Gereizte Stimmung in der Konstanzer Kultur: Zwischen den Intendanten der beiden größten Einrichtungen, dem Stadttheater und der Südwestdeutschen Philharmonie, ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Ursache ist ein internes Schreiben von Orchesterchefin Insa Pijanka an ihre Musiker, in dem sie den Theaterintendanten Christoph Nix persönlich angreift.

Offenbar hatte sie auf einen vertraulichen Umgang gesetzt, sich in dieser Erwartung aber geirrt. Jedenfalls landete ein Ausdruck der Mail im Postfach des Theaters. Der Absender anonym, der Adressat: „Intendant Prof. Nix persönlich.“

„Persönliches Kettenrasseln“

In dem Dokument, das dem SÜDKURIER vorliegt, kritisiert Pijanka das Vorgehen ihres Amtskollegen in der Coronakrise, insbesondere seine Forderungen nach einer Rückkehr zum Spielbetrieb auf Grundlage der von der Landesregierung beschlossenen Lockerungen. Eine „derart konfrontative Haltung“, heißt es in dem Schreiben, „schadet uns nur in der Zukunft“. Sie sei „nicht mehr als ein persönliches Kettenrasseln von einer Person, die sich nicht mehr darum kümmern muss, was nach der Sommerpause passiert“. Nix‚ Nachfolgerin werde „die Folgen dieses Handelns“ zu tragen haben: Ungewöhnlich harte Worte angesichts der Tatsache, dass ein konkreter Anlass für diese Attacke kaum auszumachen ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Karin Becker, die im Schreiben besagte Nachfolgerin des aktuellen Theaterintendanten Christoph Nix, wollte sich gestern auf Anfrage zu diesem Sachverhalt nicht äußern. Anders der Gescholtene selbst. Beleidigend seien Pijankas Äußerungen, erklärte Nix gestern gegenüber dem SÜDKURIER: „Ich werde mich an den Oberbürgermeister wenden und fordern, dass die Stadt ihren Fürsorgepflichten nachkommt.“ Von einer Abmahnung spricht er sogar, eine Forderung, von der in einer später verschickten Presseerklärung allerdings nicht mehr die Rede ist.

„Kritik nur intern geäußert“

Was aber hat Pijanka nur zu dieser harschen Formulierung veranlasst? Auf SÜDKURIER-Anfrage erklärt sie, es sei ihr vor allem um die aktuellen rechtlichen Grundlagen und die daraus resultierenden Konsequenzen für ihren Spielbetrieb gegangen. „Der Hinweis auf ein anderes Vorgehen des Stadttheaters erfolgte unter dem Eindruck der Berichterstattung im SÜDKURIER und dem Bestreben von Herrn Prof. Nix, den Spielbetrieb doch wieder vorzeitig aufzunehmen, und sollte dem Orchester verdeutlichen, warum ich ein entsprechendes Vorgehen nicht für richtig halte mit Hinblick auf die Zukunft der Südwestdeutschen Philharmonie.“ Sie habe ihre Kritik nur intern geäußert, sollte Nix zu ihrer Haltung Fragen haben, könne er sie gerne persönlich kontaktieren.

Das könnte Sie auch interessieren

Der allerdings dreht jetzt den Spieß um, erhebt seinerseits Vorwürfe gegen die heutige Amtskollegin und einstige Mitarbeiterin. Deren Angaben zur eigenen Vita seien fehlerhaft. Anders als auf der Homepage der Philharmonie behauptet, sei sie keineswegs „im September 2002 als Konzertdramaturgin und Orchesterdirektorin an das Staatstheater Kassel„ gewechselt. Vielmehr habe sie mangels musikalischer Ausbildung zunächst nur als ganz gewöhnliche Mitarbeiterin im Orchesterbüro gearbeitet. Er selbst müsse das am besten wissen, sagt Nix, schließlich hieß der Intendant des Kasseler Staatstheaters zum fraglichen Zeitpunkt: Christoph Nix.

„So ziemlich alle Titel getragen“

Tatsächlich bestätigen mehrere Publikationen des Staatstheaters Kassel, dass Pijanka erst ab 2011 offiziell als Orchesterdirektorin tätig war. Sie selbst rechtfertigt sich: Im Laufe ihrer Tätigkeit habe sie „so ziemlich alle Titel, die man deutschlandweit auf dieser Position haben kann, irgendwann getragen“. Da es wenig Sinn ergebe, „diese alle in einer kurzen Biografie aufzulisten“, stehe dort nur der Titel, den sie „am längsten und auch zuletzt getragen“ habe.

Nix holt weitere Pfeile aus dem Köcher. Pijanka, sagt er, habe im Unterschied zu ihren Vorgängern keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Theater gezeigt. Überdies habe die Südwestdeutsche Philharmonie unter ihrer Führung zahlreiche Abonnenten verloren: „Wäre keine Corona-Krise, würde deutlich, wie stark das Absinken von Zuschauerzahlen ist.“ Mit ihrer Diffamierung seiner Person wolle sie offenbar ihre Untätigkeit in der Krise chiffrieren.

Das könnte Sie auch interessieren

Pijanka selbst will der Aussage über einen Rückgang der Abozahlen nicht widersprechen. „Er ist in unserem Jahresbericht ausgewiesen und wurde vor dem Orchesterausschuss dargelegt“, erklärt sie. Bei einem künstlerischen Wechsel sei es „durchaus normal, dass es zu einem solchen Rückgang kommen kann“. Programmatische Änderungen und auch Experimente gehörten zu „unserem künstlerischen Auftrag und bergen genau dieses Risiko“.

Was die Bereitschaft zur Zusammenarbeit betreffe, erinnere sie sich dagegen anders. Intensiv will sie eine Kooperation bezüglich der Oper Gramsci geprüft haben. Allein aufgrund des „geringen Vorlaufs“ und der „anders gearteten Planungsvorläufe“ sei es nicht zu einer Realisierung des Projekts gekommen. Sie stelle sich die Frage, was der Kollege mit seinem Vorwurf bezwecken wolle.

Das könnte Sie auch interessieren

Ein solch heftiger Schlagabtausch unter Intendanten findet nicht alle Tage statt, und es bleibt abzuwarten, wie die Stadt mit diesem Streit umgehen wird. Vorerst scheint eine Art Schockstarre vorzuherrschen. Auf Anfrage teilt Pressesprecher Walter Rügert mit: Über Personalangelegenheiten werde man sich grundsätzlich nicht öffentlich äußern.