Wenn Profis weinen, haben sie gerade ein wichtiges Spiel verloren; manchmal vergießen sie auch Freudentränen. Joshua Kimmich macht nicht den Eindruck, als sei er nah am Wasser gebaut. Seine Aussagen sind klar in der Sache und stets nüchtern vorgetragen. In der Langzeit-Doku „Anführer und Antreiber“, die das ZDF am sehr späten Samstagabend ausgestrahlt hat, zeigt Autor Jan Mendelin den vierfachen Vater von einer anderen Seite. Das gilt besonders für ein während der Pandemie geführtes Videogespräch, als Kimmich die Stimme versagt und er das Interview unterbricht. Die meisten Fußballfans werden die im Oktober 2021 geführte „Impfdebatte“ rund um den 29 Jahre alten Bayern-Star längst vergessen haben; er selbst sicher nicht.

Ronaldo posiert mit jungem Flitzer

Dass auch Topstars nur Menschen sind, ist eine Binsenweisheit, die aber gern in Vergessenheit gerät, weil Vereine und Verbände stets darum bemüht sind, ein makelloses Bild zu vermitteln. Deshalb achtet die Uefa als Veranstalter der Euro 2024 tunlichst darauf, den Flitzern keine Bühne zu bieten. Dass Cristiano Ronaldo mitten im Spiel einem Jungen lächelnd ein gemeinsames Foto gewährt, ist da zwar kontraproduktiv, aber sympathisch.

Cristiano Ronaldo freut sich über einen jungen Fan, der einen Schnappschuss mit seinem Idol haben will.
Cristiano Ronaldo freut sich über einen jungen Fan, der einen Schnappschuss mit seinem Idol haben will. | Bild: KENZO TRIBOUILLARD/AFP

Hin und wieder bekommt das schöne Bild jedoch Risse, weil sich jemand nicht an die Regeln hält; so wie ZDF-Experte Christoph Kramer, der sich darüber ärgerte, dass bestimmte Medien immer wieder Zitate aus dem Zusammenhang reißen, weil das bei Instagram viele Clicks verspricht. Auch dafür liefert die Kimmich-Doku einen Beleg: Er habe nie gesagt, dass er nicht als rechter Verteidiger auflaufen wolle; er selbst sehe sich halt eher als Sechser.

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Manchmal ist es auch einfach nur witzig, wenn die Dinge ein bisschen außer Kontrolle geraten: Vor dem Spiel gegen die Schweiz schnorrte sich Bastian Schweinsteiger auf dem Weg in den Mittelkreis beim deutschen Team einen Kaffee und beantwortete anschließend die erste Frage von Esther Sedlaczek nicht ins Mikro, sondern in den Becher. Andere Fehler während der EM-Berichterstattung waren eher peinlich als lustig: Vor einem Spiel der Ukraine zeigte MagentaTV eine Karte des Landes, auf der die Krim fehlte.

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Immerhin kommt die EM anders als die WM in Katar ohne lästige Nebengeräusche aus (vom Bahn-Fiasko und dem erbärmlichen Zustand des Frankfurter Rasens mal abgesehen), aber angesichts des Krieges in der Ukraine bemühen sich die Männer und Frauen an den Mikrofonen, auf einen martialischen Sprachgebrauch zu verzichten. Das klappt nicht immer, weil unschöne Begriffe wie „Abnutzungskampf“ (Claudia Neumann) längst Teil der Fußballsprache sind. Auch „Spielermaterial“ ist so ein Unwort, weshalb es umso bemerkenswerter war, als ZDF-Moderator Jochen Breyer Kramer bat, den Begriff nicht mehr zu verwenden.

Lea Wagner sticht heraus

Zum Glück gibt‘s Lea Wagner. Die „Sportschau“-Moderatorin, in irgendeiner Boulevardpostille garantiert bereits zum „schönsten Gesicht der Europameisterschaft“ gekürt, ist die Frau fürs Herz. Wenn sie im „Ersten“ ein Interview führt, fallen regelmäßig Fragestellungen wie „Was macht das mit Ihnen?“ oder „Wie fühlt sich das an?“. Früher galten solche Fragen als verpönt, aber früher sind die Profis nach dem Schlusspfiff auch noch nicht mit ihren Kindern über den Platz getollt. Die Kimmich-Doku gewährt ebenfalls sehr sympathische Einblicke ins Familienleben; sie steht in der ZDF-Mediathek.