Herr Sigl, „Der Bergdoktor“ wirkt wie das Gegenprogramm zur aktuellen Weltlage. Brauchen wir im Krisenchaos diesen Eskapismus ganz besonders?

Den hat man immer schon gebraucht. Das gilt natürlich auch für Zeiten wie diese, die für alle nicht ganz einfach waren und sind. Insofern ist so eine Serie ein probates Mittel, um mit dem Überangebot an Stress und negativen Nachrichten fertigzuwerden.

Ganz so friedlich und unproblematisch geht es aber selbst in Ihrer ZDF-Serie (neue Folgen donnerstags um 20.15 Uhr) nicht zu. Sind Sie bemüht, bestimmte Konflikte und Verwerfungen abzumildern?

Es ist eine Gratwanderung, wie viel wir dem Zuschauer zumuten können. Wir nehmen uns wichtiger Themen an, wissen aber gleichzeitig, dass wir ein Familienformat sind. Deshalb verpacken wir sie so, dass sie gut konsumierbar sind, und gleiten nicht zu sehr ins Drama ab. Manchmal müssen auch Dinge nicht offen dargestellt werden. Wir haben irgendwann aufgehört, Operationen zu zeigen, weil es eigentlich noch stärker ist, wenn sich der Zuschauer die in seiner Fantasie vorstellt.

Wie viel vertragen Sie als Zuschauer?

Ich kann schon einiges ab, es geht immer um die Darreichungsform. Wie schon gesagt, ist es schöner und reizvoller, wenn der Fantasie Platz gelassen wird, anstatt mit dem Holzhammer zu arbeiten. Deshalb bin ich auch kein Freund von Splatter-Horrorfilmen.

Was ist Ihr persönliches Eskapismus-Programm?

Ich bin ein großer Freund von Stand-Up-Comedy. Da sind viele amerikanische Kollegen, deren Programme ich mir auf Streamern anschaue. Quasi ein Kollegen-Check.

Sie stehen dem „Bergdoktor“ Martin Gruber (Hans Sigl, Mitte) zur Seite: Lisbeth (Monika Baumgartner, hinten von links), Hans ...
Sie stehen dem „Bergdoktor“ Martin Gruber (Hans Sigl, Mitte) zur Seite: Lisbeth (Monika Baumgartner, hinten von links), Hans (Heiko Ruprecht), Linn (Andrea Gerhard) und Lilli (Ronja Forcher). | Bild: Erika Hauri/ZDF

Mittlerweile wird zunehmend die Frage gestellt, was Comedy darf, ohne jemandem auf den Schlips zu treten …

Das ist in der Tat ein großes Thema. Es gibt in meinem Weltbild so etwas wie Anstand und Vernunft. Wenn Witze gemacht werden, die mit Vernunft und Anstand auf etwas aufmerksam machen, dann darf Komödie und Satire noch einiges mehr. Es muss aber erkennbar bleiben, dass es eine solche ist. Wenn mit Formaten gespielt wird, wo diese Grenze verschwimmt, halte ich es für schwierig. Es ist auch sehr problematisch, wenn leicht tendenziös rechtskonservatives Gedankengut in Comedy verpackt wird. Da muss der Zuschauer wach sein, was bedingt, das nicht einfach sinnlos zu konsumieren.

Sie machen zwar jetzt keine Comedy, sollen aber als Moderator der ARD-Silvestershow (zu sehen am 31. Dezember um 20.15 Uhr) für Stimmung sorgen. Angesichts des schwierigen Jahrs keine leichte Aufgabe …

Ich bin nicht unbedingt in Feierlaune, aber ich bin ohnehin nicht der Partylöwe. Man hat mich gefragt, ob ich Lust habe, die Silvestershow zu moderieren, und ich fand die Herausforderung spannend, den letzten Abend mit dem Publikum gemeinsam zu verbringen. In der Show habe ich ein paar kleine Inseln des Jahresrückblicks mit positiven Nachrichten geschaffen. Die helfen vielleicht auch, einen versöhnlichen Abschluss mit einem schwierigen Jahr zu finden.

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Wenn man in Stress gerät, ist dieses Gefühl vielleicht gefährdet. Wie vermeiden Sie das?

Man muss das Problem anders betrachten. Wie kommt man in Stress? Das geschieht oft dadurch, dass man unfokussiert ist und viele Dinge zusammen kommen. Da hilft es, sein Leben zu entzerren und eine Liste aufzustellen, die man abarbeiten kann. Dann hat man keinen Stress, sondern einfach viel zu tun. Und wenn man sich davon befreit, ist es möglich, positiver in seinem Umfeld zu wirken.

Mit Francine Jordi moderiert Hans Sigl die Silvestershow der ARD.
Mit Francine Jordi moderiert Hans Sigl die Silvestershow der ARD. | Bild: Philipp von Ditfurth/dpa

Sie sind auch jenseits der verschiedenen TV-Formate kreativ – etwa mit Lesungen von Literaturklassikern. Was können Sie als Lektüre empfehlen?

Ich bin ein Kafka-Fan. Für mich ist er einer der größten Humoristen der Welt. Aktuell habe ich für eine Lesung in Flaubert hineingeschnuppert. Und vergangenes Jahr habe ich wieder „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Thomas Mann gelesen. Die haben mich hervorragend unterhalten. Mann ist einfach sensationell. Ansonsten glaube ich, dass fast jeder Klassiker, sogar „Effi Briest“, so spannend wie jede Netflix-Serie ist. Ich kann nur sagen: Es lohnt sich, weil jeder Klassiker eine tolle Geschichte hat.