Frau Hofmann, Sie haben mit 46 Jahren Ihre Biografie geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich habe schon vor vielen Jahren immer mal wieder aus Jux gesagt, irgendwann schreibe ich ein Buch zum Thema „Sei einfach nur schön“. Ich konnte diesen Satz nicht mehr hören … Vor zwei Jahren kam dann tatsächlich ein Verlag auf mich zu. Und ich dachte nur: Um Gottes willen, gerade bricht mein ganzes Leben zusammen und ich weiß überhaupt nicht, wie es weitergehen soll.

Was haben Sie gemacht?

Ich habe gesagt: Fragt mich in einem Jahr noch mal. Und dann hat der Verlag gewartet und ist vor einem Jahr wirklich wieder auf mich zugekommen. Da habe ich gesagt: Okay, jetzt bin ich soweit.

Wie ging es dann weiter?

Wir haben viele Interviews geführt und ich habe dem Verlag ganz viel Material geschickt. Man hat ja die Jahreszahlen oft selber nicht mehr so genau im Kopf – das habe ich erst mal zu Papier gebracht, dann haben wir alles strukturiert, Überschriften festgelegt und schließlich ein Brainstorming gemacht. Ich habe mich ganz arg noch mal in mein Leben eingearbeitet, sozusagen. (lacht) Es war viel Arbeit, aber wenn ich das Ergebnis sehe, bin ich mega-stolz und mega-happy, denn wer mich kennt, der weiß, dass das zu 100 Prozent ich bin.

Und wer Sie nicht kennt?

Der lernt mich dadurch kennen. Das Buch beleuchtet so viele Themen, und wer es liest, kann auch für sich sehr viel rausziehen.

Als Sie damals nicht wussten, wie es weitergehen soll – meinen Sie damit das Ende der Geschwister Hofmann?

Genau. Wenn man 35 Jahre zusammen auf der Bühne steht und denkt, dass man das bis an sein Lebensende macht – und plötzlich stellt das Leben einfach so die Weichen um, dann ist das schon eine Riesenherausforderung. Man darf ja nicht vergessen: Ich war elf, als ich zum ersten Mal auf der Bühne stand. Wir waren immer ein Duo. Ich wusste gar nicht, wie das alleine funktionieren soll. Aber noch heftiger war für mich das Thema Fremdbestimmung.

Erzählen Sie bitte!

Das Buch heißt sei nicht umsonst „Sei einfach nur schön“. Ich war seit meinem elften Lebensjahr gewohnt, fremdbestimmt zu sein. Ich konnte gar nicht erwachsen werden und auf eigenen Beinen stehen. Und dann bricht das von jetzt auf gleich alles weg und man fragt sich: Wie soll es weitergehen? Ich habe mich gefragt: Wer bin ich? Was macht mich aus? Was ist mir wichtig? Welche Musik steht für mich?

Es gab wirklich eine Zeit, als ich gar nicht mehr an mich geglaubt habe, und da hat mein Mann zu mir gesagt: Ich sehe dich an und ich sehe eine wunderschöne Frau, die so viel kann – warum glaubst du nicht an dich? Wir haben uns dann hingesetzt und aufgeschrieben, was ich kann, was mich ausmacht, wer ich bin. Das war eine krasse Reise. Und es ist ein großes Thema im Buch, wie ich zu mir gefunden habe, wie aus „Sei einfach nur schön“ jetzt „Sei einfach du selbst“ geworden ist.

Das Buch „Sei einfach nur schön“ sei eine „etwas andere Autobiografie“, sagt Anita Hofmann.
Das Buch „Sei einfach nur schön“ sei eine „etwas andere Autobiografie“, sagt Anita Hofmann. | Bild: Molino-Verlag

Das ist aber nicht alles, oder?

Ich beschreibe in meiner Autobiografie auch die Höhen und Tiefen, die Licht- und Schattenseiten meiner Karriere. Dazu erzähle ich Anekdoten, die man so noch nicht kennt. Und ich gebe Antworten auf Fragen, die viele Menschen haben.

Ein großes Thema ist auch Ihre Gesundheit.

Ich bin durch meinen Job und durch den Erfolgsdruck krank geworden. Im Buch beschreibe ich, wie es mir als Betroffene ging – aber auch, wie ich da wieder herausgefunden habe. Es geht um Krankheiten, die es in unserer Gesellschaft sehr oft gibt. Und ich hoffe, dass das, was ich erlebt habe, vielleicht auch den Lesern helfen kann.

Welche Krankheiten meinen Sie?

Stressbedingte Krankheiten. Ich muss etwas weiter ausholen … Als Kind wurde ich Schneewittchen genannt. Scheinbar war ich ein sehr schönes Kind. Das Schönsein ist in unserem Beruf sehr wichtig. Dann kam noch die Fremdbestimmung dazu. Immer hieß es: „Sei einfach nur schön.“ Dann hatte ich in meinen 20ern Neurodermitis, diese Krankheit hat mich regelrecht entstellt. Die Schönheit ließ sich nicht mehr so einfach auf natürliche Weise herstellen. Ich musste mich stark schminken, das war eine Tortur.

Aber ich wollte das aufrechterhalten, was wir uns aufgebaut hatten, auch wenn es nicht einfach war. Das hat mehr Druck erzeugt. Ich habe alles probiert, um da rauszukommen. Was mir letztendlich geholfen hat, ist, dass ich etwas in meinem Kopf verändert habe. Das gilt auch für die Magersucht, in die ich durch die Fremdbestimmung gerutscht bin. Essen war bei mir für eine gewisse Zeit das Einzige, das ich noch selber bestimmen durfte. Aber auch da bin ich wieder rausgekommen. Letztendlich ist die Stimmung im Buch also positiv.

Anita (links) und Alexandra Hofmann standen mehr als 30 Jahre lang gemeinsam auf der Bühne – inzwischen treten beide solo auf.
Anita (links) und Alexandra Hofmann standen mehr als 30 Jahre lang gemeinsam auf der Bühne – inzwischen treten beide solo auf. | Bild: Guido Kirchner/dpa

Über die Magersucht haben Sie vorher nie gesprochen.

Das stimmt. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die jemanden kennen, der Magersucht hat. Mir ist wichtig, dass sie verstehen, was das für eine Krankheit ist, wo ihre Wurzel liegt und was in den Betroffenen vorgeht. Und ich will denjenigen, die in der Magersucht drinstecken, einen Anreiz geben, indem ich sage, was mir geholfen hat. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass es in meinem Leben wiederkehrende Muster gibt – dieses Hamsterrad musste ich durchbrechen.

Glauben Sie, wenn Ihre Karriere später begonnen hätte, sagen wir im Erwachsenenalter, wäre es Ihnen vielleicht anders gegangen?

Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich lange gebraucht habe, bis mir bewusst geworden ist, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind. Man erträgt einfach vieles sehr lange. Und manchmal braucht es einen tiefen Einschnitt, damit sich etwas verändert – so wie eine Krankheit, eine Trennung oder einen Todesfall. Irgendetwas, um endlich seinen Hintern zu bewegen.

Manchmal ist es eben einfacher, etwas zu ertragen als dagegen zu kämpfen. Ich habe gekämpft, für meine Ideen, für meine Wünsche. Aber wenn man nicht wirklich erwachsen werden konnte, ist das natürlich schwieriger, als wenn man schon erwachsen ist. Man darf auch nicht vergessen, dass ich schon während der Schulzeit über 200 Auftritte im Jahr hatte, danach über 300. Da gab es kein Privatleben. Ich will den Leuten die Möglichkeit geben, einfach mal hinter die Kulissen zu blicken und nicht nur die schönen Seiten so einer Karriere zu sehen.

Trotz allem, was passiert ist: Sind Sie gern Sängerin?

Musik hat mir immer Spaß gemacht und das war immer mein Antrieb. Wenn ich zurückblicke, muss ich sagen, dass ich wahnsinnig dankbar bin – für jede Erfahrung, die ich gemacht habe, auch für die schlechten. Wer hat das Leben schon so geballt vor sich liegen wie ich? Mein Mann hat immer mal wieder zu mir gesagt, er wäre gerne viel früher in mein Leben gekommen. Dann habe ich aber zu ihm gesagt, dass jede Erfahrung, die ich gemacht habe, und wenn sie noch so hart war, mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin.

Einfach war das sicher nicht, oder?

Ich sage Ihnen was: Ich hatte einen Aktenordner, auf dem „Krankheit“ stand. Irgendwann habe ich das Schild abgerissen und „Gesundheit“ draufgeschrieben. Ich sehe die Krankheit nicht als Strafe, sondern als Aufgabe, die ich zu lösen habe. Ich habe irgendwann aufgehört, gegen meine Krankheit zu kämpfen, und angefangen, für meine Gesundheit einzustehen. Diese Einstellung hat alles verändert.

Hadern Sie mit der Vergangenheit?

Nein, ich bin nie verbittert geworden. Ich bin auch kein Mensch, der durch eine rosarote Brille guckt. Ich sehe alles sehr realistisch. Und durch alles, was ich erlebt habe, habe ich etwas gelernt. Aber ich frage mich trotzdem jedes Mal, wenn mir irgendwas passiert: Was will mir das Leben damit sagen? Ich versuche, es mit Humor zu nehmen. (lacht)

„Voll auf Schlager“ heißt Anita Hofmanns neue Single. Im Mai kommt das Album.
„Voll auf Schlager“ heißt Anita Hofmanns neue Single. Im Mai kommt das Album. | Bild: Telamo

Wie würden Sie sich heute beschreiben?

Ich bin eine Schlager-Lady mit Herz und Feuer. Ich liebe Schlager. Ich wirke auf der Bühne ladylike, weil ich darauf achte, dass bei mir auch immer etwas Edles mit dabei ist, dass alles ein gewisses Niveau hat. Ich bin bodenständig und sehr emotional, deswegen das Herz. Und ich habe sehr viel Energie, daher das Feuer. Das ist sozusagen meine Schablone, das bin ich. Früher bin ich in den Spuren von anderen gelaufen, jetzt hinterlasse ich meine eigenen Spuren und bin bereit, Verantwortung zu tragen.

War das Schreiben des Buchs für Sie eine Art Therapie?

Eine Therapie war es nicht, die Therapie hatte ich da schon hinter mir. Das Leben war meine Therapie. Es hat mir in meinem Leben immer wieder Mut gemacht, wenn ich zu mir selber gesagt habe: Wenn ich es durch dieses Tal geschafft habe und irgendwann irgendjemandem dadurch helfen kann, dann hatte das alles einen Sinn für mich.

Haben Sie das Buch nun ganz allein geschrieben?

In der Tat hat es zuerst ein Ghostwriter geschrieben. Aber das waren zum größten Teil einfach nicht meine Worte und vieles hat auch nicht gestimmt. Also habe ich mich hingesetzt und vieles umgeschrieben. Ursprünglich war das Buch auch 15 Seiten kürzer. (lacht) Mein Mann ist Journalist, hat früher sogar auch für den SÜDKURIER gearbeitet, er hat dann alles in ein schönes Deutsch gebracht. Da er mich kennt wie kein anderer, war das für ihn natürlich auf der einen Seite leicht. Auf der anderen Seite gab es aber Dinge, die auch er noch nicht wusste.

Das hat uns letztendlich noch mehr zusammengeschweißt. Wir haben viel geredet, es war eine sehr intensive Zeit. Seit November gab es gefühlt eigentlich Tag und Nacht nichts anderes mehr als das Buch. Es war krass, das alles noch mal zu erleben, diese Reise zu mir selber. Mir ist erst dadurch bewusst geworden, wie viel ich schon erlebt habe. Ich merke, dass ich mit jeder Erfahrung gewachsen bin. Und ich bin stolz, dass ich nie aufgegeben habe.

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Wie man Sie kennt, haben Sie in diesem Jahr aber sicher noch einiges mehr vor, oder?

Es ist eine sehr spannende Zeit gerade, in der vieles fast gleichzeitig passiert. Mein Buch ist gerade erschienen, und meine neue Single „Voll auf Schlager“ – ein musikalisches Statement und ein kleiner Vorgeschmack auf mein neues Album, das am 24. Mai erscheint. Ich habe zwei Jahre daran gearbeitet und 95 Prozent der Songs selber mitgeschrieben. Außerdem gibt es viele Veranstaltungen, auf denen man mich und meine Musik live erleben kann.

Zum Beispiel auch in der Region, in Überlingen, direkt am Bodensee-Ufer. Dort gibt es am 13. Juli das Schlager-Beach-Festival. Wir machen im Uferpark eine tolle Schlagerparty. Außer mir sind dort auch meine Kollegin Anna-Carina Woitschack und der Sänger Vincent Gross. Das wird sicher ein großartiges Open Air, zudem auch viele meiner Fans anreisen werden. Das wiederum nehme ich zum Anlass, um tags darauf bei Überlingen mein diesjähriges Fanclub-Treffen zu feiern.

Fällt es Ihnen eigentlich leicht, jetzt allein zu singen?

Es ist in der Tat ein Unterschied, ob man alleine singt oder zu zweit. Ich habe deshalb auch wieder Gesangsunterricht genommen. Das hilft gut, gewisse stimmliche Lücken zu schließen, wie man auch auf meinem neuen Album hören wird. Musik macht mir sehr viel Spaß. Von mir wird noch viel kommen, wie allein meine letzte Single „Wir fangen gerade erst an“ eindrucksvoll verkündet. Ich freue mich auf alles, was noch passieren wird.