Eike Schmidt stand da, umringt von Journalisten. Aus ihm sprach schon nicht mehr der Museums-Direktor, sondern ganz der italienische Politiker. Auf die Frage, ob er sich als Bürgermeister von Florenz zur Wahl stellen werde, entgegnete der frühere Direktor der weltberühmten Gemäldegalerie Uffizien, er werde heute gar nichts verkündigen.

Aber: „Ich bin ein Mann der Mitte“, sagte der gebürtige Freiburger auf bestens intoniertem Italienisch und mit mehr als selbstbewusstem Lächeln vergangene Woche. „Ich bin Mittelfeldspieler, kann selbst rennen, aber den Ball auch weitergeben.“

Der Name Eike Schmidt steht ganz oben auf der Liste

Die notwendigen Fußball-Metaphern für Italiens Politik beherrscht der 55-Jährige, der inzwischen das Museum Capodimonte in Neapel leitet, schon bestens. Und wenn nicht alles täuscht, will er den Job schon gerne selbst übernehmen.

Im Juni wird in Florenz der Bürgermeister gewählt. Dieser Tage einigen sich die Rechtsparteien der Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf einen Kandidaten, spätestens kommende Woche soll die Entscheidung fallen. Eike Schmidts Name steht ganz oben auf einer Liste von sechs Kandidaten.

Im Juni könnte dann jene eigentlich undenkbare Kombination Wirklichkeit werden: Ein deutscher, international anerkannter Museumsdirektor aus dem linken Freiburg wird Bürgermeister einer der berühmtesten Städte der Welt, und das für eine von Postfaschisten angeführte Rechtskoalition.

Dieser Tage soll die Ernennung folgen. „Ich hoffe sehr, dass Schmidt unser Kandidat wird“, sagte Alessandro Draghi, Florentiner Chef der postfaschistischen Meloni-Partei Fratelli d‘Italia dieser Zeitung. Laut internen Umfragen könnte die Rechte in der linken Hochburg Florenz mit Schmidt 30 Prozent der Stimmen erreichen und dann die Stichwahl gewinnen. Ein Sieg in Florenz wäre ein nationaler Erfolg für Meloni.

Eike Schmidt steht im April 2021 in den Florentiner Uffizien.
Eike Schmidt steht im April 2021 in den Florentiner Uffizien. | Bild: Uffizi Galleries/dpa

Ihre Koalitionspartner Forza Italia und die Lega Matteo Salvinis müssen der Kandidatur noch zustimmen. „In einer Stadt wie Florenz kann die Rechte nur mit einem parteilosen Kandidaten gewinnen“, sagt Agnese Pini, Chefredakteurin der Lokal-Zeitung „La Nazione“. „Schmidt ist besonders interessant, da er eines der bedeutendsten Museen der Welt geleitet hat, mediengewandt ist und sich in die Stadtpolitik einmischt.“

Es ist eine Kombination, wie sie dem Deutschen gefallen dürfte. Er, der Intellektuelle und Kunsthistoriker mit Erfahrung in den USA als unabhängiger Spitzenkandidat für ein Rechtsbündnis, unkonventionell, überraschend, provokant.

So hatte Schmidt von 2015 bis 2023 auch die Uffizien geleitet. Zu Beginn verjagte der Experte für Bildhauerei und florentinische Kunst per Lautsprecheransagen die Händler, die vor dem Museum illegal überteuerte Eintrittskarten für die Sammlung verkauften. Das brachte ihm wegen nicht genehmigter Werbung ein Bußgeld ein, das der Direktor aus der eigenen Tasche beglich.

Schmidt Kandidatur würde Meloni in die Hände spielen

Das absurde Gedränge in den Uffizien lockerte der Direttore auf, indem er kleinere Besuchergruppen einführte und das Preis- und Ticketsystem veränderte. Schmidt stellte Bilder um und bestellte einen privaten Sicherheitsdienst, der vor dem Museum für Ordnung sorgt. Der Erfolg gab Schmidt recht: 2023 kamen fünf Millionen Besucher, so viele wie noch nie.

Seine Kandidatur als Bürgermeister würde auch Giorgia Meloni in die Hände spielen. Meloni versucht, nach dem Tod Silvio Berlusconis die konservative Mitte in Italien für sich zu gewinnen, die auch Schmidt verkörpert. Der Deutsche, der im vergangenen Jahr eingebürgert wurde und mit einer Italienerin verheiratet ist, würde als parteiloser Kandidat für das Rechtsaußen-Bündnis antreten.

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Berührungsängste mit der aus dem italienischen Neofaschismus hervorgegangenen Meloni-Partei hat der 55-Jährige nicht, obwohl er sich als „antifaschistisch“ und „antinazistisch“ bezeichnet.

Schmidt lobt Meloni in höchsten Tönen: „Seitdem sie Premierministerin ist, hat sie eine Realpolitik gemacht, von der sich viele Leute ein Stück abschneiden können“, sagte er im Dezember dem „Spiegel“. „Die Politik ihrer Partei Fratelli d‘Italia wäre in mittigen deutschen Parteien mehrheitsfähig“, behauptet der Breisgauer.

Sollte Schmidt der Kandidat der Rechten werden, gäbe es noch ein Problem. Er hat gerade erst seine neue Stelle als Direktor im Capodimonte-Museum von Neapel angetreten. Mit plötzlichen Absagen hat Schmidt allerdings kein Problem. Im Herbst 2019 sollte er die Leitung des Kunsthistorischen Museums in Wien übernehmen – und sagte im allerletzten Moment überraschend ab.