Verehrtes Publikum, die Kochkunst gehört definitiv in das weite Feld der Kultur. Denn Ausstellungen, Theater oder Konzerte sind nur der halbe Genuss, wenn es nicht zuvor oder in der Pause anständige Canapés gibt, mag das Programm noch so wunderbar sein. Insofern ist heute ein neuerlicher Verfall der Kochkunst zu beklagen, der mir jüngst von einer Kollegin in der Kantine zugetragen wurde.
Die Kollegin also wurde Zeugin, wie eine Dame in einem Restaurant auf einem Platz in einer größeren Stadt der Region Tintenfisch auf galizische Art bestellte. Die Dame freute sich sicher auf das Gericht, das in Spanien meist mit Paprika, grobem Meersalz und Olivenöl daherkommt. Zuvor wird der Tintenfisch lange Zeit gekocht, gern mit Lorbeerblättern, und das war‘s auch schon mit dem Schnickschnack.
Umso entsetzter war die Unglückliche, die auch noch aus Spanien kam, als die gastronomischen Kräfte des Lokals ihr eine Platte servierten, auf der eine geöffnete Fischdose mit eingelegtem Pulpo gallego prangte.

Sie hatte vermutlich damit gerechnet, dass in dem Lokal selbst zubereiteter frischer Pulpo auf den Tisch käme. Tintenfisch aus der Dose aber, mag das auch in London, Paris oder Berlin noch so trendig sein, der 18 Euro kostete: Das verschlug sowohl der Besucherin aus Spanien als auch meiner Kollegin der Sprache.
Fisch aus der Dose? Nun ist es bekannt, dass speziell die Portugiesen einen gewaltigen Kult um ihre geliebten Sardinen betreiben, diese in allerliebst dekorierten Dosen verpacken, für die extravagante Preise bezahlt werden, die Fischlein zuvor in würzigen Soßen oder bestem Olivenöl einlegen, um sie dann ebenso genüsslich zu verzehren. Geschenkt. Und auch, dass viele Trend-Lokale die Fisch-Dosen entdeckt haben, um sie als praktische Antipasti unters Schlemmervolk zu bringen.
Deshalb ist es sicher eine kluge Strategie, angesichts des Personalmangels in der Gastronomie, weswegen man kaum noch Köche oder Servicekräfte findet, den Gästen schlichtweg Fischdosen zu servieren und dies als hippen Trend zu verkaufen.
Ein bisschen Salat zur Deko drumherum, nach dem Essen die Dose in den Gelben Sack und fertig ist die Laube. Nicht jeder mag abends zum Wein immer gleich ein Riesensteak oder Tortellini, schon gar nicht im Sommer. Von den Vegetariern mal ganz abgesehen.
Aber wo bleibt hier der Stil? Fisch essen, das bedeutet ja für manche Ewiggestrige wie für mich, dass am Morgen der Fischer mit einem Eimer am Lokal vorbeigeschlappt kommt, in dem sich der Fang des Tages befindet (so gesehen auf Lanzarote, in Griechenland oder in anderen Lokalitäten am Bodensee). Und der wird dann vom Maitre des Hauses frisch und liebevoll zubereitet.
Schon klar, Tintenfisch wird am Bodensee eher selten gefangen. Dennoch ließ die Serviertechnik etwas Stil schmerzlich vermissen. Man hätte doch immerhin noch versuchen können, selbst zu kochen.
Was lernen wir daraus? Du kannst heute 18 Euro damit verdienen, wenn du eine Fischdose öffnest und sie hungrigen Gästen bringst. Insofern lade ich Sie herzlich ein, wenn Sie mal Hunger haben, bei mir zu Hause vorbeizukommen. Eine Thunfisch-Dose zu öffnen, das bringe ich dann auch noch fertig. Tintenfisch ist allerdings gerade aus.