Wie schön hätte alles werden können! Mit Betonung auf „hätte“, denn dies ist nicht der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Als sich Ignaz Heinrich von Wessenberg 1817 aufmachte in die Ewige Stadt, konnte er nicht absehen, was in Rom passieren würde. Eine Audienz beim Papst und alles wäre geritzt. So dachte er, doch es sollte anders kommen.
Doch wir wollen der Geschichte nicht vorgreifen. Alles begann mit einer Art Hassliebe zu Konstanz. Der gebürtige Dresdner empfand die 4000-Seelen-Stadt wenig erbaulich. Die einzige Unterhaltung bestünde im Kartenspiel, was er so gar nicht leiden konnte.
Schlaue Köpfe müsse man in Konstanz mit der Lupe suchen. Vom Rang eines Wissenschaftsstandorts mit (Exzellenz-)Universität war die durch die napoleonischen Kriege gebeutelte Stadt weit entfernt. Dennoch bezog er 1802 den Domherrenhof, als er sein Amt als Generalvikar offiziell antrat. Die Jubiläumsausstellung, die die Städtische Wessenberg-Galerie zum 250. Geburtstag ausrichtet, findet also direkt am Ort des Geschehens statt.
Der 1774 Geborene war ein unruhiger Geist, der viel auf Reisen war. So pendelte er monatlich ans Meersburger Priesterseminar. Er widmete sich intensiv der Reform der Priesterausbildung, denn hier lag einiges im Argen. Nächtliche Kneipentouren und unstrukturierter Lebenswandel waren nur einige der Laster, die Wessenberg unterbinden wollte.
Vorbildhaft war für ihn sein Zeitgenosse Johann Heinrich Pestalozzi. Der Schweizer Pädagoge legte Wert auf eine ganzheitliche Ausbildung. Nicht nur zu ihm, sondern zur gesamten helvetischen Republik unterhielt Wessenberg eine besondere Beziehung.
In einem Ausstellungssaal illustrieren Veduten seine Touren durch Europa. Idealisierte Landschaftsausblicke wie Johann Volmars „Landschaft an der Aaare“ zeigen nicht nur seine Vorliebe für Landschaftsdarstellungen, sondern sind auch Zeugnisse des in der Biedermeierzeit bevorzugten Malstils.

Der unverheiratete Wessenberg pflegte einige enge Kontakte zur Damenwelt. Eine verehrte er besonders, die Konstanzer Malerin Marie Ellenrieder. Die Verehrung war rein platonischer Natur. Er hatte früh ihr Talent entdeckt.
Dank seiner Unterstützung durfte sie als erste Frau an der Münchner Kunsthochschule studieren. Ihre Madonnenbildnisse im Stil der Nazarener entsprachen dem Geschmack der Zeit. Diese an die italienische Renaissance angelehnte Malerei deckte sich auch mit Wessenbergs pädagogischem Anspruch, den christlichen Glauben mittels geeigneter Bilder dem Volk zu vermitteln.
In der Qualität der gezeigten Gemälde liegt eine Stärke der Ausstellung, denn in ihnen kommt der Zeitgeist zum Tragen. Landschaften und Madonnen zeigen eine Form von Eskapismus, die die damaligen (kirchen-)politischen Grabenkämpfe vergessen ließen und die einen farbenfrohen Kontrast zur ansonsten recht textlastigen Ausstellung bieten.
Exponate aus Wessenbergs Besitz wie eine Soutane und Möbelstücke lockern die Präsentation auf. Dennoch läuft eine Ausstellung, die sich einer so facettenreichen Persönlichkeit wie Wessenberg es war, verschreibt, Gefahr, sich im enzyklopädischen Gesamtanspruch zu verirren. Einen wirklichen Schwerpunkt zu setzen, versäumt sie hierbei.
Doch wie ging die Geschichte aus? Nachdem Wessenbergs Mentor, Karl Theodor von Dalberg, 1817 verstarb, erkannte Pius VII. die Wahl von Wessenberg als dessen Nachfolger nicht an. Überzeugt davon, den Papst im Gespräch umstimmen zu können, brach Wessenberg nach Rom auf. Doch sein Plan ging nicht auf, er wurde nicht vorgelassen.
Das Ende vom Lied war, dass seine Mission scheiterte, 1821 wurde das Bistum aufgelöst. Auch wenn er mit seinen Ideen in Rom Schiffbruch erlitt, erfuhr er nach seinem Tod späte Genugtuung: Teile seiner Reformen wurden im Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren umgesetzt. Sein soziales Engagement, sein Einsatz für Frauen sowie überfällige Kirchenreformen haben nichts an ihrer Aktualität verloren.
Bis 1. September. „Ignaz Heinrich von Wessenberg. 1774-1860. Kirchenfürst. Politiker. Sammler. Dichter.“ in der Städtischen Wessenberg-Galerie Konstanz. Di-Fr 10-18 Uhr, Sa/So und Feiertag 10-17 Uhr. Infos:
www.konstanz.de/wessenberg