Herr Herrmann, vor zehn Jahren startete die Koch-Show „The Taste“, in der das Essen auf einem Löffel angerichtet wird. Was wäre auf einem Löffel, der Ihre Visitenkarte darstellen sollte?
Auf meinem Löffel wäre unten ein bisschen Kartoffelstampf, darauf eine zart gegarte weiße Spargelspitze, etwas Zitronenabrieb, Meersalz, ein paar Tropfen Zitrone am Rand, und darüber in Nussbutter gebräunte Brösel. Wenn man dieses Gericht auf einem Teller anrichten würde, könnte man noch etwas Frittiertes von der Kartoffel dazutun, aber das ist auf dem Löffel eher schwierig.
Warum?
Es ist ähnlich wie beim DFB-Pokal: Der „The Taste“-Löffel hat eigene Gesetze. Man hält ihn an die Nase, riecht daran, und dann würde man in diesem Fall zuerst den Fritteusen-Geruch der Kartoffel riechen. Das ist nicht schön. Den Löffel muss man verstehen lernen, und je schneller das geht, umso weiter kommst du in der Show. Diese Reise machen alle unsere Kandidaten.
Sie sind als Coach und Juror von Anfang an dabei. Wie schwierig ist es, im Fernsehen zu vermitteln, wie etwas schmeckt?
„The Taste“ ist keine Koch-Show, sondern eher eine Ess-Show. Wir reden darüber, was auf einem Löffel alles schön war und was vielleicht gestört hat. Und da wir vier Juroren sind, beschreibt jeder das Gericht ein bisschen anders.
Geht der Trend weg von traditionellen Koch-Sendungen hin zu Eventkochen wie etwa in Tim Mälzers „Kitchen Impossible“?
Vor allem in den dritten Programmen gibt es schon noch die klassischeren Koch-Sendungen. Aber natürlich hat sich wahnsinnig viel getan in den vergangenen 30 Jahren. Wenn ich an die Anfänge von „Kerners Köche“ denke, da ging es wirklich darum, dass man ganze Gerichte zubereitet: die Soße, die Beilage, das Gemüse, das Fleisch.
Jahre später haben wir uns in der Sendung nur noch auf einzelne bedeutsame Dinge konzentriert, zum Beispiel: Wie gelingt es, die Entenbrust perfekt rosa zu braten? Was heute beim Entertainment in den 20.15-Uhr-Formaten stattfindet, ist ein enormer Kampf um Aufmerksamkeit. Du musst es schaffen, alle paar Minuten neue Reize zu setzen, damit der Zuschauer nicht umschaltet – es ist aber natürlich wichtig, dass du gleichzeitig die Seriosität wahrst.
Ist es nicht seltsam, dass Menschen so gerne Koch-Shows gucken, obwohl daheim immer weniger gekocht wird?
Ich selber kann nicht behaupten, dass ich die Welt noch verstehe, gerade wenn es um das politische Geschehen geht. Wir sind alle wahnsinnig informiert, aber es ist schwer, das alles aufzunehmen. Denken Sie an die Klimakrise. Man hat doch den Eindruck, dass man nichts mehr richtig machen kann. Darf ich noch ein Auto mit Verbrennungsmotor fahren? Darf ich mir ein neues Handy kaufen? Wo werden meine Klamotten produziert?
Man braucht Orientierung. Und da kommt der Megatrend Kochen im Fernsehen ins Spiel: Da siehst du als Zuschauer ein Stück Brot, eine Tomate, ein Stück Bio-Fleisch, und du siehst genau, ob da was in der Pfanne anbrennt oder nicht. Du musst nicht Rätsel raten. Das vermittelt, philosophisch gesagt, ein Gefühl der Wahrhaftigkeit.

Welchen Fernsehkoch hatten Sie früher als Vorbild?
Ich bin mit Max Inzinger aufgewachsen, der in der ZDF-Sendung „Drehscheibe“ gekocht hat – die durfte ich mit meiner Mutter schauen. Er hat ja diesen Satz geprägt: „Ich habe da schon mal was vorbereitet.“ Wer mich aber vor allem inspiriert hat, war Alfred Biolek. Er hat gesagt: „Ich weiß nicht, ob das richtig ist oder nicht, aber mir schmeckt es, ich mach das so.“ Das war eine Befreiung für alle, die daheim gekocht haben, und später kam dann ein Jamie Oliver oder eine Sendung wie das „Kochduell“.
Alfred Biolek hat mal über seine Koch-Sendung gesagt, dass es Zuschauerproteste hagelte, wenn er den Kochlöffel ableckte und ihn dann zurück in den Topf steckte. Ist das bei „The Taste“ auch so?
Das ist und bleibt immer noch die größte Aufregung. In der Tat habe ich schon selber mit einem Probierlöffel gekostet und bin dann mit demselben Löffel nochmal rein in die Vinaigrette. Das passiert immer mal wieder. Zu Hause macht das doch auch jeder. Sehr oft werden wir auch gefragt: Was ist mit den Lebensmitteln, die übrig bleiben?
Und was antworten Sie darauf?
Wir schmeißen nix weg. Alle gekochten Reste, die nach dem Servieren der Löffel übrig bleiben, werden von den Teams aufgegessen. Also von den Kandidaten und Kandidatinnen, aber zum Beispiel auch von den Kameraleuten, die sind ja auch neugierig, wie es schmeckt. Und die nicht verbrauchten, noch verpackten Lebensmittel werden an die Tafel gespendet.

Spiegeln sich in der Show auch neue Ernährungstrends wider?
Klar. Vegan ist immer ein Thema. Nur wenn uns jemand ein veganes Wiener Würstchen hinlegen würde, da wäre ich kein Fan von.
Bei „The Taste“ machen Profis und Amateure mit. Welche Fehler machen die Hobbyköche und -köchinnen häufig?
Wenn ich sage „Nimm ein bisschen Küchenkrepp“, zum Beispiel, um etwas nach dem Anbraten abtropfen zu lassen – da nimmt der Profi fünf, sechs Lagen, aber der Hobbykoch nur ein Blatt. Das saugt doch nichts weg! Das machen die Profis besser.
Konnten die bisherigen Gewinner ihren Sieg auch als Sprungbrett für eine kulinarische Karriere nutzen?
Jeder findet seinen Weg, da haben wir viele tolle Beispiele unter den Kandidatinnen und Kandidaten. Natürlich ist dir keine große Karriere gesichert, nur weil du gewinnst. Wie es danach weitergeht, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn du etwa sehr ländlich wohnst und gewinnst, bist du in deiner Heimat bekannt, aber es gibt vielleicht weniger Firmen, die dich buchen könnten.
Die Teilnahme bei „The Taste“ macht aber auf jeden Fall etwas mit dir als Kandidat oder Kandidatin: Du kriegst einen ganz speziellen Blick auf dich selbst, das Selbstwertgefühl wächst und du weißt dich danach besser einzuschätzen. Dass die Zeit bei „The Taste“ für jeden einzelnen Kandidaten unfassbar wertvoll ist, ist auch etwas, was mich antreibt.
Sie sind Sterne-Koch, betreiben mehrere Restaurants. Servieren Sie da auch Gerichte auf Löffeln?
In unserem Familienbetrieb in Wirsberg nicht, aber im „Imperial“ in Nürnberg servieren wir das Petit Four auch auf einem kleinen Löffel.