Die MeToo-Debatte begann vor zwei Jahren. Mit ihr kamen komische Begriffe. Einer heißt Male Gaze und bezeichnet den männlichen Blick. Dass Blicke töten können, weiß man. Auch, dass Blicke die Angeschauten zum Objekt machen.
In der feministischen Theorie nun ist der männliche Blick ein besonders scharfer Bursche. Der neugierige, aktive Männerblick, heißt es, mache Frauen zum passiven Objekt männlichen Vergnügens. Male Gaze ist überall – in der Kunst und im Alltag sowieso.
Die neue Empfindlichkeit hat auch das Bäckereiwesen erfasst. In Basel wurde ein harmloses Nussgebäck umgetauft. Bislang hieß es wegen seiner Schenkelform Maitlibei, Mädchenbein. Weil einige männliche Kunden dumme Sprüche klopften, heißt es jetzt Glücksbringer. Die Schenkelform bleibt. So haben auch Kannibalen ihre Freude.
Einen Traditionsnamen zu opfern wegen unterbelichteter Kerle – ist das wirklich ganz gebacken? Im Badischen werden Schupfnudeln auch Bubespitzle genannt. Nicht nur genannt, sondern auch zerbissen werden sie, ohne Rücksicht auf männliche Kastrationsängste.
Was ist mit Latein?
Besonders zu leiden unter dem Männerblick haben Studentinnen im Fach Latein. Sie müssen Catull, Terenz und Ovid lesen. Grausame Autoren, die sich nicht in Frauen hineinversetzten. Die Altphilologin Katharina Wesselmann rechnet vor: In Ovids „Metamorphosen“ gibt es mehr als 50 Vergewaltigungsgeschichten.
Schon um das Fach Latein attraktiver und aktueller zu machen, will die Professorin den weiblichen Blick in die Textanalyse einbringen. Nichts dagegen.
Allerdings gibt es außer der feministischen Literaturtheorie viele andere Methoden: die psychoanalytische, die sozialgeschichtliche, die hermeneutische, die Diskursanalyse. Welche der Methoden bringt den größten Erkenntnisgewinn? Das müsste doch die erste Frage sein, auf akademischem Niveau.
Kunst ist voller Sex und Gewalt
Die Kunstgeschichte ist voller Sex und Gewalt, gegen Männer, gegen Frauen. Wer dafür zu empfindsam ist, sollte ins Mädcheninternat gehen und Glücksbringer futtern. MeToo ist zweifellos wichtig. Aber ist es wirklich angemessen, alle Bereiche duchzugendern?
Der Historiker Arthur M. Schlesinger warnte: Frauen besetzten „neue Gebiete wie eine Eroberungsarmee“. Es fehle an Wertschätzung kultureller Tradition. In Einzelfällen stimmt das.
Das Mädchen im Knabenchor
In Berlin klagte kürzlich ein Mädchen auf Zulassung in einen Knabenchor. Das Gericht entschied: Mädchen dürfen abgewiesen werden, wenn ihre Stimme nicht dem Klangbild eines Knabenchors entspricht. Daran anknüpfend will eine Berliner Anwältin, dass ihre Tochter in den Leipziger Thomanerchor aufgenommen wird, sobald die Kleine den Knabenchorklang erlernt hat.
Warum kann ein Mädchen, das gerne singt, nicht in einen Mädchenchor gehen? Oder in einen gemischten Chor?
Je kleinlicher die Frauenrechtlerei, desto peinlicher, desto stärker sorgt der Feminismus dafür, dass Menschen vor allem als Geschlechtswesen wahrgenommen werden. Im Sinne der Erfinderinnen ist das sicher nicht.