Herr Wilde, Sie sind seit 2018 – seit Folge 13 – als Polizist Paul Schott in „WaPo Bodensee“ zu sehen. Sind Sie zufrieden?
Absolut! Es läuft wie geschnitten Brot, würde man bei uns sagen. Die Figuren stimmen, da muss man nicht mehr viel machen. Vor einer Szene gibt es eine Leseprobe – im Sommer an einem schattigen Plätzchen, jetzt im Herbst an einem sonnigen – und dann drehen wir. Ohne viel Schnickschnack.
Im Moment laufen Folgen, in denen Paul Schott und seine Vergangenheit als Polizei-Ausbilder in Afghanistan im Fokus stehen. Wie viel dürfen Sie verraten?
Vergangene Woche ist ja Amira aus Afghanistan aufgetaucht und es sieht so aus, als hätten die beiden mal große Gefühle füreinander gehabt. Und da sie aus Afghanistan kommt, kann man sich als Zuschauer denken, dass sie nicht auf normalem, also legalem Weg nach Deutschland gekommen ist. Paul ist das egal, er will ihr helfen. Was man in diesen vier Folgen sieht: Er könnte durchaus auch auf der anderen Seite des Gesetzes stehen. So viel darf ich verraten.
Die Folgen müssen sich „nicht hinterm Tatort verstecken“, haben Sie auf Instagram geschrieben. Werden Vorabend-Serien denn Ihrer Erfahrung nach nicht ernst genommen?
Es gibt viele sehenswerte Vorabend-Serien mit tollen Geschichten und Darstellern, über die viel mehr gesprochen werden sollte. Man hört aber immer wieder: „Wow, Tatort!“ Da ich in der glücklichen Lage bin, viele Tatorte gemacht zu haben, darf ich mir anmaßen, das zu beurteilen, und ich kann sagen: Ich habe schon Tatorte gedreht, die deutlich weniger spannend waren als das, was wir gerade bei „WaPo Bodensee“ zeigen.
Vielleicht steht beim Tatort etwas mehr Geld zur Verfügung, vielleicht ein paar Tage mehr Zeit. Aber das sind Schauspieler wie wir. Und es gibt Tatort-Regisseure, die auch Vorabend-Serien machen. Also, was soll da anders sein? Mit diesem Vorurteil muss Schluss ein. Es gibt tolle Vorabend-Serien, es gibt tolle Tatorte – das hält sich die Waage.
Gab es Reaktionen nach der ersten Folge rund um Pauls Vergangenheit?
Eigentlich wollte ich ja im „Hotel Hoeri“ in Hemmenhofen, wo ich während der Dreharbeiten immer wohne, so etwas wie ein Public Viewing machen. Normalerweise ist in der Lobby um die Zeit, zu der die Vorabend-Serien laufen, auch wenig los, sodass man das machen kann. Aber ausgerechnet an dem Tag war das nicht so …
Also habe ich die Folge zusammen mit meinem besten Freund Charles Rettinghaus, der gerade eine Episoden-Hauptrolle bei uns spielt, auf dem Zimmer geschaut. Wir haben uns ein Gläschen Rotwein gegönnt und die Geschichte auf uns wirken lassen. Charles war total angetan. „Alter Schwede, das hätte ich nicht erwartet“, hat er gesagt. (lacht) Auf Instagram kamen natürlich ein paar Reaktionen, meine Eltern und meine Schwester haben auch angerufen. Aber es ist nicht so, dass sich alle Freunde melden – dafür bin ich jetzt einfach schon zu lange dabei.

Sehen Sie sich eigentlich gern selbst auf dem Bildschirm?
Also: Genießen kann ich es auf gar keinen Fall, mich zu sehen. Früher musste ich bei Premieren sogar manchmal aus dem Kino gehen, weil ich das nicht ertragen konnte. Mittlerweile schaue ich mit mehr Abstand und denke bei manchen Szenen, das hast du gut gemacht, und bei anderen, da hättest du vielleicht dieses oder jenes anders machen können. Aber am Ende des Tages geht es ja nicht nur um mich, sondern es sind ganz viele Leute beteiligt: Cutter, Regisseure, Kameraleute, Beleuchter … Gerade auch bei der „WaPo“ habe ich so tolle Kollegen, die ich wirklich sehr gerne spielen sehe.
Es ist ein bisschen so, wie wenn man den Anrufbeantworter bespricht. Man macht das gefühlte 25-mal und denkt dann: Das war jetzt gut. Und wenn man es sich anhört, klingt es einfach nur grauenvoll! Aber wenn man den Anrufbeantworter jeden Tag neu bespricht, gewöhnt man sich daran, sich zu hören. So ähnlich geht es mir, wenn ich mich im Fernsehen sehe. (lacht)
Wie lange wollen Sie mit der „WaPo“ eigentlich noch weitermachen?
Ich mache gern so lange weiter, wie man mich lässt. Ich könnte mir nichts Besseres wünschen. Der Bodensee ist die tollste Ecke, vielleicht nicht der Welt, aber auf jeden Fall in Deutschland. Die Leute, die Gegend, schöner geht‘s einfach nicht. Ich fühle mich hier sauwohl. Und wir bei der „WaPo“ sind wie eine Familie – wir sind sechs Monate im Jahr zusammen und verstehen uns auch hinter der Kamera sehr gut. Darüber hinaus habe ich eine tolle Rolle und spiele Paul wirklich sehr gern. Ich mag den gern, den Jungen. Und ich wäre, glaube ich, gern wie er. (lacht)

Sie sind für die Dreharbeiten die Hälfte des Jahres am Bodensee. Wie man hört, wollen Sie nicht länger im Hotel wohnen, sondern schauen sich nach einer Wohnung um. Können Sie sich wirklich vorstellen, Berlin ganz hinter sich zu lassen?
Wenn Sie mich so fragen: sofort. Der Abschied würde mir nicht schwerfallen. Mit Berlin verbindet mich eine Hassliebe. Wenn ich dort bin, habe ich manchmal schon nach einer Woche wieder genug. Allerdings lebt mein Sohn noch dort, er ist jetzt 16. Und ich habe dort natürlich auch Freunde. Aber die können mich ja besuchen. Jeder, der mich bisher besucht hat, kommt immer wieder, weil es einfach so traumhaft schön ist. Mein Freund Charles findet, die Gegend hat was mit mir gemacht.
Und stimmt das?
Absolut. Ich schalte hier komplett runter. Berlin ist gut, wenn man jung ist, wenn man Pläne hat. Aber wenn man ankommen will und das Leben genießen möchte, dann geht das dort nicht. Ich finde Berlin anstrengend, kräftezehrend. Hier habe ich mich neu entdeckt – bin zur Ruhe gekommen. Ja, ich habe mein Glück am Schwäbischen Meer gefunden und dafür bin ich dankbar.
Wie läuft denn die Immobiliensuche?
Ich schaue mich um. Aber es ist natürlich so, dass viele Leute das Gleiche vorhaben wie ich, und die Preise sind entsprechend. Das muss man sich leisten können. Und da, wo ich gern wohnen würde, ist es noch schwieriger, überhaupt was zu finden. Aber ich bin nicht unter Druck, ich habe ja eine Wohnung in Berlin und kann das entspannt angehen. Irgendwann kommt die Wohnung zu mir!
Lockt Sie die Nähe zum Wasser?
Nein, das habe ich auch in Berlin, da wohne ich direkt an der Havel. Es ist das Gesamtpaket. Ich habe mal in Esslingen Theater gespielt – also in Württemberg. Für mich war das damals gleichbedeutend mit Baden-Württemberg. Als ich dann wusste, ich habe den Job bei der „WaPo Bodensee“, dachte ich nur: Oh, Baden-Württemberg … Denn die Leute in Esslingen waren schon speziell, das muss ich sagen. Und dann bin ich hierher gekommen und kann mittlerweile bestätigen, dass die Badener ganz anders sind als die Württemberger.
Ein Beispiel: Als ich zum ersten Mal mit dem Auto hierher gefahren bin, habe ich in Gaienhofen bei der Sparkasse angehalten, um Geld abzuheben. Es war nachts. Und da kommt mir jemand entgegen und sagt laut und höflich: „Guten Abend!“ Ich habe mich so erschrocken, dass mir das Portemonnaie aus der Hand gefallen ist und ich mich in Stellung gebracht habe.
Wenn in Berlin nachts um halb zwölf jemand zum Geldautomaten geht und „Guten Abend!“ hört, dann kann das nichts Gutes heißen … Und auch wenn hier unten sicher nicht jeder nett ist – für mich ist es die Gegend mit den meisten netten Leuten. Hier will jeder einfach eine schöne Zeit haben. Selbst wenn man beim Sport in die Umkleide geht, grüßt man. Das klingt vielleicht banal, aber ich steh‘ drauf! (lacht)
Ihr Sohn war bei den Dreharbeiten für die nächste Staffel, die gerade laufen, als Komparse dabei. Will er in Ihre Fußstapfen treten?
Nein, das möchte er auf keinen Fall. Was er gern werden würde, ist Cutter. Er hat zum Beispiel mein Demo-Band geschnitten und ich finde, er ist wirklich talentiert. Die Komparsen-Rolle hat sich so ergeben. Er war zu Besuch und ich habe ihn gefragt, ob er das nicht machen möchte – und dann ging alles sehr schnell. In seiner Polizei-Uniform war er nicht wiederzuerkennen.
Es gab eine Szene, da habe ich mich total gefreut, weil ich mit meinem Sohn zusammen im Bild bin, auch wenn er nur ganz klein im Hintergrund zu sehen war. Er hat einen tollen Job gemacht.

Man hört, dass Sie gern die Häuser von Freunden umdekorieren und auch Kunstwerke aus Holz herstellen. Wie kam es zu diesem Hobby?
Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen. Ich habe schon früher, wenn ich an der Ostsee Treibgut gesammelt hatte, mal eine Lampe daraus gemacht oder Kleiderhaken. Auch aus einem Wagenrad habe ich schon eine Lampe gemacht. Als Student hatte ich nicht viel Geld, ich wollte aber eine schöne Wohnung haben und habe viel selbst gemacht. Manche Freunde lassen mich schon gar nicht mehr ins Haus, weil sie Angst haben, dass ich alles umstelle. (lacht)
Aber wenn ich darf, nehme ich auch mal eine Sprühdose in die Hand und verschönere die Gartenmöbel. Das macht mir einfach Spaß – und man kann dabei nichts kaputtmachen. In der ehemaligen DDR war ich Haushandwerker, aber handwerklich bin ich echt ‚ne Pfeife. Ich konnte mich einfach gut verkaufen. Aber ich würde heute nicht mehr versuchen, was zu reparieren. Ich liebe es, aus Vorhandenem etwas zu gestalten, und dann kann es schon mal bunt werden. Denn genau das ist schön: eine Welt voller Farben und Unterschiede!