Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten – heute ist Christoph Nix an der Reihe, Intendant des Konstanzer Stadttheaters.

Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen? Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?

Ich bin stark geprägt durch eine christliche und später undogmatisch linke Sozialisation. Daher hoffe ich noch immer auf die Ideale der Bergpredigt: Dass der Mensch dem Menschen gleich begegnet, dass die materiellen Güter gleichberechtigt verteilt sind, dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist.

Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?

Die Hoffnung auf eine demokratische Kommunalverfassung in Baden-Württemberg, und die Hoffnung, dass die Grünen ihren Grundidealen nachkommen, wie dem Rotationsprinzip. Zudem, dass sie nicht an Ämtern kleben und basisdemokratische Prozesse einleiten, statt die eigenen Posten zu sichern. Deshalb braucht es irgendwann eine neue emanzipatorische Kraft.

Können Sie ohne Hoffnung denken?

Nein, das kann ich nicht. Aber in ausweglosen Situationen ist es das Letzte, was wir aufgeben dürfen. Die Hoffnung und die Utopie, die im Sinne von Emst Bloch eine fröhliche und konkrete sein muss.

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Hoffen Sie aufein Jenseits?

Der liebe Gott, dem ich begegnen werde, gleicht dem von Don Camillo eingebildeten Jesus: Er ist gütig, er ist wie ein Bruder, und er verlässt einen nie.

Kann Ideologie zu einer Heimat werden?

Leider ist das bei manchen der Fall. Aber Ideologie ist dann ein instrumenteller Begriff. Heimat ist bekanntlich der Ort, an dem noch niemand war, der tief in unsere Kindheit hinein scheint und der die Erfüllung all unserer Utopien ist. Nicht mehr einsam zu sein, sondern gleichbehandelt wie alle Menschen auf der Erde.

Empfinden Sie die Erde überhaupt als heimatlich?

Wir leben natürlich privilegiert, aber selbst in Ländern diktatorischen Ausmaßes in Afrika entdecken Sie immer wieder eine fast unzerstörbare Natur, in der Sie sich ins Graslegen können und sagen: Hier bleibe ich.

Ist die Ehe für Sie noch ein Problem?

Sie ist es dann, wenn sie ideologisch besetzt wird und mit zuviel Glücksansprüchen überfrachtet wird. Sie ist es dann, wenn es Zwangsheirat gibt, und wenn die Ehe wie die unserer Vorgenerationen zum Hort neurotischer Störung wird. Dann ist sie ein Problem.

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Welche Probleme löst eine gute Ehe?

Die, dass jeder selbstkritisch bleibt, nicht zu überheblich wird. Jemanden zu haben, der einen lieb hat, und der einem alles sagen kann, wenn man grade doof war.

Warum scheuen Revolutionäre den Humor?

Das ist mir neu. Die eigentlichen Revolutionäre sind humorvoll. Marx war
humorvoll, und Bakunin hat den tollen Satz gesagt: Setze den besten Revolutionär auf den Zarenstuhl und er wird schlimmer als der schlimmste Zar. Das erleben wir doch dauernd.

Gibt es einen klassenlosen Humor?

Natürlich. Der jüdische Humor ist klassenlos, aber er macht sich lustig über die Klassengesellschaft.

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Hätten Sie lieber einer anderen Nation (Kultur) angehört und welcher?

Auch, wenn es mittlerweile eine furchtbare politische Ausrichtung hat in Italien, so wäre ich lieber Sarde gewesen. Widerständig, mit keiner Regierung zufrieden und ab und zu entführt man mal den einen oder anderen Politiker.

Gesetzt den Fall Sie hätten nie einen Menschen umgebracht, wie erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?

Ich habe sehr viel Selbsterfahrung gemacht, denn ich habe Theater gespielt, und wer auf der Bühne mordet, muss nicht mehr wirklich morden. Außerdem habe ich gute Freunde und eine nette Familie um mich herum, die darauf Acht gibt, dass keine Dummheiten passieren.