Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten. Heute ist der Sänger und Liedermacher Joris an der Reihe.
Was tun Sie für Geld nicht?
Ich würde für kein Geld der Welt diskriminierende, rassistische oder antidemokratische Instanzen unterstützen. Tatsächlich ist die Frage aber gar nicht so trivial, denn wenn man als Künstler in der Öffentlichkeit steht, hat man natürlich einen gewissen „Marketingwert“. Dadurch gerät man des Öfteren in die Situation, abwägen zu müssen, wo die eigenen Grenzen liegen. Ich vertraue dabei in der Regel auf meinen inneren, moralischen Kompass.
Können Sie sich eine Frauenwelt vorstellen?
Ich musste erst einmal nachdenken, um zu verstehen, worauf die Frage hinaus will. Als ich die Frage umgedreht habe, klang sie leider gar nicht mehr so absurd, da wir in der heutigen Zeit nach wie vor in einer männerdominierten Welt leben und es noch immer keine Gleichberechtigung gibt. Diese Tatsache macht mich traurig, es gibt hier noch unglaublich viel zu tun.
Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen? Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
Ist wissen und hoffen gleichzeitig möglich? Ich kann nicht hoffen, wenn ich weiß und ich weiß nicht, wenn ich hoffe. Und ich denke, also bin ich. Eine Hoffnung, die ich aufgegeben habe: irgendwann mal am Bahnsteig an der richtigen Stelle zu stehen, um direkt in das Abteil einsteigen zu können, in das ich muss.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Bilder von mir aus der Pubertät – ich bin ein Kind der Neunziger…!
Die Saurier überlebten 250 Millionen Jahre; wie stellen Sie sich ein Wirtschaftswachstum über 250 Millionen Jahre vor? (Stichworte genügen.)
Das stelle ich mir sehr schmerzhaft für die Gesellschaft und Mutter Erde vor. Wir leben bereits auf Kosten nachfolgender Generationen. Würde man das Wirtschaftswachstum mal mit einer Atomstrom-Analogie versehen, dann glaube ich, dass die Rechnung „zwei Generationen belasten 40.000 nachfolgende Generationen“ in gewisser Weise auch auf das aktuelle Wirtschaftswachstum übertragbar ist.
Wie alt möchten Sie werden?
Alt genug, um meinen Enkeln noch das Singen beizubringen und gleichzeitig jung genug, um bis ans Ende meiner Tage selbstbestimmt und zufrieden leben zu können.
Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wie erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?
Womöglich deshalb, weil mein hippieeskes, pazifistisches Ich stets mein egoistisches, narzisstisches Ich überstimmt hat.
Möchten Sie das absolute Gedächtnis?
Haben wir das nicht längst? Gefühlt sind wir permanent online und das Internet vergisst nicht. Das heißt, wir haben es eigentlich schon, wenn auch nicht in unserem Körper. Fast jede Information ist nur einen Handgriff weit weg. Ich finde das erschreckend, daher würde ich persönlich ungern ein absolutes Gedächtnis haben wollen. Ich bin froh darum, dass ich bestimmte Dinge in verklärt schöner Erinnerung behalte und manche Dinge verblassen.
Können Sie sich eine menschliche Existenz (das heißt: die Erste Welt) überhaupt noch vorstellen ohne Computer?
Ich kann mich noch daran erinnern, wie es war ohne Computer, aber gleichzeitig kann ich es mir mittlerweile nur noch schwer vorstellen. Fast alles, was wir tun und was uns begleitet, wird von ihnen gesteuert. In diesem Moment fährt ein Computer den ICE, in dem ich sitze, ein anderer sorgt gleichzeitig dafür, dass die Gleise richtig stehen und ich sicher ans Ziel komme und später wird er dafür sorgen, dass die Tür automatisch aufgeht, wenn ich aussteigen möchte.