Wuchtiger Schlussakkord einer Affäre: Nach den SÜDKURIER-Enthüllungen über Plagiate und Betrugsverdacht bei der Südwestdeutschen Philharmonie ist die Amtszeit von Intendantin Insa Pijanka vorzeitig abgelaufen. Wie die Stadt Konstanz am Montag überraschend bestätigte, will sie einen entsprechenden Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Erst im vergangenen Sommer hatte der Gemeinderat eine Verlängerung um zwei Jahre durchgesetzt – gegen die ausdrückliche Empfehlung der Stadtverwaltung.

„Die Stadtverwaltung Konstanz, vertreten durch Bürgermeister Dr. Andreas Osner, und die Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie, Insa Pijanka, haben sich einvernehmlich auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages geeinigt“, hieß es in einer Erklärung.

„Die Vereinbarung wird derzeit erarbeitet und wird den zuständigen Gremien zum Beschluss vorgelegt. Grund für die einvernehmliche Trennung sind gravierende Differenzen in den Vorstellungen von Verwaltungsspitze und Intendanz über die strategische Entwicklung des Eigenbetriebs Orchesterkultur und Musikbildung Konstanz.“ Der Verwaltungsvorstand bedanke sich bei

Pijanka für ihr großes persönliches Engagement und die gute Zusammenarbeit.

Insa Pijanka war 2019 als Nachfolgerin von Beat Fehlmann angetreten und stand schon früh in der Kritik. Vorgeworfen wurde ihr unter anderem mangelnde Präsenz, zu wenig Kommunikation und eine nicht nachhaltige Programmatik. Zum ersten großen Streit kam es im Sommer 2020, als ihre intern schriftlich formulierte Kritik am damaligen Amtskollegen vom Stadttheater, Christoph Nix, in dessen Briefkasten landete. Der Theaterchef warf ihr im Gegenzug vor, auf der Homepage der Philharmonie falsche Angaben zu ihrer Vita zu verbreiten. Die Angaben wurden später korrigiert.

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Künstlerisch setzte Pijanka mit Crossover-Projekten Akzente. Beachtung fand etwa ein Abend mit Musik der Rockgruppe Queen sowie ein Konzert mit Pop-Hits der 80er-Jahre. Darüber hinaus beschritt sie mit Kompositionen des 20. Jahrhunderts neue Wege, brachte Schostakowitsch und Alban Berg ins Programm der Philharmonischen Konzerte.

Ärger mit Rasilainen

Doch immer wieder wurden die musikalischen Leistungen von Wirbel auf Nebenschauplätzen überschattet. So etwa, als eine Orchester-Abstimmung zur Vertragsverlängerung von Chefdirigent Ari Rasilainen unentschieden ausgegangen war und Pijanka daraufhin beschloss, die Leitungsstelle neu zu besetzen. Die mangelhafte Kommunikation versetzte den Finnen in Rage: Erst nach einem entsprechenden Beschluss des Gemeinderats habe ihn die Intendantin in Kenntnis gesetzt, erklärte er damals gegenüber dem SÜDKURIER. Zu seinem Abschied im Juni 2021 wählte er auf offener Bühne deftige Worte (“Wir Finnen reden nicht so viel Scheiße“).

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Während die Abonnentenzahl stetig zurückging, von anfangs mehr als 3200 auf zuletzt nur noch 2516, stieg das Defizit immer weiter an. Laut einer Mitteilung der CDU-Fraktion wurde die Unterdeckung des Haushalts in Höhe von 357.000 Euro zuletzt um eine weitere Viertelmillion überschritten. Pijanka pflegte stets, die Coronakrise als Ursache für diese Entwicklung zu benennen. Und noch im Sommer vergangenen Jahres stieß sie damit im Gemeinderat auf Verständnis: Gegen den Widerstand von CDU, SPD, FDP und Teilen der Freien Wähler wurde eine Verlängerung ihres Vertrags um zwei Jahre beschlossen.

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Doch spätestens mit der jüngsten Krise begannen selbst die loyalsten Unterstützer, an Pijankas Eignung für diese Aufgabe zu zweifeln. Mit den Worten „es ist zutreffend, dass ich Texte aus anderen Programmbeschreibungen übernommen habe“ räumte die Orchesterchefin ein, in Publikationen wiederholt gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass laut einer innerbetrieblichen Anzeige mehrere Gegenstände aus dem Inventar verschwunden seien. Darüber hinaus gab es Hinweise auf mögliche Manipulation eines Fahrtenbuchs: Ein auffälliger Anstieg der in den Jahresberichten angeführten Fahrzeugkosten wirft vor diesem Hintergrund Fragen auf, welche die Intendantin nicht hinreichend beantworten konnte.

Massiver Druck auf Pijanka

Die Vertragsauflösung kommt zu einer Zeit, als der Druck immens wurde. Die CDU-Fraktion hatte für die Gemeinderatssitzung am 26. Januar Aufklärung zu den Vorwürfen verlangt. Derweil lagen der Stadt weitere Anfragen des SÜDKURIER zu möglichen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Aufträgen sowie aus dem Ruder gelaufenen Kosten vor.

Dem Orchester, das gerade erst ein gutes Jahr ohne Chefdirigent überbrücken musste, steht nun erneut eine Übergangszeit ohne Führung bevor. Diesmal betrifft es die Intendanz. Immerhin: Der neue Chefdirigent Gabriel Venzago soll mit dem Neujahrskonzert einen gelungenen Einstand gegeben haben.