Claudia Salzmann-Eltermann

Die Geburt eines Babys ist ein Moment des Über-sich-Hinauswachsens und der Urkräfte – den Doulas wie eine Freundin auf Zeit begleiten. Der Name ist abgeleitet von „Doulaya“, dem altgriechischen Wort für Dienerin. „Ich sehe mich als vertraute Person, die Mütter und auch Väter unterstützt“, sagt Doula Madelaine Boege aus Bohlingen am Bodensee. Die 52-Jährige begleitet Schwangere vor, während und nach der Geburt. Sie erinnert die Frauen an etwas, das so alt ist wie das Bestehen der Menschheit: ihre Gebärkraft.

Das Wissen darum wurde früher von Frau zu Frau weitergegeben – in den Höhlen der Urzeit und bis in die deutsche Nachkriegszeit hinein, als die Kinder noch zu Hause geboren wurden, die Schwangeren eingebettet in einer Großfamilie lebten.

Der Austausch steht im Mittelpunkt

Eine Doula ersetzt keine Hebamme, keinen Arzt. Sie steht schlicht für das, was sich früher von allein ergab, wenn man auf engstem Raum zusammenlebte: Austausch mit erfahrenen Frauen und Müttern. Vielleicht, sagt Boege, hören wir heute auch zu viele negative Geburtsgeschichten. Aus Fürsorge wurde Angst. „Geburten können schön sein“, betont die ausgebildete Doula. „Und es ist nicht egal, wie wir geboren werden“, ergänzt sie und zitiert dabei Michel Odent, Arzt und Verfechter der natürlichen Geburt.

Gebären, das klingt einfach. Schließlich sind wir alle einmal geboren worden. Gleichzeitig ist um werdende Mütter und Eltern fast eine Art Service-Industrie entstanden. Nicht nur ausgebildete Hebammen, sondern auch Still- oder Trageberaterinnen oder Fit-mit-Baby-Trainerinnen bieten Betreuung oder Kurse an. Ausgebildete Doulas ergänzen das Angebot von Hebammen – aber ohne deren medizinische Verantwortung.

Das schürt oft Skepsis. Gleichzeitig wird das Gesundheitswesen zentralisiert, viele kleinere Kreißsäle schließen, wie 2017 in Radolfzell. Die Taktung in Kliniken verdichtet sich und es herrscht Hebammen-Mangel. Geburten brauchen Zeit. Aber Zeit kostet Geld.

Einen kleinen Menschen auf die Welt zu bringen, ist für Frauen ein überwältigendes Ereignis. Doulas liefern dabei vor allem emotionale ...
Einen kleinen Menschen auf die Welt zu bringen, ist für Frauen ein überwältigendes Ereignis. Doulas liefern dabei vor allem emotionale Unterstützung. | Bild: Fabian Strauch/dpa

Laut dem Statistischen Bundesamt kommt heute fast jedes dritte Baby in deutschen Krankenhäusern per Kaiserschnitt auf die Welt. Über die vergangenen 30 Jahre betrachtet, hat sich der Anteil dieser Eingriffe fast verdoppelt. Deutschland liegt damit im oberen Drittel der 26 OECD-Staaten, hinter Italien, Polen und an der Spitze die Türkei mit 50 Prozent Kaiserschnittgeburten.

Wäre die Situation nicht so prekär, bedürfte es vermutlich keiner Doulas. Diese Theorie bestätigt auch Frederike Bohl, Hebamme aus Allensbach. Bei Hausgeburten, auf die sie sich spezialisiert hat, gibt es sie noch, die Eins-zu-eins-Betreuung. Oder bei freien Beleghebammen, die an wenigen Standorten Frauen in die Klinik begleiten können.

Rund um die Uhr in Bereitschaft

Der Deutsche Hebammenverband oder Vereine wie „Mother Hood“ setzen sich dafür ein. „Aber weil die Personaldecke in vielen Kreißsälen sehr dünn geworden ist und Hebammen dort meist mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen müssen, können Doulas deren Arbeit ergänzen. Der medizinische Bereich obliegt aber per Gesetz der Hebamme“, ergänzt Bohl.

„Der Beginn so einer Doula-Begleitung ist meistens bei einem Treffen in einem Café. Später besuche ich die Frauen auch zu Hause. Wir nehmen uns viel Zeit, über Wünsche oder Ängste zu sprechen – und diesen mit Wissen zu begegnen“, beschreibt Madelaine Boege. Vier Wochen um den errechneten Geburtstermin ist sie rund um die Uhr in Rufbereitschaft. In dieser Zeit bleiben die Frauen im Austausch und wenn die Geburt beginnt, steht die Doula-Tasche längst griffbereit.

Gepackte Doula-Tasche: Darin liegen stets bereit Hilfsmittel wie ein Fächer, ein Geburtsbuch, Ölfläschchen und Socken.
Gepackte Doula-Tasche: Darin liegen stets bereit Hilfsmittel wie ein Fächer, ein Geburtsbuch, Ölfläschchen und Socken. | Bild: Claudia Salzmann-Eltermann

Die Grundlage der deutschen Doula-Bewegung und deren Vorbild aus den USA seien eindeutige Forschungsergebnisse, betont der Verband „Doulas in Deutschland“. Verschiedene Studien würden „positive Auswirkungen durchgehender Geburtsbegleitung“ belegen: leichtere, kürzere Geburten, weniger medizinische Interventionen, zufriedenere Frauen und eine höhere Stillquote.

Doulas sind einfach nur da, hören zu, ermutigen und unterstützen. Das aktive Nichtstun falle vor allem Ärzten oft schwer, sagt Boege. Dabei sollten immer die Bedürfnisse der Gebärenden im Mittelpunkt stehen. Boege hofft daher darauf, dass Kliniken und Hebammen zunehmend aufgeschlossener auf ihre Arbeit reagieren.

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„Ich wünsche allen Frauen eine selbstbestimmte, kraftvolle und positive Geburtserfahrung. Auch ein Kaiserschnitt kann von der Gebärenden als ein positives Geburtserlebnis erfahren werden, wenn sie dabei würdevoll behandelt und in die Entscheidung einbezogen wurde“, erklärt Boege. „Feine Impulse, ein Lob oder ein ermutigender Blick können entscheidend stärken.“ Umgekehrt können selbst ein grobes Wort oder eine kleine übergriffige Handlung als Gewalterfahrung wahrgenommen werden.

Traumatische erste Geburt

Auch Natalie aus Villingen-Schwenningen überlegt sich, für ihre zweite Schwangerschaft eine Doula hinzuzuziehen. Einfach, um eine „Vermittlerin“ an ihrer Seite zu wissen. Ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen. Zu sehr kämpft sie noch mit für sie persönlich traumatischen Erfahrungen bei der Geburt ihrer ersten Tochter am früheren Wohnort.

Lange, gefühlt viel zu lange, wartete sie allein unter heftigen Wehen auf den Zugang zum überfüllten Kreißsaal. Ihr Mann war überfordert, das Klinikpersonal überlastet an jenem Tag. Dann musste alles schnell gehen. Den Eingriff mit der Saugglocke hat sie als übergriffig empfunden.

Doulas wie Madelaine Boege möchten Gebärende ermutigen, stärken. Darum hat Boege selbst Mut gefasst, nach vielen Jahren ihren Beruf als Lehrerin aufzugeben und sich 2017 als Doula selbstständig zu machen. Ihre Ausbildung hat sie in der Schweiz absolviert. Mittlerweile bildet sie dort auch aus.

Doulas sind keine moderne Erfindung. Aber in einer Zeit, in der Geburten oft strukturell fremdbestimmt stattfinden, erscheinen sie wie eine Revolution von unten. Organisierte, erfahrene Mütter, die Gebärenden dienen wollen – in einem Moment der Urkraft.