Das Gemälde ist ein Zeugnis trauten Familienzusammenhalts: 1928 in Dresden gemalt, schenkte Otto Dix „Ursus mit Kreisel“, ein Bildnis seines 1927 in Berlin geborenen Sohns, seiner Frau Martha im Jahr darauf zum Geburtstag.
Sie gab es später weiter: „Dieses Bild gehört Ursus. Martha Dix, Hemmenhofen, September 1961“, steht auf einem Aufkleber auf der Rückseite des Werks. Zu dem Zeitpunkt hing „Ursus mit Kreisel“ also noch im Haus auf der Höri, das die Familie seit 1936 bewohnte.
2006 kam das 80 mal 60 Zentimeter große Gemälde als Dauerleihgabe eines privaten Sammlers ins Kunstmuseum Stuttgart. Doch es sollte verkauft werden. Man stelle sich vor, es wäre in andere Hände gekommen. Dann würde „Ursus mit Kreisel“ jetzt möglicherweise in einem privaten Depot vor sich hindämmern und für lange Zeit nicht oder sogar nie mehr öffentlich zu sehen sein.
Doch glücklicherweise kam es anders: Der Wunsch des Eigentümers war es, dass das Werk auch nach dem Verkauf in einem Museum hängt und sich die Besucher daran erfreuen können.
Bedeutende Sammlung in Stuttgart
Das Kunstmuseum Stuttgart, bekannt für eine der bedeutendsten Sammlungen von Dix-Werken, bewahrt mit zwölf Gemälden, außerdem Druckgrafiken und Zeichnungen die größte Sammlung an Kinderbildnissen des Künstlers. Acht davon hat Dix von seinen eigenen Kindern Nelly, Ursus und Jan gemalt, und zwar in unterschiedlichen Altersstufen, vom Moment der Geburt an bis ins Jugendalter.
Das Bild mit Ursus ist deshalb so „wichtig, weil es sich um eins von Dix‘ bekannten Kinderporträts handelt“, sagt Museumsdirektorin Ulrike Groos, die es nicht für selbstverständlich hält, dass es so kurz hintereinander möglich war, zwei bedeutende Dix-Gemälde anzukaufen.
Museum will künstlerisches Erbe bewahren
2015 konnte, ebenfalls mit finanzieller Unterstützung, schon das „Selbstbildnis mit Palette vor rotem Vorhang“ von 1942 für die Sammlung erworben werden, die mit dem aktuellen Zuwachs in den rund zehn Jahren, die Groos das Kunstmuseum leitet, nun um sechs Dix-Gemälde erweitert wurde.
Das künstlerische Erbe des Malers zu bewahren und zu mehren ist ein Anliegen des Hauses. Man verhandelte also zäh für „Ursus mit Kreisel“ und wurde sich über einen „angesichts des Gutachtens fairen“ Kaufpreis einig, der „im unteren siebenstelligen Bereich“ gelegen habe, so Stuttgarts Erster Bürgermeister Fabian Mayer, der betont, dass „die internationale Strahlkraft des Kunstmuseums durch die Dix-Sammlung bestimmt“ wird.

Auch dieses Werk dauerhaft für Stuttgart zu sichern, war ein großes Anliegen. Neben der Landeshauptstadt haben die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung sowie die Kulturstiftung der Länder den Ankauf mitfinanziert. Letztere gab 421.000 Euro dazu. Bei der Vorstellung des Bildes steht allen Beteiligten die Erleichterung noch ins Gesicht geschrieben.
„Es ist ein Glücksfall“, sagt Kuratorin Anne Vieth, „dass es jetzt final uns gehört.“ Ab sofort präsentiert das Kunstmuseum das Porträt im Dix-Raum. Einem Familientreffen gleich, hängt das Bild neben „Nelly mit Spielzeug“ (1925) und einem Gemälde, das Ursus als Neugeborenen zeigt, gehalten von des Vaters Händen. Dieser ist gegenüber seinem Nachwuchs präsentiert, auf dem vor vier Jahren angekauften Selbstbildnis.
Kinderbilder sind von hohem Wert
Die Kinderbilder sind auch deshalb so bedeutend, weil sie sowohl formal als auch inhaltlich die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Gattung des Kinderporträts spiegeln. „Ursus mit Kreisel“, gemalt in Öl und Tempera auf Holz, zeigt den Einjährigen in Dreivierteldrehung in einem Kinderstuhl sitzend, wie er einen Kreisel festhält.
Mit dem Kind in einer Art thronender Haltung referiert Dix, so Vieth, zum einen auf die Gattung des ganzfigurigen Kinderbildnisses, seit Lucas Cranach dem Jüngeren populär als monumentales Auftragsporträt für den Adel.
Von wegen niedlich!
Zum anderen diente Dix das Porträt als Ausdruck der Zeit und der Darstellung von Typen, weshalb seine Kinderbilder nie niedlich ausfallen und auch Ursus trotz zarter Lasur an den hellen Haarsträhnen und dem mit pastosem Farbauftrag mollig wirkenden Wollanzug kein goldiges Kleinkind ist, sondern ein Knabe, dessen Mienenspiel Energie und Willenskraft zeigt.
Ursus Dix, der das Bild 1961 in seinem Elternhaus auf der Höri erhielt, ging später in die USA. Als Restaurator kam er 1990/1991 nach Stuttgart in die Galerie der Stadt, Vorgänger des Kunstmuseums, wo „Ursus mit Kreisel“ zum 100. Geburtstag seines Vaters gezeigt wurde. 2002 starb er.
„Ursus mit Kreisel“ ist im Dix-Raum des Kunstmuseums Stuttgart zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr und Freitag von 10 bis 21 Uhr. Weitere Informationen finden Sie hier.