Das Wirken von Insa Pijanka als Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie soll vorzeitig zu Ende gehen, doch viele Fragen bleiben: Sind die Missstände im Orchesterbetrieb wirklich allein der Intendantin anzulasten? Oder haben auch städtische Kontrollmechanismen versagt?

Mehr als eine halbe Million Euro beträgt das Defizit der Südwestdeutschen Philharmonie inzwischen – zusätzlich zu den rund sechs Millionen Euro, die das Konstanzer Profi-Orchester ohnehin schon von Stadt und Land erhält.

Nun vermittelt ein Vorgang beispielhaft, wie es zu dieser finanziellen Schieflage kommen konnte. Der Orchesterausschuss des Gemeinderats, der am Donnerstag nicht-öffentlich tagt, dürfte sich auch mit der Vergabe eines externen Beratungsauftrags beschäftigen. Denn dabei kam es nach SÜDKURIER-Recherchen möglicherweise zu einem Verstoß gegen das kommunale Verwaltungsrecht.

Insa Pijanka, Intendatin der Südwestdeutschen Philharmonie.
Insa Pijanka, Intendatin der Südwestdeutschen Philharmonie. | Bild: Scherrer, Aurelia

In der Sache ging es um eine in jeder Hinsicht wichtige Personalangelegenheit: Für die Nachfolge des im Sommer 2021 verabschiedeten Chefdirigenten Ari Rasilainen war ein Auswahlverfahren vereinbart worden, das sich über ein Jahr erstreckte. Dabei sollten zehn Bewerber als Gast jeweils ein Philharmonisches Konzert leiten. Dem Orchester sollte es schließlich vorbehalten sein, aus diesen zehn Bewerbern zwei Kandidaten für die Abstimmung im Gemeinderat vorzuschlagen.

30.000 Euro mehr in drei Jahren

Für die Begleitung dieses Prozesses wurde ein externer Berater engagiert. Honorar inklusive Mehrwertsteuer sowie Reise- und Übernachtungskosten: 41.911 Euro, so lautete der Stand im Jahr 2020. Im Jahresbericht 2021 ist ein „Mehraufwand für die Chefdirigentensuche“ vermerkt. Höhe: 10.020 Euro.

Im dritten Quartalsbericht 2022 steht wiederum zu lesen: „Wie in den beiden vergangenen Jahren verursachen Beraterkosten im Rahmen der Chefdirigentensuche diesen Mehraufwand.“ Gemeint ist eine erneute Kostensteigerung um 10.000 Euro.

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Inzwischen steht fest: Es kamen nochmals 10.000 Euro hinzu, aus geplanten rund 42.000 Euro Beraterhonorar sind in drei Jahren mehr als 71.000 Euro geworden. Die Jahres- und Quartalsberichte liegen dem SÜDKURIER vor und sind öffentlich einsehbar.

Ein Honorar von 71.000 Euro: Selbst für einen Headhunter mit Auftrag einer direkten Personalvermittlung würde diese Summe eine weit überdurchschnittliche Entlohnung bedeuten. Dabei sollte es im vorliegenden Fall lediglich um die Begleitung eines Findungsverfahrens gehen. Worin liegen diese Kosten begründet?

Widersprüchliche Begründung

Intendantin Insa Pijanka spricht gegenüber dem SÜDKURIER von einer Ausweitung des Auftrags nach dem Eingang von 140 Bewerbungen, „die in diesem Umfang nicht zu erwarten waren“. Es seien „zusätzliche Telefoninterviews“ notwendig geworden, außerdem sei eine rechtliche Beratung zur Ausgestaltung des neuen Chefdirigenten-Vertrages erfolgt.

Allerdings hatte der besagte Berater selbst laut einem offiziellen Protokoll bereits vor Beginn seiner Tätigkeit am 2. Juli 2020 vor dem Gemeinderat erklärt: Es bedürfe einer externen Beratung, da „mit 100 bis 200 Bewerbungen“ gerechnet werde. Wie passt das zur vermeintlichen Überraschung angesichts 140 Bewerbungen?

Hat niemand gefragt?

Damit stellt sich Frage: Hat seither niemand aus Politik und Verwaltung in all den Jahren nach einer Begründung für die ständige Kostensteigerung gefragt? Oder ist der offenkundige Widerspruch dabei nicht aufgefallen?

Doch die Kosten sind nicht das einzige Problem. Schwerer dürfte wiegen, dass der Auftrag nach Pijankas eigenen Angaben nie ausgeschrieben wurde, es sollen nicht einmal Vergleichsangebote vorliegen. Genau das sieht jedoch das Gesetz vor.

Auf Anfrage bestätigt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadt Konstanz: Bei einem Betrag von mehr als 25.000 Euro müssten bei einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb der Zentralen Vergabestelle mindestens drei geeignete Bieter zu einer Angebotsabgabe mitgeteilt werden.

Überdies seien dem Rechnungsprüfungsamt „alle Ausschreibungsunterlagen ab einem Betrag von 25.000 Euro vor Veröffentlichung bzw. vor Versand (voraussichtliche Kosten) und alle diesbezüglichen Vergabevorschläge vor Auftragserteilung zur Prüfung vorzulegen“. Dies ist nicht erfolgt, wie aus einer Anfrage an die Stadt hervorgeht, die von Philharmonie-Intendantin Insa Pijanka selbst beantwortet wird.

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Die Vergabe des Auftrags rund um das Engagement eines neuen Chefdirigenten an die Beratungsfirma, erklärt sie, sei lediglich auf Basis eines einzigen Angebots erfolgt – jener Offerte, die von der beauftragten Firma selbst eingereicht worden war, die damit ihren Preis de facto selbst festsetzten konnte.

Wie Pijanka es begründet

Zur Begründung dieses ungewöhnlichen Vorgangs führt Pijanka an: „Für diese sehr spezialisierte Begleitung eines Personalauswahlverfahrens gibt es in Deutschland nur zwei qualifizierte Agenturen, die einen solchen Prozess begleiten können.“ Es habe aber sehr wohl eine Vergleichbarkeit gegeben: „Von beiden möglichen Beratern sind die Tagessätze bekannt.“ Allerdings gelten die gesetzlichen Regelungen nach SÜDKURIER-Informationen unabhängig von der Anzahl potenziell geeigneter Anbieter.

Welche Konsequenzen können der Stadt nun drohen? Muss sie den Vorgang womöglich den Aufsichtsbehörden melden? Das Land als wichtigen Zuschussgeber für die Philharmonie einbinden? Prüfen, ob die Arbeit der Philharmonie von der Stadtverwaltung hinreichend genau kontrolliert wurde? Eine bereits am Vortrag gestellte Anfrage blieb bis Erscheinen dieses Textes unbeantwortet, Pressesprecher Walter Rügert teilte lediglich mit: „Die bislang bekannten Vorgänge werden selbstverständlich geprüft.“

Die vertragliche Bindung der Stadt zur Intendantin wird bald enden. Von den Fragen nach einer Mitverantwortung werden sich jedoch weder politische Gremien noch Verwaltungseinheiten so schnell lösen können.