Was für ein glanzvoller Schlusspunkt, welch würdevoller Abschied! Michael Auer hat in der Konstanzer Gebhardskirche das letzte Konzert seines Kammerchors dirigiert und der 40-jährigen Verbindung mit einer Auer-typischen Programmauswahl ein Denkmal gesetzt.
Statt der einschlägigen Publikumsrenner hat er gerne unbekanntere Kostbarkeiten auf die Programme gesetzt und damit seinen Chor gefordert und das Publikum überrascht. So auch dieses Mal.
Und obwohl vermutlich nur wenige im Publikum wussten, was genau sie erwartet, wenn sie der Einladung zu Gerald Finzis „Magnificat“ und Benjamin Brittens „Saint Nicolas“ folgen würden, wussten sie aus guter Erfahrung, dass Inhalt und Qualität stimmen würden.
Die Werke der beiden englischen Komponisten, beide um die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden, passen in die Weihnachtszeit. Brittens Kantate über den Heiligen Nikolaus traf gar fast punktgenau den entsprechenden Gedenktag. Es handelt sich dabei um eine überaus leb- und bildhafte Schilderung von Leben und Wirken des Bischofs von Myra, die den Bühnenkomponisten Britten nicht verleugnet und in ihrer Lebendigkeit fast schon krippenspielartige Züge trägt.
Dass das Stück außerdem noch das große Aufgebot mit Chor, Orchester (Südwestdeutsche Philharmonie), zwei Klavieren (Barbara und Sebastian Bartmann), Orgel (Eva-Maria Rusche), Solo-Tenor (Max Vogler), Knabensopranen (Aurelius Sängerknaben Calw) und Mädchenchor auf der Empore (Mädchenchor des Suso-Gymnasiums) verlangt, passte dann auch noch zu dem speziellen Konstanzer Anlass.
Deftige Szenen und prunkvoller Glanz
Das bemerkenswerte Werk beginnt geheimnisvoll, wie mit einer Beschwörung des Heiligen Nikolaus, der dann tatsächlich auch erscheint und über sein Leben von vor 1600 Jahren zu erzählen beginnt – aber keineswegs als vollbärtiger Weihnachtsmann. Britten verleiht ihm vielmehr den tenoralen Glanz eines jungen Gottgesandten, was Maximilian Vogler sehr gut ausfüllt.
Es folgen acht sehr unterschiedlich angelegte Nummern, die die Chöre und die Solisten auf vielfältige Weise beschäftigen und herausfordern und sogar die Gemeinde zum Mitsingen zweier Choräle einladen.
Die Sätze zeigen Nikolaus als überaus vergnügtes Kind im Walzertakt, als Beschwörer von Sturm und Meer in einer Art Seemannslied oder als Retter dreier bereits vom Metzger in einer Hungersnot geschlachteter Jungen. An deftigen Szenen fehlt es dem Stück wahrhaftig nicht, aber auch nicht an prunkvollem Glanz und Gloria.
Auer steuert alle Beteiligten sicher und mit der Gelassenheit jahrzehntelanger Erfahrung durch die Höhen und Gefahrenzonen der Musik. Wie in vielen Chören müssen sich auch im Kammerchor die Männer als das schwächere Geschlecht gegen die Frauen behaupten. Zusammen aber sind sie stark.
In Chorfugen oder A-cappella-Passagen (wie im „Magnificat“) zeigen sie Kraft und Schönheit ihres Klangkörpers. Er wurde von Auer gepflegt und geformt. Seine Nachfolgerin Fabienne Schwarz-Loy wird es zu schätzen wissen.