Verfassungsrecht vergeht – Verwaltungsrecht besteht: Das ist mehr als ein harmloser Satz. Politische Systeme mögen sich ändern, aber die, die die Systeme verwalten, bleiben die Alten. In Deutschland, nach der Nazi-Zeit waren in allen hohen Verwaltungs- und Richterpositionen alte Nazis. In Russland sind die stalinistischen Systeme geblieben. Die Menschen, die diese Systeme schufen, wissen genau, wie man mit Untertanen umgeht.

Unser Kolumnist Christoph Nix schreibt im zweiwöchigen Wechsel mit O‘tooli Fortune Haase.
Unser Kolumnist Christoph Nix schreibt im zweiwöchigen Wechsel mit O‘tooli Fortune Haase. | Bild: Lukas Ondreka

In Deutschland hat Finanzminister Lindner angekündigt, Bürokratie abschaffen zu wollen. Aber was meint er damit: Gute Verwaltung könnte demokratische Verwaltung sein, die die Mächtigen kontrolliert, die darauf achtet, dass nicht jeder Hotelier baut, was er will, dass nicht jede Fabrik alles emittiert, weil es dem Gewinn nützlich ist. Verwaltung kann gut sein, wenn sie demokratisch ist, verselbständigt sie sich, wird sie zur Bürokratie.

In Konstanz und Umgebung sind Verwaltung in Personal und Etat angestiegen. Mehr Verwaltung bedeutet keineswegs mehr gute Entscheidungen, denn nach wie vor wurde das Stadtgebiet versiegelt, mit Hotels bestückt, aber es fehlt immer noch an Kita-Plätzen und Wohnraum, und genau die Partei, deren Vorsitzender Bürokratie abbauen will, setzt sich hier für potemkinsche Dörfer ein, die Partei, die weniger Staat will, plädiert für weitere staatliche Subvention beim „TotenForum“.

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Verfassungsrecht vergeht, will sagen, die Inhalte nach Demokratie oder Autokratie oder Monarchie oder „Sozialie“ sind austauschbar, das beobachtet man auch im Kleinen. In der kleinen Demokratie fängt es an, hier muss man sich wehren gegen Selbstherrlichkeit und die Schaffung von undurchschaubaren Subsystemen.

Kein Kleinfürst kann ohne Legitimation regieren. In unserer Kultur stiftet man Legitimation, indem man Gutachten schreiben lässt. In seiner zweiten Amtsperiode hat der Konstanzer Oberbürgermeister Burchardt sich ein Gutachten schreiben lassen, da steht, was er schon immer wollte: Der Personalchef rückt auf zum Verwaltungsdezernent. Gewählt, ausgesucht: gewonnen? Die Referentin steigt auf zur Personalchefin. Vor allem gewonnen. Der Verwaltungsdezernent kommt in die B-Besoldung: noch mehr gewonnen.

Dann wird noch eine vierte Beigeordnete geschaffen und ein Amt für Digitales – das Imperium wächst. Alle machen mit. Aber die Demokratie? Die hat nichts gewonnen – und die Werte: Liberalität, Basisdemokratie, Gleichheit? Sieht modern aus, was da entsteht, aber ist leer und dumpf.

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Der Satz „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“, stammt von Otto Mayer, einem Deutschen Juristen, der auch Kurzgeschichten schrieb: „Nach dem Kriege. Erzählungen eines alten Advokaten.“ Darin warnt er davor, dass die Verwaltung die Ideen auffressen könnte, in ihrem Wunsch, beständig zu sein. Getraut, solche Gedanken zu formulieren, hat sich Mayer nur in der Literatur, in der Verwaltungswissenschaft blieb er ein kühler Kopf.