Die IG Metall spricht von einem "schwarzen Tag" für Alno: Der insolvente Küchenbauer kann einen großen Teil seiner Beschäftigten nicht mehr bezahlen und stellt 400 Mitarbeiter frei. Alno kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. In den letzten Jahren ging es vor allem in eine Richtung: abwärts. Ein Rückblick.

 

 

  • Der Börsengang: 1995 ging Alno an die Börse. Die Aktie wurde für 59 Deutsche Mark ausgegeben.
  • Arbeitsplatzabbau: Ende der 90er-Jahre arbeiteten noch 2300 Menschen in Pfullendorf. In einer ersten Entlassungswelle wurden 1998 über 350 Arbeitsplätze abgebaut.
  • Drohende Insolvenz: 2002 stand Alno kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Im Restrukturierungs-Programm „Futura“ wurden weitere 180 Arbeitsplätze gestrichen. Die Aktie fiel auf 1,19 Euro.
  • Zarte Hoffnung: Nach sieben Jahren Verlust erwirtschaftete Alno 2004 wieder Gewinne (3,7 Millionen Euro).
  • Neue Konzernzentrale: Der neue Chef Jörg Deisel kündigte 2009 an, die Konzernzentrale nach Düsseldorf zu verlegen. Hunderte Arbeitsplätze sollten inPfullendorf wegfallen. Alno-Mitarbeiter und die Stadt protestierten.
  • Rückkehr nach Pfullendorf: Nach internen Differenzen über den Kurs des Unternehmens wird Max Müller zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Dieser verlegte den Sitz 2011 wieder zurück nach Pfullendorf.
  • Die Ära Hastor: Im Oktober 2016 kündigt die umstrittene bosnische Industriellenfamilie Hastor an, bei Alno einzusteigen. Im Verlauf der kommenden Monate sichert sie sich über ihre Firma Tahoe Investors direkt und indirekt rund 40 Prozent an dem Pfullendorfer Küchenbauer.
  • Insolvenz: Mitte Juli 2017 meldet Alno beim Amtsgericht in Hechingen Insolvenz an.
     Zunächst will sich das Unternehmen in Eigenregie sanieren, das heißt, das bestehende Management bleibt an Bord.
  • Rolle rückwärts: Alno macht im August die Rolle rückwärts und beantragt beim Amtsgericht Hechingen, die angeordnete Eigenverwaltung im vorläufigen Insolvenzverfahren aufzuheben. Martin Hörmann von der Kanzlei Anchor wird zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
  • Ausverkauf: Alno verkauft im Oktober mit seiner Konzern-Marke Pino sein Tafelsilber. Wenig später werden bei der Tochterfirma Wellmann 400 Mitarbeiter frei gestellt. 

 

Ein schwarzer Tag für Alno

Von einem "bitteren Tag für Pfullendorf" sprach Insolvenzverwalter Martin Hörmann, als er am Montagmorgen am Alno-Stammsitz Pfullendorf den 550 verbliebenen Beschäftigten verkündete, dass 400 von ihnen freigestellt werden. Bis auf ein Kernteam für den Investoreprozess und insolvenzspezifische Aufgaben und die Auszubildenden sind alle Mitarbeiter ab dem heutigen Dienstag freigestellt. In seinen Hochzeiten in den 90er Jahren beschäftigte der Küchenmöbelhersteller, der in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen feiert, im Linzgau rund 2300 Mitarbeiter.

Die Agentur für Arbeit richtet heute im Unternehmen mehrere Beratungsstände ein, an denen sich die Mitarbeiter arbeitslos melden können. Kurzfristig werde man mit dem Betriebsrat Gespräche über einen Sozialplan und Interessenausgleich aufnehmen, die noch im Oktober abgeschlossen sein sollen. Mehrfach betonte der Insolvenzverwalter, dass die Freistellung keine Kündigung bedeute. "Wir können keine Löhne und Gehälter mehr zahlen", nannte er im SÜDKURIER-Gespräch den alles entscheidenden Grund für die dramatische Maßnahme, auch weil eine erhoffte Brückenfinanzierung am Wochenende scheiterte.

Kampf um Investor geht weiter

"Wir werden weiter um einen Investor kämpfen", ergänzte Hörmann, dass man immer noch Gespräche mit ernst zunehmenden Interessenten für Alno führe, die sich in der entscheidenden Phase befänden. Um welche Investoren es sich handelt und wie lange noch Zeit für Verhandlungen ist, wollte Hörmann nicht sagen, aber klar sei, dass man irgendwann eine Entscheidung treffen und möglicherweise offen und ehrlich erklären müsse, dass es keine Lösung gebe.

Den Hauptgrund für den sich dramatisch beschleunigenden Niedergang von Alno sieht der Jurist in den "Fehlern der Vergangenheit", genauer gesagt in der seit Jahresbeginn großen Zahl an fehlerhaft ausgelieferten Küchen, durch die das Vertrauen des Marktes verloren ging. Man werde die Entscheidungen der Vergangenheit wegen möglicher Regressansprüche juristisch aufarbeiten, kündigte Hörmann an, was für die aktuelle Situation aber keine Rolle spiele.

Betriebsrätin: "Es ist furchtbar"

Die Stimmung bei der gestrigen Betriebsversammlung war nach Angaben der Betriebsratsvorsitzenden Waltraud Klaiber sehr bedrückend. "Es ist furchtbar", sagt sie. Bis zuletzt sei versucht worden, neue Geldgeber zu finden. Sie bestätigte, dass Betriebsrat und IG Metall noch diese Woche Gespräche wegen des Sozialplans aufnehmen werden, wobei der Insolvenzverwalter diese Verhandlungen bis Monatsende abschließen will. "Das ist eine große Sauerei, das haben wir nicht verdient", nennt Klaiber die Managementfehler der Vergangenheit als alles entscheidenden Grund für den Niedergang.

"Das war absehbar und die Freistellung unabwendbar", erklärte ein langjährig Beschäftigter. Man habe in den vergangenen Wochen tatenlos in den Büros und Werkhallen herumgesessen. Mit fünf Kollegen genehmigte er sich ein Frustbier, wobei er und zwei weitere jüngere Beschäftigte schon einen neuen Arbeitsplatz haben, während die anderen drei älteren Kollegen, nicht wissen, ob sie wieder einen Job finden. Nach ihren Angaben haben in den vergangenen Wochen rund 15 Prozent der Mitarbeiter gekündigt. Sie selbst befinden sich in der kuriosen Situation, dass Insolvenzverwalter Hörmann erklärte, dass er in den nächsten drei Monaten keine fristlose Kündigung annimmt.

"Das heißt, dass der Staat, sprich die Agentur für Arbeit, mir drei Monate Geld zahlt, auch wenn ich morgen irgendwo anfangen könnte", erklärt ein Betroffener. Für Hörmann ist hingegen entscheidend, dass ein möglicher Investor schnellstmöglich die seit Wochen ruhende Produktion wieder aufnehmen kann und dazu benötige er eine Belegschaft.

Bürgermeister Kugler reagiert schockiert

"Ich bin absolut schockiert", entfuhr es Bürgermeister Thomas Kugler angesichts der Katastrophenmeldung. In den vergangenen Wochen habe es bezüglich des Investorenprozesses durchaus positive Signale gegeben und deshalb habe er der gestrigen Mitarbeiterversammlung recht zuversichtlich entgegen gesehen. "Diese Nachricht ist ein richtiger Schlag in die Magengrube", verhehlt der Rathauschef seine Enttäuschung und die Sorge um das Schicksal der vielen hundert Betroffenen nicht.

Am Aktienmarkt kam die Freistellung der Alno-Mitarbeiter offenbar besser an. Gestern stieg die Alno-Aktie immerhin auf sechs Cent. In der Vorwoche war sie noch auf einen Tiefpunkt von vier Cent gefallen. Doch für alle Beteiligten ist das nur ein schwacher Trost.