Allein der Gedanke an das Jahr 2027 treibt so manchem Firmeninhaber die Schweißperlen auf die Stirn. In dem Jahr macht die EU ernst in Sachen Energiewende und stellt ihren Emissionshandel scharf. Für Unternehmen und Haushalte bedeutet das, dass sie für fossile Brennstoffe wahrscheinlich deutlich mehr bezahlen müssen. Gas fürs Heizen oder Diesel für den Fuhrpark werden erheblich teurer werden. Je nach Rechnung könnte der Preis für den Liter Diesel oder Heizöl mittelfristig um knapp 40 Cent steigen. Bei Gas sieht es ähnlich aus.

„Wenn Energie teurer wird, ernten wir, was wir gesät haben“

Alexander Theinert lässt das alles kalt. Selbst bei sommerlich heißen Außentemperaturen sieht er der kommenden Umstellung Europas auf grüne Energien gelassen entgegen. Er sehnt das Datum fast sogar schon herbei. Denn es wird der Tag sein, an dem sich seine jahrelangen Anstrengungen, nachhaltig und ökologisch zu wirtschaften, endlich auszahlen werden: „Dann ernten wir, was wir gesät haben“, sagt er.

Alexander Theinert vor einer Wiese auf seinem Werksgelände. Im Hintergrund steht das firmeneigene Windrad. Es ist als „Kunstwerk“ mit ...
Alexander Theinert vor einer Wiese auf seinem Werksgelände. Im Hintergrund steht das firmeneigene Windrad. Es ist als „Kunstwerk“ mit angegliederter Stromproduktion deklariert. | Bild: Rosenberger, Walther

Als Chef des Blech- und Schweißspezialisten Belenus aus Bad Dürrheim ist Theinert in Personalunion auch Öko-Querdenker. Als andere noch in der Welt des billigen Öls und Gases schwelgten, hatte ihn schon längst das ungute Gefühl überkommen, dass es so nicht weitergehen werde. Also machte er sich daran, seine Vision umzusetzen. Und die lautet: Einen Industrie-Betrieb zu führen, ohne fossile Energieträger zu nutzen.

Investitionen in Elektrolyseur, Solaranlage, neue Maschinen

Dafür hat er sich ziemlich ins Zeug gelegt. Er hat radikale Maßnahmen ergriffen, um Energie in seinem Betrieb effizienter einzusetzen, er hat zwei Riesen-Wärmepumpen und Speicher installiert, ein Windrad errichtet und produziert seit neuesten seinen eigenen grünen Wasserstoff im Hof.

Mit einem Elektrolyseur, wie er in der Region weit und breit nirgends zu finden ist. Nicht für alle seine Projekte haben die Behörden grünes Licht gegeben. „Ich hab‘s trotzdem durchgezogen“, sagt Theinert.

Theinerts Umdenken in Sachen Nachhaltigkeit setzte schon vor Jahren ein, eher aus rein wirtschaftlichen Gründen. „Ich bin Schwabe und will Geld sparen“, sagt er. Als Russland im Jahr 2009 der Ukraine den Gashahn zudrehte, daraufhin auch im Westen weniger Gas durch die Pipelines strömte und in der Folge die Preise in die Höhe schossen, habe er erkannt, dass die Zeit fossiler Brennstoffe ablaufe. Außerdem hatte er das Gefühl, dass die Energieversorgung unsicherer werden könnte und dachte sich: „Dann mache ich meine Energie eben selbst.“

Belenus-Geschäftsführer Alexander Theinert steht vor seinem Wasserstoffauto. 550 Kilometer Reichweite und getankt wird an der eigenen ...
Belenus-Geschäftsführer Alexander Theinert steht vor seinem Wasserstoffauto. 550 Kilometer Reichweite und getankt wird an der eigenen H2-Tankstelle. | Bild: Rosenberger, Walther

Damals begann er, sein Unternehmen auf links zu drehen und den gesamten Fertigungsprozess, die IT und den Fuhrpark auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien umzustellen. Immer Schritt für Schritt, um die finanzielle Belastung in Grenzen zu halten, aber ohne in der Mitte anzuhalten. Nur hin und wieder halfen Land oder Bund mit etwas Förderung aus.

Konkurrenz hat ihn belächelt

„Unseren Strombezug aus dem öffentlichen Netz haben wir seit damals um mehr als 90 Prozent gesenkt“, sagt der 63-jährige Unternehmer sichtlich stolz. Das, was man noch brauche, komme von einer örtlichen Energiegenossenschaft und von einem Rheinwasserkraftwerk.

Zwar half ihm, dass sein Unternehmen über die Jahre die Produktion zurückgefahren und auch Mitarbeiter abgebaut hatte, trotzdem sagt er, die Effizienzgewinne beim Energieeinsatz seien enorm.

40.000 Liter Heizöl gespart – jedes Jahr

Dafür sorgt beispielsweise eine große Solaranlage, die das komplette Werksdach ausfüllt. Ihr Strom beschickt zwei Großwärmepumpen, die Heizenergie und Warmwasser für die Firma erzeugen. Als er die Investition freigab, habe man ihn „schräg angeschaut“. Die Nachbarschaft störte sich daran, dass er den adretten Rasen nebenan, unter der die 6,5 Kilometer langen Heizwendel der Anlage verlaufen, aus ökologischen Gründen nur noch ein Mal im Jahr mähte.

Dass er mit seiner Öko-Strategie von so Manchem im erzkonservativen Schwarzwald-Baar-Kreis kritisch beäugt wurde, juckte ihn schon damals wenig. Die Zahlen gaben ihm recht. Durch die 2013 errichteten Wärmepumpen, die auch im Sommer kühlen, spare er jedes Jahr den Gegenwert von 40.000 Litern Heizöl, wie er sagt. Und natürlich bares Geld.

Rundgang durch die Werkshalle in Bad Dürrheim. Aktuell beschäftigt das Unternehmen sechs Mitarbeiter. In den 1990er-Jahren war es um die ...
Rundgang durch die Werkshalle in Bad Dürrheim. Aktuell beschäftigt das Unternehmen sechs Mitarbeiter. In den 1990er-Jahren war es um die 30. Die Zeit für das verarbeitende Gewerbe wird rauer. | Bild: Rosenberger, Walther

Am Ziel war Theinert da aber lange noch nicht. Danach nahm er die großen Stromfresser in seinem 6-Mann-Betrieb ins Visier. Die Druckluftversorgung war so ein Kandidat. Sie war komplett überdimensionert. Der neue Kompressor braucht jetzt 75 Prozent Energie weniger.

Genauso ging er bei den Maschinen und der Beleuchtung vor. Ersteren verpasste er eine Abwärmerückgewinnung, beim Licht setzt er auf smarte Steuerungen, die sich automatisch dem Tageslicht anpassen. „Die Anfangsinvestitionen waren erheblich, aber die neuen Anlagen senken meine laufenden Kosten drastisch, weil sie einfach so viel effizienter arbeiten“, sagt er.

Öko-Querkopf, der zum Vorbild wird

Ein kleines Husarenstück gelang im mit dem auf seinem Werksgelände installierten Windrad, Marke Eigenbau. Als er vor über zehn Jahren mit ersten Plänen beim damaligen Bürgermeister vorsprach, hätte der ihm innerhalb kürzester Zeit eine Abfuhr erteilt, sagt Theinert. „Der wollte Windräder in der Umgebung um jeden Preis verhindern.“

Aber der findige Schwabe ersann eine List. Er stellte den Rotor trotzdem auf, bemalte ihn aber zusammen mit einem befreundeten Künstler in bunten Farben und deklarierte das Windrad kurzerhand als Kunstwerk mit angeschlossener Stromerzeugung. „Wer kann schon gegen Kunst sein“, fragt Theinert schmunzelnd? Das Projekt ging durch.

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Wurde der Öko-Querkopf, der seine Feierabende meist nicht vor dem Tatort, sondern brütend über Excel-Tabellen mit Energieverbräuchen zubringt, bis dahin vom Großteil seiner Unternehmer-Kollegen immer noch müde belächelt, so änderte sich dies, als er das nächste Großprojekt anschob.

Im Januar diesen Jahres begannen die Bauarbeiten für ein eigenes Wasserstoffkraftwerk. Theinert braucht es, weil er seinen Fuhrpark auf Wasserstoffbetrieb umgestellt hatte und die öffentliche Wasserstoff-Tankstelle um die Ecke kurze Zeit später dicht machte.

Belenus ist vielfach ausgezeichnet

Wieder dachte er sich: „Dann mache ich mir den Wasserstoff eben selbst“ und errichtete in rekordverdächtiger Bauzeit zusammen mit einem Anlagenbauer einen Elektrolyseur, aus dem der Unternehmer seit April seinen grünen Wasserstoff abzapft. Genehmigt ist die Anlage von den Behörden übrigens nicht, nur geduldet, was aber keinen stört. Denn Theinert, dessen Konzept einer nachhaltigen und autarken Produktion diverse Preise eingeheimst hat, ist zu so etwas wie einem Aushängeschild geworden, der Prominenz aus Wirtschaft und Politik in den Landkreis zieht.

Die meisten Promis verlassen die mittlerweile häufig stattfindenden Theinert-Vorträge mit offenem Mund und der Erkenntnis, dass die Energiewende doch funktioniert, wenn man sie einfach macht. Theinert sagt, alle seine Investitionen in Nachhaltigkeit hätten sich zwischen zwei und neuen Jahren amortisiert. In der Wirtschaft wollten die meisten Investoren aber nach spätestens drei bis vier Jahren ihr Geld sehen.

Ökologisch ambitionierten Unternehmern rät er daher zu einem „langen Atem“. Das wichtigste sei aber, Entscheidungen gegen Bedenkenträger durchzusetzen, auf den gesunden Menschenverstand zu hören und „die Nummer dann einfach mal durchzuziehen“, wie er sagt. Eine bessere Umschreibung für Unternehmertum gibt es eigentlich nicht.