Doch, es gibt Probleme, antwortet Christoph Bauer, Leiter des Kunstmuseums Singen, auf die Frage, wie sein Museum den Lockdown überstanden habe. Dann zählt er stichwortartig auf: Verlegung der Hauptausstellung 2020 „Schaut her! Toni Schneiders“ ins kommende Jahr (das heißt: Der Ausstellungsplan 2021 muss neu zusammengestellt werden); Verlängerung der aktuellen Ausstellung „30 Jahre. Kunstmuseum Singen“, deren kulturpolitische Ziele wegen ausbleibender Vernissage und Kunstvermittlung kaum erreicht werden können (die Ausstellung „verpufft“ quasi); keine Veranstaltungen und Führungen (vierte Säule der Museumsarbeit: Vermitteln findet kaum statt); Befürchtungen über mögliche Einsparungen in den Haushaltsberatungen wegen Einnahmeausfällen der Kommunen, Besucherrückgänge 2020, Einnahmeverluste 2020...

Eine realistische Einschätzung. Christoph Bauer beschreibt Probleme, mit denen nicht nur Ausstellungsmacher, sondern Veranstalter aller Genres generell zu tun hatten und haben. In der Region, in Deutschland, europa- und weltweit. Der Lockdown hat zum Stillstand des Kulturlebens geführt. Auch wenn die Kontaktsperre bei uns moderater ausfiel als anderswo, die Angst geht um, dass das gute Alte in der „neuen Normalität“ keinen Platz mehr haben könnte.
Die Perspektiven fehlen
Und es sind nicht nur die staatlichen oder städtischen Institutionen, die um ihre Existenz fürchten. Vielen Solokünstlern, Malern, Musikern, Bildhauern, Schriftstellern oder Schauspielern, fehlt trotz aller Lockerungen die berufliche Perspektive. Die staatlichen Hilfen, soweit sie ankommen, reichen hinten und vorne nicht. Jeder Fünfte, schätzt die am Hochrhein geborene Geigerin Anne Sophie Mutter, stehe vor dem Aus. Mutter engagiert sich für diese Klientel.

Eine weitere Anmerkung von Christoph Bauer betrifft private Einrichtungen wie das doppelte MAC Museum Art & Cars in Singen oder das Kunstmuseum Art Plus in Donaueschingen. Diese Betriebe könnten aus wirtschaftlichen Gründen immer noch nicht durchgehend öffnen oder sie lassen ihre Häuser wegen Umbau der Ausstellung länger als notwendig geschlossen. Das MAC etwa hat derzeit nur an den Wochenenden geöffnet (Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonntag und Feiertage 11 bis 17 Uhr).
Für die großen Hallen ist es schwer
Auch die Programme der großen Stadt- und Veranstaltungshallen signalisieren Tristesse, will sagen: Absagen bis in den Herbst hinein. Bei einer Halle wie die der Stadt Singen, die bis zu 1400 Besucher aufnehmen kann, lohnt es nicht, sie mit reduzierten Besucherzahlen zu bespielen, wie es die Hygienevorschriften derzeit vorschreiben. Das gilt ebenso für die Oberschwabenhalle in Ravensburg, die Tonhalle in Villingen-Schwennigen, das Bodenseeforum in Konstanz, die Stadthalle in Waldshut-Tiengen und Schloss Bonndorf.

Hierzulande, aber auch in der Schweiz und Österreich, wurden viele Festivals abgesagt, in der Region das Hohentwiel-Festival, der Tuttlinger Honberg-Sommer sowie das Southside-Festival in Neuhausen ob Eck, eine Attraktion für Zehntausende vor allem junger Musikfreunde.
Selbst Kleinode wie die Reihe „Kammermusik am Hochrhein“ (Gailingen) oder der für diesen Monat geplante „Hilzinger Barocksommer“ fielen der Corona-Pandemie zum Opfer. Und auch die Landesgartenschau in Überlingen, mit 3000 Programmpunkten prall besetzt, darunter viel Kultur, wurde aufs nächste Jahr verschoben.
Für ein Festival in der Region besteht allerdings Hoffnung, dass es durchgeführt werden kann: die Donaueschinger Musiktage (15. bis 18. Oktober). Es ist das traditionsreichste Festival für Neue Musik weltweit und wurde bereits 1921 unter fürstlicher Protektion gegründet. Die Musiktage stehen für alle neuen experimentellen Formen auf dem Gebiet aktueller Musik und Klangkunst. In den letzten Jahren wurden 10 000 Besucher aus mehr als 15 Ländern gezählt.
Viele Bühnen mit Notprogramm
Zwar dürfen die Theater in Baden-Württemberg seit dem 1. Juni wieder öffnen, aber viele, auch die für Gastspiele, bleiben aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, präsentieren entweder ein reduziertes Programm oder flüchten sich mit einem Video-Notprogramm ins Netz.
„Safety first“, heißt es auf der Homepage des Theaters Freiburg, das Schauspiel, Ballett und Oper umfasst, „leider müssen wir aufgrund der Corona-Pandemie den regulären Spielbetrieb bis zur Sommerpause absagen.“ Das Theater Konstanz weicht auf den Münsterplatz aus und zeigt mit „Hermann der Krumme oder die Erde ist rund“ ein Stück seines scheidenden Intendanten Christoph Nix. Die Uraufführung ist für den 4. Juli vorgesehen.
Viele Filme gingen gar nicht erst an den Start
Konzerte sind zwar möglich, aber nur mit einer reduzierten Besucherzahl. Von daher wundert nicht, dass solche Angebote nur spärlich zu finden sind. Und auch die Kinos dürfen wieder Besucher empfangen. Da aufgrund der Pandemie viele Filme nicht an den Start gingen, haben die Kinos keine große Auswahl. Davon betroffen sind auch die Freilichtkinos. Das soziokulturelle Zentrum „Gems“ in Singen, das ebenfalls monatelang stillgelegt war, will es trotzdem ab 1. Juli versuchen. Ein Zuschauereinbruch ist einkalkuliert.

Bleiben noch die (Freilicht-)Museen und Kunsthäuser als Anlaufstation. Sie haben, wie etwa auch das Klosterprojekt „Campus Galli“ in Meßkirch oder die Landesarchäologie in Konstanz, seit Mai wieder geöffnet. Einige Häuser haben sich bei ihrem Publikum via online in Erinnerung gehalten.
Ausstellungen laufen länger
Egal aber ob in Singen, Ravensburg (das Kunstmuseum zeigt Fotoarbeiten von Sophie Calle), in Friedrichshafen (das Zeppelin-Museum stellt Werke von Martha Hoepffner und Willi Baumeister aus), Konstanz (die Wessenberg-Galerie präsentiert „Zehn Malerinnen am Bodensee“), das Hesse-Museum auf der Halbinsel Höri (die Sonderausstellung widmet sich der Freundschaft zwischen Hermann Hesse und Theodor Heuss), Engen im Hegau (in der Städtischen Galerie sind Bilder von Expressionisten zu bewundern), die Kunststiftung Hohenkarpfen (Bilder von Christian Landeberger) oder das Schloss Bonndorf (Karikaturen über das Verhältnis von Deutschen und Schweizern): Alle Häuser verlängern ihre Sonderausstellungen um die Wochen, die ihnen der Lockdown gekostet hat. Und ja, sie alle hoffen auf regen Besuch, damit sich die Einnahmeverluste in Grenzen halten.