Vor einem Jahr entstand im beschaulichen Kirchzarten ein Film, der die Weltöffentlichkeit elektrisierte. Der russische Bürgerrechtler Alexej Nawalny drehte hier in den Black Forest Studios streng geheim sein auf YouTube millionenfach geklicktes Enthüllungsvideo „Ein Palast für Putin“. Direkt bei seiner Rückkehr aber wird er am Moskauer Flughafen festgenommen und sitzt seither in einem Arbeitslager.
Die Studiobetreiber Sebastian und Nina Gwyn Weiland stellten Nawalny und seinem Team nur Räumlichkeiten und Equipment zu Verfügung – mit der eigentlichen Produktion hatten sie nichts zu tun.
„Wir haben durch diesen Film sehr viel Aufmerksamkeit erhalten – das hatte positive, aber auch negative Auswirkungen,“ sagt Sebastian Weiland beim Gespräch vor Ort in der sogenannten Barn Kitchen, in der auch Alexej Nawalny seine Korruptionsvorwürfe in die Kamera gesprochen hatte. Das Thema Nawalny möchte Weiland aber klein halten. Schließlich hat seitdem schon vieles anderes in den erst im Herbst 2020 eröffneten Studios stattgefunden: Live-Streamings, Werbefilmdrehs und Musikvideo-Produktionen. Auch die zweite Staffel der Netflixserie „Bio Hackers“ wurde beim Dreh unterstützt.
Kostspieliger Umbau
Die Eröffnung des Studios kurz vor der zweiten Welle der Corona-Pandemie war für das Freiburger Ehepaar Weiland, das das Filmhandwerk in Hollywood gelernt hat, eine echte Herausforderung. Auch der aufwändige und kostspielige Umbau des früheren Kurhauses hatte Nerven gekostet. Viele bereits gebuchten Veranstaltungen in den vermieteten Räumen wurden wieder abgesagt. „Auf der anderen Seite nutzten wir die Zeit des häufigen Leerstands, um den vielen Interessenten die Studios zu zeigen. Insgesamt sind wir ganz gut über die Runden gekommen – und im Sommer lief der Vollbetrieb schneller an, als wir erwartet hatten“, sagt Nina Gwyn Weiland.
Im Herbst fanden gleich drei Produktionen parallel statt. Und es gibt große Zukunftspläne. Ende des Jahres drehen die Weilands gemeinsam mit einem amerikanischen Regisseur und einer Produktionsfirma aus Hollywood in Kirchzarten einen Weihnachtsfilm, der Ende 2023 in die Kinos kommen soll. Nina Gwyn Weiland hat das englische Drehbuch geschrieben, die MFG Filmförderung Baden-Württemberg eine Vorfinanzierung zugesagt.
Natassja Kinski dreht Komödie
Beim Besuch im Dezember dreht „Ziegler Film“ im Auftrag des SWR in den Studios gerade die Komödie „Homeshopper‘s Paradise“ (Regie: Nancy Mac Granaky-Quaye), die Ende des Jahres auf Arte gezeigt wird und dann in der Reihe „Debüt im Dritten“ läuft. Gleich für mehrere Wochen hat sich die bekannte Fernsehproduktionsfirma mit ihrem Team eingemietet. Der Zugang zum Dreh ist nur mit Boosterimpfung, PCR-Test und einem aktuellen Antigen-Schnelltest erlaubt, der jeden Morgen von jedem Crewmitglied und Besucher abgenommen wird. Mit diesem strengen Hygienekonzept dürfen die Schauspieler ohne Maske agieren.
Harry Witthaker (Errol Trotman-Harewood), der erfolgreiche Moderator eines Shoppingkanals, verliert seinen Job ausgerechnet an seine von ihm verachtete, in einem Bauwagen lebende Tochter (Jane Chirwa), die für ihre Punkfreunde Geld verdienen muss. In der spannungsgeladenen Szene, die gerade gedreht wird, erfährt er von seiner Entlassung. Und Nastassja Kinski sagt in der Rolle seiner Geliebten: „Das können Sie nicht machen.“
Mit der 60-jährigen Schauspielerin, die ihre großen Erfolge in den 70er- und 80er-Jahren feierte, steht ein echter Weltstar am Set. Die Idee, sie zu besetzen, hatte SWR-Redakteurin Stefanie Groß. Ein SWR-Fernsehteam ist ebenfalls vor Ort und bemüht sich an diesem Morgen zunächst vergeblich, mit der scheuen Schauspielerin zu sprechen.
Durch die Vermittlung der Redakteurin gelingt dann doch noch in der Mittagspause das Interview – und auch für den Pressekollegen findet Kinski Zeit für ein Gespräch. „Ich liebe den Schwarzwald. Leider haben wir wegen der Drehtage kaum Gelegenheit, die Gegend hier anzuschauen“, sagt Nastassja Kinski. „Wir sind hier wie in einem Tunnel und fühlen uns durch das ständige Testen ganz sicher. Das schafft auch eine besondere Atmosphäre.“

Eigentlich war der Dreh von „Homeshopper‘s Paradise“ bereits im Frühjahr 2020 in den Stuttgarter Daimler Studios angesetzt, eine Woche vor Beginn machte aber die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Für den Producer Pascal Nothdurft von „Ziegler Film“ bieten die Black Forest Studios gleich mehrere Vorteile.
Zum einen können sie hier in der Abgeschiedenheit ihr strenges Hygienekonzept viel besser umsetzen als in Stuttgart. Zum anderen passt das Setting gut zur Filmstory. „Das ganze Gebäude ist in unserem Film ein TV-Studio, samt Blick hinter die von uns im Studio 1 aufgebauten Teleshopping-Sets und in die eigens eingebaute Videoregie. Wir haben auch sämtliche Nebenräume wie Foyer, Garderobe, Restaurant und Büros miterzählt.“
Die Ausstrahlung der Black Forest Studios reicht schon jetzt bis nach Hollywood. Der Filmkomponist Matthias Weber aus Los Angeles ist seit einem halben Jahr vor Ort und schreibt in einem kleinen Tonstudio im Nebengebäude an der Musik zur neu aufgelegten Skyserie „Das Boot“. Die Technik hat er selbst mitgebracht. Von hier aus kann er sich auch zu Orchestern nach Bratislava und Prag zuschalten, die die symphonischen Klänge liefern.
Mit dem Auto geht es zum zwei Kilometer entfernten, mit 2132 Quadratmeter größten Studio 7, das früher eine Tennishalle und ein Oldtimermuseum war. Sebastian Weiland hat hier für Events und Firmenfeiern ein Winterwonderland eingerichtet, als die Coronalage noch besser war. 100 Tannenbäume verbreiten einen harzigen Duft. Kunstschnee liegt wegen der fehlenden Kundschaft nur spärlich in den Ecken. Dafür funkeln die beiden großen LED-Leinwände über den Bühnen. Bis zum Frühjahr will Weiland die verwaiste Location so belassen – vielleicht geht hier ja doch noch etwas.
Ins neue Jahr schaut Sebastian Weiland jedenfalls optimistisch. „Trotz schwieriger Startbedingungen haben wir in der kurzen Zeit die Black Forest Studios auf dem Markt etabliert. Der Laden läuft. Jetzt freuen wir uns auf unsere eigenen Produktionen.“