Herr Sigl, „Der Bergdoktor“ zieht regelmäßig ein Millionenpublikum vor die Fernseher. Hätten Sie 2008 gedacht, dass die ZDF-Neuauflage sogar noch erfolgreicher wird als der Vorgänger?

Wir hatten auf ein erfolgreiches Projekt gehofft, waren aber damals noch im Findungsprozess. Es verwundert uns nach wie vor, was sich aus einer 45-minütigen Serie, die in den Bergen spielt, entwickelt hat. Das war eine lange Reise, die wir als Team gemeinsam gemacht haben. Ein Herzensprojekt, das von allen Beteiligten und ganz entscheidend auch von unserem treuen Publikum mitgetragen wird. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist ein starkes Gefühl, dass man das Glück hat, eine Geschichte über so viele Jahre erzählen zu dürfen. Das machen wir nach wie vor mit 100 Prozent Einsatz und Spaß.

Was macht das Phänomen aus?

Vielleicht dieser spezielle Typus eines Arztes, der als Figur immer noch sehr archaisch in der Fernsehwelt steht. Der mit großer Zuversicht und Empathie handelt. Der sich zusammen mit seiner Familie immer neuen Herausforderungen stellt. Und dabei noch unheimlich gut aussieht. (lacht sehr laut) Dazu kommen dann noch spannende und emotionale Geschichten sowie eine großartige Kulisse. Schön ist auch, dass wir mit unseren neuen Folgen immer zum Jahresanfang starten, das hat auch beim Publikum einen besonderen Effekt. Mit jeder neuen Staffel beginnt wieder ein neuer gemeinsamer Weg. Alle wissen, jetzt geht‘s wieder los.

„Der Bergdoktor“ ist generationsübergreifend: Wie schaffen Sie es, dass Sie Fans in allen Altersgruppen erreichen?

Eine besondere Bindung zum jungen Publikum konnten wir vor allem über die Rolle meiner Filmtochter Lilli entwickeln. Mit dieser Figur sind ganz viele unserer heutigen Zuschauer groß geworden. In ihrer Kindheit hatten sie den „Bergdoktor“ mit ihren Eltern oder Großeltern geschaut und sind bis heute dabeigeblieben. Damals hatten wir ein deutlich älteres Publikum. Heute sind wir bei zwölf bis14 Prozent jungen Zuschauern. Das finde ich toll.

Vielleicht liegt das auch daran, dass sich die Menschen auch im Fernsehen nach einer Konstante sehnen. Und das können wir mit dem „Bergdoktor“ bieten. Gemeinsam mit dem Publikum haben wir uns schon durch viele schwere Zeiten getragen. Die Zuschauer sind einmal in der Woche beim „Bergdoktor“ und seiner Familie zu Gast. Das verbindet.

Wie gelingt der Spagat zwischen Tradition und Moderne?

Indem wir mit der Zeit gehen und nicht stehen bleiben, sondern uns ständig weiterentwickeln. Natürlich ist alles fiktiv und aus Gründen der Dramaturgie ein wenig überhöht, auch hat der Arzt nur einen Patienten pro Folge. Doch wir versuchen, die gesellschaftlichen Strukturen so abzubilden, dass sie thematisch spürbar sind. Dabei sprechen wir auch mal unbequeme Themen an.

Bei Familie Gruber am Frühstückstisch: Sophia (Ylvi Unertl, von links), Lilli (Ronja Forcher), Martin (Hans Sigl), Lisbeth (Monika ...
Bei Familie Gruber am Frühstückstisch: Sophia (Ylvi Unertl, von links), Lilli (Ronja Forcher), Martin (Hans Sigl), Lisbeth (Monika Baumgartner) und Hans (Heiko Ruprecht). | Bild: Erika Hauri/ZDF

Zum Beispiel?

Letztes Jahr in Folge sechs, als es um ein männliches Vergewaltigungsopfer ging. Auch da hatten wir, glaube ich, einen guten Weg gefunden, ein schwieriges Thema familientauglich zu erzählen. Sehr wichtig ist es uns übrigens auch, keine patriarchischen Strukturen zu zeichnen. Die Frauen und Männer in Ellmau sind gleichberechtigte Partner, und mit Monika Baumgartner als Mutter haben wir eine sehr starke Frau im Zentrum der Familie.

Sie zeigen in der Öffentlichkeit eine klare Haltung, vor allem gegen Rechtspopulismus. Was treibt Sie an?

Wir haben doch keine andere Wahl, als gegen die rechte Strömung unsere Stimme zu erheben und zu sagen: Leute, das geht in die falsche Richtung. Das hat man doch aus der Geschichte gelernt. Und weil ich das Privileg habe, in der Öffentlichkeit zu stehen, sehe ich es als meine Pflicht an, Haltung zu zeigen. Ich trete für eine bunte, vielfältige, humanistische Gesellschaft ein. Ich finde, das ist – wie ich es schon als Kind gelernt habe – der einzig gangbare Weg. Ich kann doch nicht zu Hause sitzen, meinen Mund halten und denken, das ist zwar gerade alles ganz furchtbar, aber wird schon irgendwie gut gehen.

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Ein Thema der neuen „Bergdoktor“-Staffel ist Longevity – der Wunsch nach einem langen, gesunden Leben. Wünschen Sie sich das auch?

Alt werden wollen wir alle, älter werden nicht. (lacht) Ich bin jetzt 55, da denkt man natürlich über das Altern nach und versucht, möglichst gesund zu leben. Ich schwimme täglich meine Bahnen, ich gehe regelmäßig auf den Berg, ich tue immer noch das, was ich tun will, auch wenn ich inzwischen länger für meine Bahnen brauche und langsamer auf den Berg steige.

Wie fühlt es sich an, mit dem „Bergdoktor“ älter geworden zu sein?

Das ist schon verrückt. Doch ich finde, der Kollege ist ganz gut gealtert. (lacht)