Mit Sonja Ziemann kam die Sonne in den Schwarzwald. Bis zum „Schwarzwaldmädel“, jener berühmten Operettenverfilmung zu Beginn der 50er-Jahre, hatte das Mittelgebirge nämlich als finsterer Ort gegolten: Der Dichter Wilhelm Hauff ließ hier seinen unheimlichen Holländermichel wüten, Maler wie Hans Thoma zeigten dunkle Felsschluchten, Landschaften in Schnee und Eis, hart arbeitende Menschen.
Jochen Scherzinger, Designer von Mode im Schwarzwaldstil, ist im Hübschental aufgewachsen. Er sagt über seine Heimat, sie sei nass, kalt und finster. Wie bei Hauff, wie bei Thoma.
Es war das „Schwarzwaldmädel“, das dieses Bild für Jahrzehnte veränderte. Regisseur Hans Deppe ließ darin plötzlich die Sonne scheinen, der Schwarzwald wandelte sich vom Schauplatz der finsteren Riesen und wilden Schluchten zur Kulisse für eine romantische Liebesgeschichte mit Happy End. Mittendrin: die 24 Jahre alte Sonja Ziemann als bezauberndes Bärbele im Gewand des Schwarzwaldmädels.

Licht ins Dunkel zu bringen, nichts anderes war das Ziel von Filmen wie diesem. Es galt, die Zerstörungen und Traumata des Zweiten Weltkriegs hinter sich zu lassen, den leidgeprüften Deutschen wieder eine heile Welt zu bieten. Auch im Schwarzwald hatte es für die NSDAP viel Unterstützung gegeben, Armut macht anfällig für Demagogen. Umso mehr sollte die Region nun mit optimistischen Geschichten in sommerlicher Idylle neue Zuversicht ausstrahlen: der Heimatfilm als Wegweiser ins gelobte Wirtschaftswunderland.
Heimat war diskreditiert
Heimat, dieser Begriff schien von der Nazi-Propaganda ein für allemal diskreditiert zu sein. Regisseure wie Hans Deppe versuchten, ihn dem Vokabular des Unmenschen wieder zu entreißen.
Sonja Ziemann war dabei seine Botschafterin. In der Rolle der lebensfrohen jungen Frau verbreitete sie Optimismus: etwa in „Grün ist die Heide“, dem norddeutschen Pendant zum „Schwarzwaldmädel“. Dass die auf der Leinwand stets glücksstrahlende Schauspielerin im privaten Leben mehrere Schicksalsschläge hinnehmen musste, war den wenigsten bekannt.
Geboren wurde Sonja Ziemann nahe Berlin, wo sie auch erste Erfolge feierte. Schon im Alter von 15 Jahren hatte sie erste kleine Engagements als Tänzerin im Berliner „Plaza“ und trat bald darauf als Soubrette in Operetten auf. Von 1942 an bekam sie erste Rollen in Ufa-Filmen. Ihren Durchbruch feierte sie 1950 an der Seite von Rudolf Prack mit der Operettenverfilmung „Schwarzwaldmädel“, wofür sie mit einem Bambi ausgezeichnet wurde.
Ihre Ehe zerbrach
1951 heiratete sie den Strumpf-Fabrikanten Rudolf Hambach. 1953 kam Sohn Pierre zur Welt. Die Ehe mit Hambach zerbrach später. Beruflich löste sie sich 1958 von ihrem mädchenhaften Image und wagte sich mit dem polnischen Film „Der achte Wochentag“ ins Charakterfach. Bei den Dreharbeiten lernte sie ihren zweiten Mann kennen, den polnischen Autor Marek Hlasko. Drei Jahre später heirateten sie.
Nach „Der achte Wochentag“ spielte Ziemann in anspruchsvolleren Filmen wie „Hunde, wollt ihr ewig leben“ (1959), „Menschen im Hotel“ (1959) oder „Frühstück mit dem Tod“ (1964). In ausländischen Produktionen wie „Geheime Wege“ (1960), „Der Tod fährt mit“ (1962) und „Die Brücke von Remagen“ (1969) war sie ebenfalls zu sehen.
Seit Mitte der 60er Jahre konzentrierte sich Ziemann zunehmend auf Theater und Fernsehen. Großen Erfolg auf der Bühne hatte sie als Eliza in dem Musical „My Fair Lady“ in München (1962) oder in Tennessee Williams‘ Drama „Endstation Sehnsucht“, für das sie 1973 zusammen mit Götz George auf Europatournee ging. Für ihr Schaffen wurde Ziemann 1984 mit dem „Filmband in Gold“ geehrt, 1990 erhielt sie einen zweiten Bambi.
Privat gab es immer wieder Rückschläge zu verkraften. Ihre Ehe mit Hlasko scheiterte. Kurz nach der Scheidung im Jahr 1969 starb Hlasko an einer Überdosis Schlafmittel. Ziemanns Sohn starb 1970, kurz vor seinem 17. Geburtstag, an einem Tumor. Der Schmerz über den Tod des einzigen Kindes blieb. Die Seele lasse sich nicht reparieren, sagte sie. Ihrem Sohn widmete Ziemann ihre 1998 erschienene Autobiografie „Ein Morgen gibt es immer“.
1989 heiratete die Schauspielerin ihren langjährigen Freund und Kollegen Charles Regnier, mit dem sie in Zürich und später am Tegernsee lebte. Regnier starb im September 2001 nach einem Schlaganfall. Aus der Öffentlichkeit hatte sich Sonja Ziemann in den vergangenen Jahren weitgehend zurückgezogen.
Der echte Schwarzwald ist bis heute so finster geblieben wie eh und je. Sein Abbild auf Kino-Leinwänden und Fernsehbildschirmen dagegen sollte sich noch lange Zeit an der heilen Welt des „Schwarzwaldmädels“ orientieren.
Nicht zuletzt die legendäre ZDF-Serie „Schwarzwaldklinik“ vermittelte ein Schwarzwaldbild der sonnenverwöhnten Blumenwiesen. Die unheimliche Seite des Gebirges feiert erst seit kurzem wieder eine Renaissance: in der Mode des Jochen Scherzinger wie auch im Schwarzwald-Tatort der ARD.
Sonja Ziemann wird die Folgen dieser Rückbesinnung nicht mehr erleben. Wie gestern bekannt wurde, ist sie bereits am vergangenen Montag gestorben. Sie wurde 94 Jahre alt.