Es ist im Konstanzer Konzil ein Abend der Geschichten gewesen. Es ging durch Zeiten und Kulturen, in den fernen Osten, auf den Kirchturm, in den Zauberwald – und ein echter Komponist war auch noch da. „Besoffen ist die Luft von soviel Tun und Wollen“ rezitiert die Schauspielerin Johanna Wokalek zu Beginn.
Man hängt an ihren Lippen bei Ouvertüre und Schauspielmusik zu William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Wokalek raunt, ruft, wispert, gluckst, gibt gleichzeitig und virtuos den Puck, Titania, Oberon und den Zettel. Und Gabriel Venzago zaubert mit am Dirigentenpult.
Er lässt die Philharmoniker durch die Nacht rauschen, hält das vielfältige Geschehen zusammen, hüpft zu den Paukenschlägen der Ouvertüre, umarmt diese herzerfrischende Musik. Völlig beschwingt ist das alles, voller Wärme im Orchesterklang.
Durchaus eine Besonderheit: Gespielt wird die Langversion mit den Sängerinnen des Sinfonischen Chors und den Sopranistinnen Maria Reina Navarro Crespo und Julia Sophie Wagner. Einmal live das Abendlied „Gute Nacht mit Eiapopei“ zu hören war den Besuch eigentlich schon wert. Die Solistinnen überstrahlen es mühelos, Chor und Orchester fügen sich zum melodischen Ganzen, den Bläsern gelingt ein wunderschönes Notturno.
Dann wird es noch rappelvoller auf der Bühne. Intendant Hans-Georg Hofmann hat zu Beginn verkündet, man versuche es ohne begrenzende Vorhänge, der Chor steht bis zur Wand und kommt manchmal nicht ganz über das Orchester hinweg. Das macht sich auch im zweiten Teil hier und da bemerkbar, der Uraufführung von Enjott Schneiders Sinfonie Nr. 8 „Die Glocke – Brücke zur Unendlichkeit“, die mit fast allem an den Start geht, was das Schlagwerk zu bieten hat, hervorragende Schlagwerker inklusive. Von einem Konzerthaus zu träumen ist unterdessen ja fast schon Spinnerei, hier allerdings kommt man akustisch an Grenzen.
Enjott Schneider feiert mit dem Orchester seinen 75. Geburtstag. Dem breiten Publikum sind seine herausragenden Filmmusiken bekannt, als freier Komponist verfolgt er einen „Cross Culture“-Ansatz. Voller musikalischer Zitate und Themen ist so auch seine Achte, startet im China des 8. Jahrhunderts und verbindet von der arabischen Dichtung bis zu Schillers „Glocke“ soviel, dass man es kaum aufdröseln kann.
Im Konzil erhebt sich ein mächtiger Orchester- und Chorsatz, teils auf Chinesisch, mit Glissandi, Gong, Geräuscheffekt und mit, ja, sehr vielen Glockenschlägen. Chapeau dem Chor, der das Experiment annimmt und dem Orchester, das die Farbigkeit umsetzt und das Stück auch bereits eingespielt hat. Phasenweise wird es plakativ und laut, nicht nur beim Einsatz des „Donnerblechs“.
Als Solistin glänzt Julia Sophia Wagner, die die Partie mit warmem Timbre singt, Ruhepole schafft und Spitzentöne wunderbar zurücknimmt. Das Finale führt in den europäischen Kirchenraum: Beim „Dona nobis pacem“ blickt man innerlich zum Münsterturm – mit immerhin dem deutschlandweit zweitschwersten Geläut.