dem der Zusteller arbeiten muss. Das erledigt nun das britische Regie-Urgestein Ken Loach und erzählt in „Sorry We Missed You“ von den Arbeitsbedingungen bei der Paketauslieferung.

Wann hören die Geldsorgen endlich auf?

Im Zentrum steht der arbeitslose Bauarbeiter Ricky Turner (Kris Hitchen) aus Newcastle. Als er einen Franchise-Job als Paketzusteller annimmt, schöpft er Hoffnung und glaubt an die Chance, dass seine Familie die Geldsorgen hinter sich lassen kann.

Doch durch die vermeintlich lukrative Arbeit gelangt er nicht nur ans Ende seiner Kräfte. Zwischen Selbstverantwortung und dem (finanziellen) Druck durch den Paketdienst gerät auch sein Alltag aus den Fugen. Das Geld der Doppelverdiener reicht vorne und hinten nicht und Ricky kämpft mit seiner Frau Abbie (Debbie Honeywood), seinem Sohn und seiner Tochter regelrecht ums Überleben.

Abby (Debbie Honeywood) hat ebenfalls einen Vollzeitjob.
Abby (Debbie Honeywood) hat ebenfalls einen Vollzeitjob. | Bild: Joss Barratt / NFP

Fragen sozialer Gerechtigkeit liegen Loach („It‘s A Free World“, „Ich, Daniel Blake“) seit jeher am Herzen. Entsprechend bewegt er sich mit seiner Sozial- und Kapitalismuskritik an der neoliberalen Ausbeutung durch moderne Arbeitsverhältnisse zwar in reichlich vertrautem Terrain.

Und doch formuliert der 83-Jährige sie dieses Mal besonders klar und geradeaus: mit ungebrochenem Engagement, bedingungsloser Verlierer-Empathie und unterstützt vom ehrlichen wie eindrucksvollen Spiel der unerfahrenen Darsteller.

Kein Entkommen aus der Abwärtsspirale

„Sorry We Missed You“, in Zusammenarbeit mit Loachs Stamm-Drehbuchautor Paul Laverty entstanden, rührt dabei immer wieder mit kurzen Augenblicken der Menschlichkeit. Vor allem wühlt diese aus der Wirklichkeit gegriffene Geschichte aber damit auf, wie hilflos sich die Figuren abstrampeln und durch die Rücksichtslosigkeit der Arbeitgeber trotzdem nicht der Abwärtsspirale entkommen können.

Dass sich Loach bereits durch sein fortgeschrittenes Spätwerk filmt, merkt man dem Resultat keineswegs an: Die Wut im Bauch, die der Brite beim Dreh seines Films im Hinblick auf das Thema und die Ungerechtigkeiten in dieser Branche gehabt haben muss, brennt bei ihm so intensiv wie eh und je.