Einige Absperrbänder flattern im Wind, aber der Weg zum Parkplatz der Black Forest Studios in Kirchzarten ist frei. Zwei Fußgänger machen einen Abendspaziergang im Nieselregen. Der benachbarte Campingplatz hat geschlossen.

Dass hier an diesem unspektakulären Ort am Rand eines Wohngebiets bis vor wenigen Tagen ein Film entstand, der gerade die Weltöffentlichkeit elektrisiert und im Internet Millionen Mal abgerufen wird, kann man sich kaum vorstellen.

„Ein Palast für Putin“

Alexej Nawalny war hier mit seinem Team in den erst vor zwei Monaten eröffneten Black Forest Studios einquartiert, um seinen Enthüllungsfilm fertigzustellen: „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“.

Zuvor hatte er einige Wochen zur Erholung im Schwarzwaldörtchen Ibach in der Nähe von Waldshut-Tiengen verbracht. Zwei Tage, nachdem der russische Bürgerrechtler und Kremlkritiker direkt nach seinem Rückflug aus Deutschland am Flughafen Moskau verhaftet wurde, veröffentlichten seine Mitarbeiter den Film im Internet.

Szene aus „Ein Palast für Putin“ (mit Drohnenansicht eines Anwesens an der Schwarzmeerküste): Der Film machte weltweit ...
Szene aus „Ein Palast für Putin“ (mit Drohnenansicht eines Anwesens an der Schwarzmeerküste): Der Film machte weltweit Schlagzeilen. | Bild: Uncredited/Navalny Life/dpa

Nawalny möchte darin wissen, „wie aus einem normalen sowjetischen Offizier ein Verrückter werden kann, der besessen von Reichtum und Luxus ist.“ Und zeigt neben vielen Dokumenten und Grafiken auch mittels einer Drohne gefilmte Bilder eines riesigen Anwesens am Schwarzen Meer: Putins Luxuspalast, so die Behauptung.

Die ersten acht Minuten des knapp zweistündigen Films sind in Dresden entstanden, wo Putin ab 1985 als KGB-Offizier tätig war. Danach ist Alexej Nawalny im Film an einem Tisch im Landhausstil, der sogenannten Barn Kitchen der Black Forest Studios, zu sehen, wie er seine Texte auf Russisch direkt in die Kamera spricht.

Anfrage aus Los Angeles

Das Treffen mit den Studiobetreibern Sebastian Weiland und seiner Frau Nina Gwyn Weiland erfolgt am gleichen Ort. Zwei junge Männer sitzen am Laptop. Nach dem Trubel der vergangenen Wochen ist wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt.

Anfang Dezember sei eine Anfrage per Mail aus Los Angeles von einer amerikanischen Produktionsfirma eingetroffen, sagen die Weilands. Von einer Dokumentation sei darin die Rede gewesen: Gesucht wurden für ein paar Drehtage geeignete Räumlichkeiten, Personal und Equipment in Süddeutschland.

Die Black Forest Studios in Kirchzarten sind erst im vergangenen November eröffnet worden.
Die Black Forest Studios in Kirchzarten sind erst im vergangenen November eröffnet worden. | Bild: Black Forest Studios

Sebastian und Nina Gwyn Weiland kannten die Firma nicht, obwohl sie selbst enge Kontakte nach Los Angeles haben. Doch die Anfrage machte auf sie einen sehr professionellen Eindruck. Wenige Wochen zuvor hatten sie von einem insolventen Schweizer Filmequipment-Verleih technische Ausrüstung gekauft, sodass sie aus dem Vollen schöpfen konnten.

Türen und Jalousien des Studios bleiben geschlossen

Die Zusage erfolgte, obwohl man noch nicht wusste, was genau für ein Film entstehen würde. „Um wen es sich dabei handelt, erfuhren wir erst bei der Vorbesichtigung. Dann haben wir uns dementsprechend aufgestellt, damit der Dreh unter größter Geheimhaltung ablaufen kann“, sagt Nina Gwyn Weiland.

Nawalny bei seiner Arbeit am Film.
Nawalny bei seiner Arbeit am Film. | Bild: Black Forest Studios

Die Sicherheit der Umgebung war den Mietern sehr wichtig. So blieben die Türen und Jalousien des Studios geschlossen, das Gelände wurde abgesperrt, das Team zur Verschwiegenheit verpflichtet. Selbst der Bürgermeister erfuhr nichts von den Dreharbeiten.

„Wir haben auch schon in Hollywood mit Celebrities gearbeitet. Geheimhaltung und Diskretion sind wir gewohnt“, sagt Sebastian Weiland. Inhaltlich haben die Black Forest Studios nichts mit dem Film zu tun, betonen die Studiobesitzer. Sie haben nur die Technik und die Location gestellt sowie den Dreh organisiert.

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Eigentlich sei das Studio nur für eine knappe Woche gemietet gewesen. Aber den Filmemachern habe der Ort mit seiner Atmosphäre und den filmischen Möglichkeiten so gut gefallen, dass der Dreh auf insgesamt zwei Wochen verlängert wurde und Teile der 20-köpfigen internationalen Crew aus Berlin, wo eigentlich ein letzter Shoot vor dem Abflug nach Moskau geplant war, nach Kirchzarten kamen.

Die Arbeitstage waren intensiv – von früh morgens bis spät abends, viel länger als geplant. Am Ende eines Drehtags stand Alexej Nawalny hinter dem Tresen der hauseigenen Bar und hat Schnäpse ausgeschenkt.

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„Mich hat am meisten seine entspannte Freundlichkeit begeistert und die Ruhe, in der er seine Leidenschaften und Visionen zum Ausdruck bringt“, schildert Nina Gwyn Weiland ihre Eindrücke. Angesprochen auf die große Energie, die er ausstrahle, meinte Nawalny nur trocken, er habe sich ja lange genug ausruhen können.

Dreh bis zur letzten Minute

Auch Nawalnys Frau und seine Tochter kamen gelegentlich zu Besuch. Insgesamt herrschte eine familiäre, vertraute Atmosphäre. Am Ende entstand ein gewisser Zeitdruck, da der Tag des Abschieds näher rückte. Bis zur letzten Minute wurde gedreht und produziert. Er möchte einmal wiederkommen, wenn er eines Tages nochmals Urlaub im Schwarzwald macht, habe Nawalny versprochen.

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Die Black Forest Studios machen auch ohne ihren geheimen prominenten Gast auf internationaler Ebene weiter. Inzwischen gibt es Anfragen aus China, Indien und den USA. „Dafür haben wir die Studios gebaut, dass hier auf höchstem Niveau produziert werden kann“, sagt Sebastian Weiland.