Klein, sparsam und ressourcenschonend – Deutschlands zweitgrößter Autozulieferer ZF Friedrichshafen will mit einem neuen E-Antrieb im schnell wachsenden Markt der Elektromobilität punkten. Der neue Motor sei „ultra-kompakt“ und setze Maßstäbe beim Thema Nachhaltigkeit, sagte ZF-Chef Holger Klein am Freitag am Friedrichshafener Stammsitz. Unter anderem spare das Aggregat bei der Produktion bis zu 50 Prozent CO2 im Vergleich zu normalen E-Antrieben.
Ohne schmutzige Seltene Erden
Der Umwelt-Vorteil entsteht, weil ZF beim Bau seines Motors auf Seltene Erden verzichtet. Diese sind in herkömmlichen Elektromotoren enthalten. Geschürft werden die Metalle meist in Tagebauen unter erheblicher Beeinträchtigung der Landschaft und sehr CO2-intensiv.
Weltweit stammen mehr als 90 Prozent der Seltenen Erden aus China. Man sehe die Neuentwicklung daher auch als Beitrag zur Unabhängigkeit Europas von wichtigen Rohstoffen und für verlässlichere regionale Lieferketten, so der ZF-Chef. Aktuell sei ZF „in Gesprächen mit den Kunden aus der Automobilindustrie“, einen Serienauftrag gebe es aber noch nicht.

Tatsächlich ist das Bauprinzip des jetzt vorgestellten ZF-Antriebs nicht ganz neu. Elektromotoren ohne Metall-Magnete, sogenannte fremderregte E-Motoren, gibt es seit Jahren für die unterschiedlichsten Anwendungen. Bei modernen E-Antrieben für Autos setzten bislang allerdings mit schweren Magneten ausgestattete Aggregate den Standard.
Ihr Vorteil besteht im einfachen Aufbau, hohen Wirkungsgraden und ihren kompakten Abmessungen. ZF ist es nach eigenen Angaben nun gelungen, all diese positiven Eigenschaften auf die magnetfreie Technologie zu übertragen. Dazu komme die deutlich bessere Öko-Bilanz und der Verzicht auf Seltene Erden.
Mahle und Vitesco setzen auch auf magnetfreie Motoren
Tatsächlich ist ZF nicht das erste Unternehmen, das auf die Technologie setzt. Vitesco, die ehemalige Antriebssparte von Continental, verfügt seit Kurzem über ein ähnliches Produkt. Erst vor wenigen Wochen stellte zudem Mahle aus Stuttgart – deutschlandweit die Nummer drei im Zuliefergeschäft – einen Motor gleichen Bauprinzips vor.
Gegenüber der Konkurrenz nimmt ZF für sich allerdings in Anspruch, bei seinem Motor mit deutlich weniger Bauraum auszukommen. Je nach Auslegung sei er gleich groß oder sogar kleiner als klassische Elektromotoren. Automobilhersteller, die auf die ZF-Technologie umsteigen wollten, müssten ihr Fahrzeugdesign daher nicht verändern.
Klassische Zulieferer unter Zugzwang, Innovationen zu schaffen
Der technologische Fortschritt, der sich im Antriebsbereich insbesondere bei den Automobilzulieferern gerade zeigt, ist Resultat der verzweifelten Suche der Unternehmen nach neuen Geschäftsfeldern im Zeitalter der Elektromobilität. Sowohl der für seine Kolben bekannte Hersteller Mahle, als auch der einstige Getriebespezialist ZF, stehen unter Zugzwang, auf anderen Feldern zu Punkten, um ihre Stellung im Markt und damit auch ihre Beschäftigten zu halten.

Wird im Ausland produziert?
Ob die Innovationen sich allerdings für die deutschen Belegschaften auszahlen, ist bei ZF derzeit noch unklar. Wo die neuen E-Motoren, die auf der kommende Woche in München beginnenden Automobilmesse IAA einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden, gebaut werden, ist noch unklar.
„Es wird sich an der Wettbewerbsfähigkeit der Standorte festmachen, wo die Motoren produziert werden“, sagte Klein. Der ZF-Betriebsrat und die IG Metall hatten in der Vergangenheit immer wieder moniert, High-Tech-Produkte, gerade aus dem Bereich der E-Mobilität, würden zusehends im Ausland gefertigt, etwa in Süd-Osteuropa.
ZF-Chef: „Brutal hartes Jahr“ für Unternehmen vom Bodensee
Klar ist, dass ZF, das sich wie die gesamte Zulieferei im fünften Krisenjahr in Folge befindet, weiter streng sparen muss. Man stehe mitten in einem „brutal harten Jahr“, sagte ZF-Chef Klein, der den 160.000-Mitarbeiter-Betrieb seit Jahresanfang führt. Im Vordergrund stehe, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, sagte er. Auf deutsch: Die Kosten müssen runter, und das vor allem an den rund 50 deutschen Standorten. Man rede diesbezüglich gerade „mit allen Unternehmensteilen“, sagte er.