„Ich war schon als Baby sehr viel auf dem Segelboot mit meinen Eltern“, erzählt Susanne Sailer. Das war allerdings vor nicht ganz einem halben Jahrhundert. Mit neun Jahren hat sie dann bei der Seglervereinigung Überlingen begonnen zu segeln – wieder unter den Augen der Eltern, denn sie leiteten die damalige Jugendgruppe. Damals war das Regattasegeln noch weit weg und Weltmeisterschaften natürlich auch. Das Segel-Handwerk hat Susanne Sailer traditionell im Optimist gelernt. Und eines ist bis heute geblieben: Sie sitzt immer noch sehr gerne im Boot.

Mit 15 Jahren wechselte die Überlingerin in die Bootsklasse, der sie bis heute treu geblieben ist – in die Europe. Zwischen 1992 und 2004 wurde die Bootsklasse bei den Frauen sogar bei vier Olympischen Spielen gesegelt. Die Erfolge stellten sich recht schnell ein und sie gehörte fünf Jahre lang dem baden-württembergischen Kader an. Zu Olympia hat es Susanne Sailer aber nicht geschafft. Vor allem auch deshalb, weil sie sich zu dieser Zeit auf ihr Medizin-Studium in München konzentrierte.

Spagat zwischen Heimat und Lebensmittelpunkt

Während des Studiums wurde sie zudem zweifache Mutter, sodass das Segeln erst einmal hinten angestellt wurde. Als sie dann aber die Zeit wieder hatte, legte sie wieder los. Ihren Lebensmittelpunkt hat sie mittlerweile aber nach Oberhausen bei Weilheim in Oberbayern verlegt. Dort ist sie beim Segelclub Walchensee Jugendleiterin – ist aber weiterhin Mitglied bei der Seglergemeinschaft Überlingen (SGÜ) und startet auch für den Bodenseeclub bei Regatten.

„Mittlerweile bin ich jedes Jahr am Gardasee bei der Frühjahrsregatta“, erzählt die Kardiologin. „Deshalb kenne ich das Revier auch sehr gut.“ Man könnte es sogar schon so etwas wie ein Heimrevier nennen. Auch Wettkämpfe bestreitet Susanne Sailer wieder einige. „Es sind ungefähr fünf pro Jahr“, sagt sie. „Das ist aber auch notwendig, um sich für die Weltmeisterschaft überhaupt qualifizieren zu können.“

Susanne Sailer von der Seglervereinigung Überlingen wurde bei der Weltmeisterschaft der Europe-Seglerinnen auf dem Gardasee Zweite und ...
Susanne Sailer von der Seglervereinigung Überlingen wurde bei der Weltmeisterschaft der Europe-Seglerinnen auf dem Gardasee Zweite und bekam hier die Silbermedaille überreicht. Bild: Andrea Francesca Dall‘Ora/Mars Entertainment | Bild: Andrea Francesca Dall'Ora - Mars Entertainment

Silber für Susanne Sailer am Gardasee

Ihre erste WM segelte sie 2016 – auch am Gardasee. Und sie wurde auf Anhieb Zwölfte. Der Weg zu den Welttitelkämpfen in diesem Jahr war allerdings ziemlich steinig. Im vergangenen Jahr kugelte sie sich die Schulter aus und musste in der Folge sogar operiert werden. Deshalb verpasste sie die Deutsche Meisterschaft, die aber zwingend notwendig war, um überhaupt zugelassen zu werden. „Ich stellte einen Antrag auf eine Wildcard, der aber abgelehnt wurde“, erinnert sich die Überlingerin. Doch als Nachrücker schaffte sie es dann doch noch in das 58 Boote umfassende Teilnehmerfeld der Damen-Konkurrenz im Torbole Sailing Club. Sie machte sich berechtigte Hoffnungen auf eine Top-6-Platzierung, weil sie das Revier wie ihre Westentasche kennt und sie vor allem einen sehr guten Bootsspeed hat.

Nur eine Dänin segelte besser als die Überlingerin

Und so legte sie hervorragend los. Pro Tag wurden zwei Wettfahrten gesegelt und am zweiten und dritten Tag lag sie sogar in Führung. Dann aber zeigte die Dänin Camilla Svensson ihre Klasse und drehte mit vier Laufsiegen mächtig auf. „Sie sitzt jeden Tag im Boot und trainiert unter professionellen Bedingungen“, erklärt Susanne Sailer und fügt schmunzelnd hinzu: „Gegenüber ihr bin ich eine Hobbyseglerin.“ Dennoch hielt sie bis zum Schluss hervorragend mit und hielt ihre Landsfrau Sophie Menke in Schach. Damit durfte die Überlingerin auf das zweithöchste Podest klettern und freute sich riesig über die Silbermedaille.

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Ordentliche Wellen und drei bis vier Windstärken

„Es ist schon ein Riesenerfolg und unglaublich“, sagt Susanne Sailer. „Ich wusste, dass ich mithalten kann, aber ich bin stolz darauf, dass ich die Konstanz über alle fünf Tage halten konnte.“ Sicherlich spielten die Bedingungen der Überlingerin in die Karten, denn es war nicht so heiß. Nachmittags wurde immer bei Ora gesegelt – das ist ein thermischer Südwind am Gardasee – und es hatte fast jeden Tag um die drei bis vier Windstärken mit ordentlichen Wellen. „Ich bin Starkwindseglerin“, erklärt sie. „Deshalb kam ich sehr gut mit den Bedingungen zurecht.“ Außerdem hat sie die Wettfahrten der sogenannten „Open Week“ direkt vor der Weltmeisterschaft, die ebenfalls im Torbole Sailing Club stattfanden, als Vorbereitung genutzt und auch dort schon gute Leistungen gezeigt.

Mit diesem Erfolg im Rücken ging es mit ihrem Mann erst einmal nach Überlingen, denn Susanne Sailer ist immer noch alle vier bis sechs Wochen am Bodensee. „Ich bin am Bodensee einfach zu Hause“, sagt sie. „Außerdem habe ich bei der Seglervereinigung noch meine 49er-Jolle stehen, mit der ich dann auch sehr gerne auf den See gehe.“ Es kann also durchaus sein, dass man mitten im Überlinger See eine Vize-Weltmeisterin treffen kann.