Immer dann, wenn die Ansage der Rennleitung „mixed conditions“ lautet, herrschen bei Motorsportlern gemischte Gefühle vor. Die einen sehen auf nasser Piste die Chance, ihr fahrerisches Können zu zeigen, und trotz unterlegenem Material endlich mal nach vorn zu kommen. Die anderen fürchten den Blindflug und dessen Konsequenzen. Während die Formel 1 am Samstag im verregneten Spielberg ein als „Wet and Wild“ betiteltes Action-Drama lieferte, starb am gleichen Tag auf der Berg- und Talbahn von Spa-Francorchamps der erst 18 Jahre alte Nachwuchsfahrer Dilano van‘t Hoff in einem Rennen der Formula Regional Europa.
Auf einem Zuschauer-Video ist die tödliche Karambolage nur verschwommen zu sehen, die offiziellen Rennbilder zeigen selbst dann noch wenig mehr als Gischt, als das Rennen längst abgebrochen ist. Wolkenbruch in den Ardennen, das bedeutet prinzipiell: Nahezu unfahrbar, weil zu gefährlich.
Fahrer vor sich selbst schützen
In Eau Rouge, der Kurve vor dem Abschnitt, der dem Niederländer zum Verhängnis wurde, scheiden sich nach einer alten Fahrerlagerweisheit die Buben von den Männern. So lange nichts passiert, klingt das cool. Nach diesem Wochenende klingt es dumpf. Und die Rennleitung in Belgien hat eine pädagogische Aufgabe offenbar ignoriert: Manchmal muss man Rennfahrer vor sich selbst schützen.
Zumal auf der anspruchsvollen Piste von Spa, wo selbst die kleinen Formel-Autos zwischen 240 und 300 km/h schnell werden können, die Gefahr höher ist als anderswo. Vor vier Jahren ist nur ein paar hundert Meter von der Bergaufpassage, die van‘t Hoff zum Verhängnis wurde, der Franzose Anthoine Hubert bei einem sehr ähnlichen Unfall ums Leben gekommen, allerdings im Trockenen. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden danach erhöht, aber was ist am Limit schon sicher?
Die Geschehnisse von Spa haben Auswirkungen auf die Formel 1, die Ende Juli ihren Großen Preis von Belgien fährt. Nicht nur, weil Serienchef Stefano Domenicali sofort zu einer Schweigeminute bat. Auch in der Königsklasse gab es mit Jules Bianchi 2014 den letzten Toten nur, weil damals in Suzuka ein Rennen unbedingt zu Ende gebracht werden sollte, das wegen der Wassermassen und Sichtverhältnisse auch abgebrochen gehört hätte.
Alonso warnt vor Regenrennen
Formel-1-Routinier Fernando Alonso warnt generell: „Das große Problem bei Regenrennen ist die Sicht. Auf bestimmten Strecken siehst Du überhaupt nichts, es ist unmöglich zu erkennen, ob sich ein Hindernis auf der Straße befindet. Wir fordern das Schicksal heraus. Deshalb fordert der Spanier indirekt ein Verbot von Regenrennen, auch wenn die Formel 1 demnächst verbesserte Kotflügel testet: „Wir können es uns nicht leisten, dass sich ein derartiger Unfall wiederholt.“
Im Spätsommer 2021 musste der Grand Prix in Spa nach ein paar Alibi-Runden hinter dem Safety-Car abgebrochen werden und trug entscheidend zum Titelgewinn von Max Verstappen bei. Jenem Landsmann, dem Dilano van‘t Hofft unbedingt nacheifern wollte. Elmar Brümmer