Sang- und klanglos, ohne Zimbeln und Klampfen, rutschten die Kirchen im März in den Lockdown. Er erwies sich als Vorhölle. Sie setzten brav die Regeln um. Das eilige Mitlaufen damals ist ihnen nicht gut bekommen. Ihre Standfestigkeit wurde bezweifelt. Auch digitale Angebote konnten das nicht gutmachen. Gott liebt offenbar die leibliche Präsenz, den fleischlichen Menschen, der in seiner Größe und seinem Elend vor ihm sitzt, kniet.
Daraus haben die Verantwortlichen in der evangelischen und der katholischen Kirche gelernt. Jetzt, beim zweiten großen Stillstand, weichen sie nicht und haben dafür gute Argumente. Die religiöse Feier des Weihnachtsfestes ist nicht eine beliebige Hauptversammlung oder eine Glühweinparty. Es bildet neben Ostern das zentrale Fest der Christen, für viele sogar das wichtigste. Sich an diesen Tagen zu versammeln, ist Selbstvergewisserung.
Im Übrigen werden an keinem anderen Ort die Vorschriften so penibel eingehalten wie in den Kirchen. Die Abstände sind groß, die Kontrollen eng. Mit Mundschutz und ohne das Singen der Weihnachtslieder treffen sich Menschen unter freiem Himmel oder in der Kirche.
Kirchen sind existenzrelevant
Daran kann man kaum Anstoß nehmen, denn religiöse Gründungsfeste sind relevant. Nicht systemrelevant wie ein Krankenhaus oder ein Bäcker, aber auf andere Weise wertvoll: Sie sind existenzrelevant, sie spenden also jene unsichtbaren Dinge, die kein Amt und keine Bäckerei geben können. Trost, Sinn, Horizont. Das hält Leib und Seele in dürftiger Zeit zusammen.