Bei einem Openair-Rockfestival denkt man an Schlammrutschen und Dosenbier, an Headbanging und Schlangen vor den Dixi-Klos. Beim neuen Pinot and Rock Festival in Breisach steht man punktuell auch im Matsch.

Der Regen der vergangenen Tage hat auf dem idyllischen, direkt am Rhein gelegenen Gelände seine Spuren hinterlassen. Aber für ein Glas mit perfekt gekühltem Weißburgunder vom Bioweingut Rinklin aus Eichstetten kann man sich auch gerne mal die Schuhe dreckig machen. Und sich im Weindorf mit dem Blick auf die kleinere Kaiserstuhlbühne den elegischen, manchmal auch etwas experimentellen Indiepop der Schweizer Band Black Sea Dahu anhören.

Dass man den Wein auf dem neuen, über vier Tage angesetzten Rockfestival überhaupt aus Gläsern trinken kann, hat Fritz Keller durchgesetzt. Erst auf dem Weg zur Bühne müssen die edlen Tropfen in Kunststoff-„Beachgläser“ getauscht oder eben ausgetrunken werden. Das Sicherheitspersonal wacht streng über die Einhaltung dieser Regel, was die Laune manches Genießers etwas trübt.

Die Idee zu diesem Festival dazu hatte der Gastronom, Winzer und Ex-Fußballfunktionär Fritz Keller selbst. „Ich habe schon immer im Weingut und im Restaurant Konzerte veranstaltet: Jazz, Klassik, experimentelle Sachen. Ich liebe handgemachte Musik. Das Konzert von Herbert Grönemeyer zum 100-jährigen Jubiläum des SC Freiburg auf der Freiburger Messe, das bis dahin größte Open-Air-Konzert der Stadt, habe ich auch veranstaltet und politisch vorbereitet“, sagt der frühere Präsident des SC Freiburg und des DFB.

Schon vor der Pandemie hatte er mit Freunden bei einem Glas Wein über die Idee gesprochen, ein Open-Air-Festival mit einem großen kulinarischen Angebot zu kombinieren. Und auf diese Weise auch etwas für seine Heimat zu tun. „Der Weinregion geht es nicht so gut. Es gibt ein paar wenige Betriebe, die rechtzeitig auf nachhaltig ökologischen Anbau umgestellt und damit Erfolg haben. Diejenigen, die stehengeblieben sind, haben Probleme und produzieren zum Teil am Markt vorbei.“

Er hörte von dem erfolgreichen Festival Bottle Rock im Napa Valley/Kalifornien, das seit 2013 Musik- und Weingenuss verbindet und schaute sich dieses Konzept 2022 vor Ort an. Fritz Keller ist ein Macher, kein Träumer. Für den Bau des SC-Stadions im Freiburger Westen hat es insgesamt elf Jahre gebraucht, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Mit der Idee des Pinot-and-Rock-Festival traf er bei der Stadt Breisach auf offene Ohren und viel Kooperationsbereitschaft.

Mit einem gepflegten Pinot Grigio zum Konzert: Am Kaiserstuhl ist der Rock‘n‘Roll eine Sache für Genießer.
Mit einem gepflegten Pinot Grigio zum Konzert: Am Kaiserstuhl ist der Rock‘n‘Roll eine Sache für Genießer. | Bild: Georg Rudiger

Das unter Bäumen angesiedelte, weitläufige Festivalgelände bietet neben einem Weindorf auch eine „Chill and Grill Area“ mit Lounge, Cocktail-Bar und BBQ. Über 30 Winzergenossenschaften und Weingüter aus der Region sowie Foodtrucks sind am Start. Es gibt Rückzugsräume und viele Sitzgelegenheiten. Viele kommen in Gruppen und verbinden den Konzertbesuch mit einem geselligen Austausch.

Das Konzept geht am Eröffnungsabend voll auf, auch wenn die Schlangen vor den Essensständen lang werden. Die ausschließlich erlaubte Kartenzahlung sorgt auch für die eine oder andere Verzögerung. Für Fritz Keller besteht einen engen Zusammenhang zwischen Wein- und Musikgenuss. „Wenn man guten Wein machen und hervorragendes Essen kochen möchte, dann brauchte man eine gute Allgemeinbildung und die Sensibilisierung aller Sinne. Das Gleiche gilt für die Musik“, sagt der Winzer beim Gespräch zehn Tage vor Festivalstart.

„Wenn man im heißen Weinberg steht und dort die Laubarbeiten macht, dann weiß man es auch, was es bedeutet, wenn jemand täglich viele Stunden übt, um ein Instrument zu erlernen. Musik ist wie eine seelische Nahrungsaufnahme. Mit Musik muss man sich wie mit Wein und Essen intensiv beschäftigen, um sie richtig genießen zu können.“

Black Sea Dahu bei ihrem Auftritt am Kaiserstuhl.
Black Sea Dahu bei ihrem Auftritt am Kaiserstuhl. | Bild: Pinot und Rock

Auch die eingeladenen Künstler wie Smudo von den Fantastischen Vier zeigen sich vom Konzept begeistert: „Einen guten Pinot Noir beispielsweise würde ich nie ablehnen.“ Peter Fox schwärmt auf der Bühne von einer Weinprobe vor dem Konzert. Und auch Alli Neumann haben die badischen Weißweine überzeugt.

Mit dem zweiten Song auf ihrem neuen Album „Primetime“ (2023) eröffnet die 29-jährige Sängerin mit viel Power ihr Set auf der großen Baden-Bühne. „Sag allen ich bin zurück hey, hey/Die Welt hat mich vermisst nach all den bittren Tränen/Komm süßer Sommerregen/so ist es eben das bittersüße Leben“ singt sie auf einer bohrenden Keyboardlinie und treibendem Schlagzeug.

An diesem Abend ist das Leben eher süß als bitter. Und auch der erwartete Sommerregen bleibt in Breisach aus – im Gegenteil: Sonnenstrahlen tauchen die Bühne in warmes Licht. Auch live ist ihre dunkel timbrierte, leicht aufgeraute Stimme ein Alleinstellungsmerkmal. Und kann auch zur echten Rockröhre werden wie beim stampfenden „Bike Boy“ vom ersten Album „Madonna Whore Komplex“ (2021), zu dem Gitarrist Leon Kraack ein paar schön dreckige Soli beisteuert.

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Nach ihr startet Peter Fox startet in vor 7000 Zuhörerinnen und Zuhörern seine diesjährige Tournee. Am Sound muss man noch feilen – der dröhnende Bass hat zu viel Wumms und zu wenig Transparenz, was gerade den ruhigeren Stücken wie dem charmanten Influencer-Spottlied „Es gibt kein Regen in Dubai“, dem schwebenden „Disney“ oder dem entspannt groovenden „Toscana-Fanboy“ schadet.

Der Berliner wirkt frisch und ausgeruht, parliert charmant mit dem Publikum, tigert geschmeidig über die Bühne und singt vor allem auch unangestrengt mit gut sitzender Stimme. Der Partyfaktor steigt. „Schüttel deinen Speck“ trifft auf „Stadtaffe“ und „Alles neu“. Das Publikum schüttelt, was es hat, bevor es sich im Weindorf zum Ausklang noch ein Glas Pinot genehmigt.

„Pinot an Rock“ läuft noch bis Sonntag. Weitere Informationen: www.pinotandrock.com