Zweieinhalb Jahre lang hatte J.R.R. Tolkien schon mit dem Collins-Verlag verhandelt. Dann bekamen die Verantwortlichen dort kalte Füße. Den „Herrn der Ringe“ hätten sie ja schon gern veröffentlicht. Aber zusätzlich zu den gut 1000 Seiten auch noch „Das Silmarillion“, wie Tolkien das wollte? Das war den Verlegern dann doch zu riskant.
Immer neue Ausflüchte führten sie an und hielten den Schriftsteller hin. Bis sie von dem Projekt schließlich ganz Abstand nahmen. Tolkien war am Boden zerstört. Die Rettung kam in Form eines Briefs von Rayner Unwin.
Rayner Unwin, der Retter
Schon als Zehnjähriger hatte der von seinem Vater, dem Verleger Stanley Unwin, einen Shilling (damals die mittlere Einheit der britischen Währung) dafür bekommen, dass er das maschinengeschriebene Manuskript von „Der Hobbit“ lese und eine Beurteilung schreibe. Jetzt fragte eben dieser Rayner Unwin an, ob Tolkien unveröffentlichte Texte habe.
Also schickte Tolkien das Manuskript von „Der Herr der Ringe“ an den Verlag Allen & Unwin – und dort schrieb erneut Rayner, der mittlerweile in Oxford studierte, eine Einschätzung.
„Der ,Ring‘, oder was ich davon gelesen habe, ist ein seltsames Buch. Es ist immens lang und komplex, aber es ist eine brillante und fesselnde Geschichte … Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wer es lesen soll … Das ganze Manuskript dürfte epische Ausmaße haben und man muss über eine Aufteilung nachdenken …“
Verlag hat Angst vor Verlusten
Unwins Vater reagierte souverän und schrieb an den Sohn: „Wenn du glaubst, dass es ein Werk eines Genies ist, dann darfst du 1000 Pfund verlieren.“ Um den Verlust allerdings in Grenzen zu halten, bot der Verlag (wenn die Kosten für die Produktion erst einmal eingespielt seien) Tolkien bauernschlau die Hälfte des Gewinns an. Niemand glaubte an einen Erfolg des Buchs. Das sollte sich rächen.
Die drei Teile von „Der Herr der Ringe“ erschienen 1954 und 1955 und wurden Bestseller. Mehr als 150 Millionen Mal verkaufte sich die Trilogie bis heute. Der Universitätsprofessor und Altphilologe John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973) wurde zum berühmtesten Fantasy-Autor der Welt.

Für seine Kinder hatte er die Geschichte vom „Hobbit“ einst erfunden und sie 1937 als Buch veröffentlicht. Weil er immer wieder bedrängt wurde, eine Fortsetzung zu schreiben, setzte er sich an den „Herrn der Ringe“. Der Text sprengte bald alle Konventionen.
Tolkien erfand nicht nur ganze Völker und deren Sprachen, nein, er erschuf gleich ganze Sprachfamilien mit historischen Vorläufern und Stammbäumen. Er zeichnete Karten von Mittelerde und malte Bilder zu seinen Schöpfungen.
Bildreicher Überblick
Einen wunderbaren Überblick über diese erfundene Welt bietet ein gerade im Klett-Cotta-Verlag erschienener prächtiger Bildband. Die erste Karte zu „Der Herr der Ringe“ (mit Paketband zusammengeklebt aus einzelnen Blättern und mit Brandlöchern von Tolkiens Pfeife) ist darin ebenso als Faksimiledruck zu bestaunen wie das selbst gezeichnete frühe Titelblatt, auf dem noch „Der magische Ring“ zu lesen ist (der heutige Titel geht auf Tolkiens Kinder zurück).

Das Buch ist ein wahrer Schatz für jeden Fantasy-Fan. Es enthält zahlreiche bunte Zeichnungen und Aquarelle von Tolkien, Alphabete seiner Kunstsprachen sowie den Brief eines gewissen Sam Gamgee, der verwirrt an den Schriftsteller schrieb, wie er eigentlich dazu komme, seinen Namen im Roman zu verwenden. Durch eine signierte Ausgabe des „Herrn der Ringe“ ließ der ältere Gentleman sich von Tolkien schnell besänftigen.
Was ursprünglich die Fortsetzung eines Kinderbuchs hatte werden sollen, wurde zu einem Stück Weltliteratur. Fast 20 Jahre hatte Tolkien daran gearbeitet. Als die Geschichte dann endlich erschien, waren die Kinder schon aus dem Haus. „Sie ist mit meinem Herzblut geschrieben, dick oder dünn, und so ist es nun mal, und anders kann ich nicht“, entschuldigte der emeritierte Professor sich später fast für sein Monumentalwerk.

Trotz des Erfolgs in England und den USA dauerte es ganze 15 Jahre, bis „Der Herr der Ringe“ endlich in einer deutschen Übersetzung vorlag. Wie zuvor schon in Großbritannien lehnten die großen Verlage das Manuskript ab. Erst der Schulbuch-Verleger Michael Klett kaufte die Rechte und sanierte damit seinen Klett-Cotta-Verlag.
Bis heute vertreibt das Haus die beiden einzigen deutschen Übersetzungen von Margaret Carroux (1969/79) und Wolfgang Krege (2000/2012).
Neue Bücher bei Klett-Cotta
Zum 50. Jahrestag des Erscheinens von Band eins, „Die Gefährten“, in Deutschland am 15. September 1969 ist neben einer dreibändigen Ausgabe im Schuber gerade wieder ein neuer Jubiläumsdruck der deutschen Erstausgabe mit dem psychedelischen Buchcover von Heinz Edelmann erschienen.

Weil Tolkien von den bisherigen Übersetzungen in andere Sprachen so enttäuscht war, publizierte er Mitte der 60er-Jahre extra Richtlinien zur Übertragung der fantastischen Namen und bot den Übersetzern in die germanischen Sprachen ganz explizit und ohne Bezahlung seine Mithilfe an.
Der Rest ist Geschichte: Mit der Verfilmung seines Meisterwerks durch den neuseeländischen Regisseur Peter Jackson (2001-2003) erreichte „Der Herr der Ringe“ noch mal einen ganz anderen Bekanntheitsgrad.
Tolkien mochte den Rummel nicht
Tolkien selbst wäre dieser Rummel ganz sicher zu viel gewesen. Weil er in Oxford nicht mehr auf die Straße gehen konnte, ohne erkannt zu werden, und von Fans aus den USA sogar mitten in der Nacht angerufen wurde, weil sie sich des Zeitunterschieds nicht bewusst waren, zog er 1968 nach seiner Emeritierung mit Ehefrau Edith in den Badeort Poole und hielt seine Telefonnummer geheim.
Ganz in Ruhe wollte er sich dort der Arbeit an seinem immer noch nicht abgeschlossenen „Silmarillion“ widmen. Nach Ediths Tod 1971 kehrte er nach Oxford zurück, wo er 1973 starb. Erst posthum wurde „Das Silmarillion“ herausgegeben. Wie noch so manch anderer lange unveröffentlichte Text dieses Schöpfers von Mittelerde.