Was gibt es Schöneres als König Fußball? Was gibt es Schöneres als einen guten Kameraden zu haben? Und was gibt es Schöneres als im Theater überrascht zu werden? Das neue Stück von Autor Leo Maier rückt erst spät mit der tatsächlichen Problematik heraus. Es geht um Männerfreundschaften, um Leistung und Liebe. Doch zunächst scheint man mit einer ganz gewöhnlichen Komödie konfrontiert. Zwei junge Typen treffen sich scheinbar zufällig im Wald und reden über? Klar, über Fußball.

Dabei scheint es ein wenig grotesk, denn die beiden siezen sich, obwohl es sich herausstellt, dass sie beide im selben Verein spielen. Wo? Nicht bei irgendeinem Club, sondern bei den Königlichen, bei Real Madrid. Dem Club von Zinedine Zidane und Sergio Ramos.

Dreimal hintereinander haben sie die Champions League gewonnen, der eine als Stürmer (Julian Mantaj), der andere als Mittelfeldspieler (Leonard Meschter). Sie plaudern über dies und das, klar über ihren Sport, aber auch über scheinbar Belangloses, der Mittelfeldmann ist im Nebenberuf ein passionierter Bäcker von Bananenbrot und hält sich einen Drachen, der ihm als Transportmittel dient.

Passt nicht zum Klischee

Der Dialog passt so gar nicht zum Klischee der beinharten Männlichkeit, geradezu zart nähern sich die beiden an und stellen fest, dass sie sich sympathisch sind, sich mögen. Das wirkt alles ein wenig komisch, es geht nicht um gewinnen oder verlieren, der Talk handelt vom Essen, Obst und Gemüse, von der Freizeit der Profis, in der die beiden gerne auch mal der Stille huldigen.

Plötzlich wird es dann doch ernst, die Angst vor dem Sterben klingt an, und natürlich ist Fußball nicht nur die wichtigste Nebensache der Welt, sondern ein gnadenloses Geschäft. Schon als Jugendliche fünfmal die Woche Training, früh ist Mann mit dem Verlangen nach Erfolg konfrontiert. Wer berühmt ist, hat es nicht unbedingt einfacher. Der Dialog ist ein zartes und langsames Hineintasten in die Szene.

Die Kicker agieren etwas zögernd, ja schüchtern. Ablenkung wäre gut, da kommt eine Einladung zur gemeinsamen Weihnachtsfeier gerade recht. Der Stürmer lädt seinen Kameraden zu sich nach Hause ein, letzterer verspricht, ein Bananenbrot mitzubringen. Zunächst jedoch machen die beiden Lauftraining, gekonnt einstudiert die Körperbeherrschung der beiden Protagonisten.

Bananenbrot an Weihnachten

Auf einem Podest ist dann für Weihnachten angerichtet. Die Mutter des Stürmers (Katrin Huke) und der Vater (Odo Jergitsch) freuen sich über den Besuch, man gibt sich normal und ist dabei herrlich unnormal. Die Huke in schriller Aufregung, der Jergitsch als wurschtiger Sympath. Eine ganz normale Familie. Scheinbar.

Ein wenig Ärger hat man mit dem Christbaum, die Regie (Elke Hartmann) inszeniert einen Slapstick, und dann kommt der Truthahn auf den Tisch, zuvor überreicht der Mittelfeldspieler noch ein Geschenk, neben dem Bananenbrot eine Mütze von Real. Profifußballer sind wie Rockstars, man möchte sie anfassen, ja knuddeln. Doch was so leicht scheint, wenn man es im Fernsehen oder im Stadion sieht, ist in Wahrheit harte Arbeit, auch an Silvester ist um 22 Uhr Bettruhe.

Fußball ist immer auch ein wenig Philosophie, warum heißt der Stürmer nicht Sturmspieler, ebenso wie die Kollegen Abwehrspieler oder Mittelfeldspieler. Wie war das noch? Der Ball ist rund und ein Spiel hat 90 Minuten. Die Unterhaltung beim Essen stockt dann doch ein wenig, man sucht etwas unbeholfen nach einem Gesprächsthema. Die Sitzung gipfelt im großen Fressen, die Mutter stopft das Bananenbrot in sich hinein, und das so exzessiv, dass sie dafür offenen Szenenapplaus bekommt. Dann wird aus der komischen Fresserei bitterer Ernst, denn die Gute hat eine Allergie gegen Bananen und erleidet einen allergischen Schock.

Die Cousine von Kurt Cobain

Eine Beerdigung gerät zur skurrilen Angelegenheit, die gesamte Spielerschar nebst Statisten führt eine Art Derwischtanz auf, als Steigerung kommt die Huke als Priesterin und rockt die Bühne. Man muss nicht wirklich verstehen, was da passiert, die Bilder wirken für sich. Auch als die Cousine von Kurt Cobain (Kristina Lotta Kahlert) erscheint, scheint das Stück ins Diffuse abzugleiten.

Wer muss denn nun warum sterben? Was hat das mit Fußball zu tun? Der rote Faden scheint verknotet. Klar, es geht auch um unerfüllte Sehnsüchte. Musik von George Michael ertönt, das ist dann der Startschuss für das eigentliche Thema des Abends. Die beiden Kicker freunden sich an, mehr noch, sie verlieben sich ineinander. „Killing me softly“ wird zum Motto, es kommt zum Kuss, schüchtern, leise und zart, das ist das krasse Gegenteil zur homophoben Männerwelt des Fußballs.

Sie verstehen und sie lieben sich: Die Fußballer (Leonard Meschter, Julian Mantaj).
Sie verstehen und sie lieben sich: Die Fußballer (Leonard Meschter, Julian Mantaj). | Bild: Ilja Mess/Theater Konstanz

Wohin mit den eigenen Gefühlen, wohin mit der Angst, etwas falsch zu machen, ja im schlechten Sinne gar kein Mann mehr zu sein. Eben kein Günter Netzer oder Toni Kroos. Stürmer und Mittelfeldmann frieren, sie füllen eine Freundschaft mit Körperlichkeit, sie siezen sich immer noch und rauchen heimlich eine Zigarette miteinander. Einfach weil es Spaß macht. Lachen, auch wenn man traurig ist.

Die Mutter ist nun endgültig zum Vamp mutiert, der Vater gibt den Segen für seine Schützlinge. Schließlich fällt eine Meute von Journalisten über die Szene her. Homosexualität im Sport ist immer noch ein Tabu und ein gefundenes Fressen für die Medien, siehe Thomas Hitzlsperger.

Ein selbstbewusstes Coming out ist geboten und notwendig, auch wenn es wehtut. Die beiden Kicker stellen sich dieser Herausforderung, sie stehen zu ihrer Neigung und sie machen ihre Beziehung öffentlich. Das erfordert Courage, gerade auch wenn das Outing in jungen Jahren stattfindet. „Zwei Herren“ ist eine Liebeserklärung an den Fußball und an die gleichgeschlechtliche Liebe, schrill, zärtlich und etwas melancholisch. Großartig gespielt von den beiden Hauptdarstellern.

Nächste Vorstellungen am 13./15. und 17. Dezember in der Spiegelhalle, Infos unter http://www.theaterkonstanz.de