„Ja, mir san mit‘m Radl da“ – dieses Lied aus den frühen 1970er-Jahren, das sangen damals vielleicht ein paar Stammtischbrüder, aber keine Politiker. Mit‘m Radl war von denen keiner da. Sie setzten lieber auf die Mercedes S-Klasse.

Dabei waren die Vorzüge des Velos schon damals offensichtlich, die Verkehrsplaner hätten nur auf Joe Dassin zu hören brauchen. Der Sänger, dem wir die Hymne auf die Champs-Elysées verdanken, stellte schon 1972 fest: „Dans Paris à vélo on dépasse les autos, à vélo dans Paris on dépasse les taxis.“ (Zu deutsch: In Paris überholt man mit dem Fahrrad die Autos und die Taxis.)

Heute findet der Drahtesel nun endlich die ihm gebührende Beachtung. Aber die Logik, mit der Fahrradförderpolitik betrieben wird, die erinnert mich an die Art und Weise, wie vielfach seit Jahrzehnten Politik fürs Auto betrieben wird: Beim kleinsten Stau fordern die Straßenplaner, eine Straße auszubauen. Kurven dürfen ja nicht zu scharf sein, weshalb alte Trassen durch begradigte und breitere neue ersetzt werden. Maß halten? Fehlanzeige.

Beispiele gefällig? Am Hochrhein soll die Autobahn A98 fertig gebaut werden, und bitteschön, nicht nur dreispurig, sondern gleich vierspurig.

Zwischen Allensbach und Konstanz fräsen die Maschinen den Weg für die vierspurige B31 frei, ein Landschaftsverbrauch der Extremsorte.

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Als ob das noch nicht genug an Naturfrevel wäre, wird nun auch noch ein Radschnellweg zwischen Konstanz und Singen gefordert: Breit genug, gerade genug, direkt genug. Glatt und versiegelt. Wohlgemerkt, nicht im Geiste der Forderung der jungen Freitagsfuturisten anstelle des exzessiven B31-Ausbaus, sondern zusätzlich.

Dieselben Politiker, die die Verkehrswege vielerorts so flächenfressend ausbauen wollen, beklagen andererseits die Flächenversiegelung, die mit Schuld ist an den verheerenden Hochwasserschäden.

Sie könnten einfach die beiden Flüsse vergleichen, den Wasser führenden Fluss und den Verkehrsfluss. Weniger Flussbegradigungen, mehr Auen, dadurch geringere Fließgeschwindigkeiten – das alles ist Hochwasserschutz. Das kann auch auf den Verkehrsfluss übertragen werden. Verkehrsauen, das wären mehr Tempo-30-Zonen, das wären Tempolimits, das wären schmalere Straßen, das wären im Oberlauf der Verkehrsströme variable Tempolimits um den Fluss in Richtung Unterlauf zu bremsen.

Und fürs Fahrrad gilt: Bitte keine neuen Wege, sondern Umwandlung von Autowegen in Fahrradwege. Asphaltierte Fläche ist mehr als genug vorhanden, man müsste sie nur anders verteilen.

Hätte man vor 50 Jahren auf Joe Dassin gehört und entsprechend gehandelt, hätten wir längst lebendigere Innenstädte auch abseits der Fußgängerzonen. Zwanzig Jahre später, 1991, haben uns auch die „Prinzen“ an Joe Dassins Feststellung erinnert: „Jeder Popel fährt nen Opel, jeder Affe einen Ford, jeder Blödmann fährt ‚nen Porsche, jeder A... ‚nen Audi Sport. Jeder Spinner fährt ‚nen Manta, jeder Dödel Jaguar. Nur Genießer fahren Fahrrad und sind immer schneller da.“ Und das garantiert auch ohne Radschnellweg.