Der Vater eines Spielers brüllt den Schiedsrichter an: „Es geht hier um die Meisterschaft. Ist dir das schon klar, du Pfeife?“ Er ist sich sicher, dass sein Sohn einen Freistoß zugesprochen bekommen muss – nachdem zwei 10-jährige Kicker bei dem E-Jugend-Duell zuvor einen Zweikampf führten.
Bei diesem kam es zum Pressball, beide Spieler gingen zu Boden, weinten vor Schmerzen. Der jugendliche Unparteiische unterbrach zwar, wirkte aber ratlos und überfordert. Welche Entscheidung soll er treffen?
Er ist kein ausgebildeter Unparteiischer, leitet die Begegnung im Auftrag seines Heimatclubs – wie in dieser Altersklasse üblich. Die restlichen Zuschauer bleiben ruhig, haben wohl nicht genau gesehen, ob einer der Spieler ein Foul begangen hat. Bis eben auf den Vater, der seine Emotionen nicht im Griff hat.
Ergebnis für viele Trainer und Eltern wichtig
Szenen wie diese erleben Jugendtrainer immer wieder. Selbst bei E-Jugendspielen, also bei Partien mit Kindern zwischen acht und elf Jahren. Ist das Ergebnis und eine Meisterschaft in diesem Alter wirklich so wichtig? Für viele Trainer und Eltern von Spielern schon, auch für einige Kinder selbst. Nicht aber für den Südbadischen Fußballverband.
Der SBFV beschäftigt sich seit Jahren damit, den Kinderfußball zu modernisieren. Mehr Ballaktionen für die Spieler, mehr Erfolgserlebnisse: Unter dem Motto „Vom Kind aus gedacht“ haben sich in den vergangenen Jahren schon Veränderungen bei den jüngsten Kickern (G- und F-Jugend) etabliert, zur neuen Saison ist die E-Jugend betroffen, bald soll sich auch in der D-Jugend etwas tun.
Veränderungen bei der E-Jugend
„Im Kinderfußball ist uns enorm wichtig, dass es allen Spielern, die Spaß an der Sportart Fußball haben, ermöglicht wird, sich weiterzuentwickeln“, sagt Tobias Barth, der beim Südbadischen Fußballverband für den Bereich Kinder- und Jugendfußball zuständig ist.
Dass die Feldgröße in Verbindung mit der Spieleranzahl eines Teams nun angepasst wird und es statt den üblichen Duellen zur neuen Saison Vierer-Spieltage gibt, sei kein Rückschritt: „Da gab es teilweise zunächst Gegenwind von Vereinen, weil Dinge missverstanden wurden. Der Vorteil wird nun sein, dass alle Spieler involviert sind, Ballaktionen haben und auf ausreichend Spielzeit kommen“, erklärt Barth, der dennoch Verständnis für die Skepsis einiger Clubs zeigt.

Zum einen, weil Neuerungen immer erst einmal Anstrengungen erfordern würden. Und weil er den Mehraufwand der Vierer-Spieltage gar nicht absprechen möchte. Bisher gab es ein Feld mit zwei Toren, nun sind es vier Felder mit in Summe zwölf Toren.
„Wir stärken die Breite“
„Wir sind aber der festen Überzeugung, dass sich das lohnt, weil wir die Breite brutal stärken. Viele Spieler haben im Sieben-gegen-Sieben nur selten den Ball, weil sie erst angefangen haben mit dem Fußball oder nicht so talentiert sind. Da hören dann Kinder auf, weil sie nicht gefördert und gefordert werden“, sagt Barth und ergänzt: „In diesem Altersbereich wollen wir allen Kindern die Möglichkeit geben, Fußball lieben zu lernen.“
Jérôme Ernsberger ist Jugendleiter beim BSV Nordstern Radolfzell, wo er zudem als Trainer in der Jugend aktiv ist. Er versteht die Argumentation des Verbandes in Sachen Spielzeit und Möglichkeiten für die Spieler, sieht die Neuerungen in der E-Jugend wie viele andere Funktionäre trotzdem kritisch.
„Für die Vereine erhöht sich der Organisations-Aufwand. Für die Spielfelder brauche ich mehr Trainer“, sagt der gebürtige Tettnanger. Zudem müssten die Vereine für die Spieltage zusätzlich Eltern mobilisieren für den Verkauf von Getränken und Snacks, um die Mannschaften sowie Zuschauer angemessen zu verpflegen.
Eine Schattenliga?
Ernsberger befürchtet auch, dass sich eine Schattenliga bilden könnte, „weil die Kinder und Trainer wenig Lust haben, ausschließlich bei den Spieltagen mitzumachen“, vermutet er.
Weil es bald keine E-Jugend-Tabellen mehr gibt? „Das stimmt ja so nicht ganz. Es gibt nicht mehr die End-Tabelle, aber nach wie vor werden Staffeln eingeteilt. Und am Spieltag werden auch die Ergebnisse notiert, damit man wie bisher schon praktiziert für die Rückrunde neu einteilen kann“, erklärt Barth.
Zudem gebe es nun die Möglichkeit für Trainer, schon vor der Saison das eigene Team in eine Leistungsklasse einzuteilen: Sehr erfahren, normal oder unerfahren. Verhindert werden sollen damit Ergebnisse wie ein 21:0, die weder beim Gewinner noch beim Verlierer eine fußballerische Weiterentwicklung bewirken.
Übergangsjahr im Schwarzwald
Was es aber eben nicht mehr geben wird: Meister! „Das ist ganz bewusst so“, sagt Barth. Doch was wird dann aus ambitionierten Jugendtrainern? „Wenn du wettkampforientiert arbeiten willst, dann musst du eine C-, B-, oder A-Jugend übernehmen. In der E-Jugend geht es darum, die Fußball-Basics und soziales Miteinander zu vermitteln.“
Wie Barth informiert, werden die Neuerungen am Bodensee bereits zur neuen Saison umgesetzt. Auch am Hochrhein greift die Reform in der kommenden Spielzeit. Im Bezirk Schwarzwald gebe es ein Übergangsjahr, teilweise wird im älteren Jahrgang also noch im Sieben-gegen-Sieben gegeneinander gespielt. Eines steht aber schon jetzt fest: Für Tobias Barth, Jérôme Ernsberger und alle, die mit E-Jugendfußball in Südbaden zu tun haben, wird es eine spannende Zeit.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, es werde künftig drei Mal acht Minuten gespielt. Tatsächlich beträgt die Spieldauer in Zukunft zwei Mal acht Minuten. Die Reformen greifen ab kommender Saison auch am Hochrhein – und nicht nur am Bodensee. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.