Seit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wegen seiner aus Plagiaten gestrickten Dissertation von seinem Amt zurücktreten musste, hat der Doktortitel bei uns einen beschämenden Bedeutungsverlust erfahren. Es interessiert sich niemand mehr dafür, ob du promoviert bist oder nicht. Viel wichtiger scheint, wie viele Follower du auf Instagram hast.
Gestählte Körper, grauer Muskel
Doch es gibt eine Ausnahme: die Fußball-Bundesliga. Dort, wo noch echte Männer ihre gestählten Körper in den Zweikampf wuchten, da gilt auch der graue Muskel unter der Schädeldecke noch was.
Jedenfalls geraten Sportreporter in schiere Verzückung, wenn sie ausrufen dürfen: „Und jetzt zeigt Doktor Felix Brych auf den Elfmeterpunkt!“ Sportfunktionäre werden ehrfürchtig mit „Schönen guten Abend, Herr Doktor Theo Zwanziger“ oder „Gestatten Sie die Nachfrage, Herr Doktor Rainer Koch“ angesprochen. Und hat einer gar nicht promoviert – wie etwa der unlängst zurückgetretene DFB-Chef Reinhard Grindel –, so erhält er den Titel einfach gratis: Die Suchanfrage „Dr. Reinhard Grindel“ kommt auf nicht weniger als 7420 Google-Treffer, darunter Artikel des Fachmagazins „Kicker“.
Schiedsrichter als Geistesgröße
Was ist das für eine Gesellschaft, die einen Fußballschiedsrichter als Geistesgröße hofiert, während sie ihre promovierte Bundeskanzlerin als Volksverräterin beschimpft?
Der Fußball ist nicht allein das letzte Refugium der Doktoren. Er ist auch die einzig verbliebene Hoffnung auf Heldentum. Man kann einen Stürmerstar deshalb hemmungslos verehren, weil die Qualitätsmerkmale seiner Leistung keine Ansichtssache sind. Wer Tore schießt, hat Recht und braucht keinen Widerspruch zu fürchten. Gut und schlecht, richtig und falsch: Diese Kategorien lassen sich in der Fußball-Bundesliga so wunderbar eindeutig voneinander unterscheiden, wie es zum Beispiel in Politik oder Kunst und Kultur niemals möglich wäre.
Heiligenschein zu weihevollen Gesängen
Die Menschen sehnen sich nach dieser Eindeutigkeit, danach, einen Menschen ohne Umschweife und Vorbehalte bewundern zu dürfen. Selbst in der Religion ist das ja nicht mehr ohne Weiteres möglich. Der Fußball, mit seinen weihevollen Gesängen und den goldenen Pokalen, ist in mancher Hinsicht zum Religionsersatz geworden. Ein Doktortitel setzt dem Ganzen dann noch den Heiligenschein auf.
Nicht auszudenken, welche Begeisterungsstürme ein promovierter Fußballer zu entfachen imstande wäre. Wie großartig es dann wäre, dem Reporter zu lauschen: „Doktor Götze. Der kommt an! Mach‘ ihn, mach‘ ihn, er macht ihn! Doktor Mario Götzeeee!“