Endlich mal eine richtig gute Nachricht! Deutschland ist beim Klimaschutz „auf Kurs“. Zumindest sagte das Anfang der Woche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Grund waren neue Zahlen der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende.
Demnach hat sich der CO2-Ausstoß Deutschlands 2024 gegenüber dem Wendejahr 1990 halbiert. Zum dritten Mal in Folge sind die Treibhausgas-Emissionen im abgelaufenen Jahr zurückgegangen. Die nationalen Klimaziele wurden zuletzt sogar übererfüllt. Aus dieser Perspektive hat sich die „harte Arbeit“ Deutschlands am Projekt Energiewende also gelohnt, wie Habeck es formulierte.

Energiewende beim Strom klappt
Wirklich? Zweifellos gibt es beim Übergang Deutschlands in die klimaneutrale Welt Fortschritte, die sich sehen lassen können. Der Siegeszug erneuerbarer Energien ist im Jahr 25 der Energiewende unbestritten. 55 Prozent des deutschen Stromverbrauchs werden aus Biomasse, Solar- und Windkraft gedeckt.
Photovoltaik hat sich zu einem Selbstläufer entwickelt mit Zubauzahlen, von denen vor Jahren noch niemand zu träumen gewagt hatte. Und auch bei der Produktion von Windstrom deutet sich für die kommenden Jahre ein erhebliches Plus an.
Gleichzeitig sinkt die Bedeutung fossiler Energieträger. Allein 16 Kohleblöcke wurden im vergangenen Jahr vom Netz genommen. Und da der Kohleausstieg beschlossene Sache ist, werden weitere hinzukommen. Aus dieser Sicht ist der Umstieg Deutschlands auf öko ein Selbstläufer.
Massive Probleme bei Netzen
Ist er aber nicht. Denn es gibt massive Probleme. Streng genommen ist Deutschland nur gut darin, Ökokraftwerke auf- und fossile Meiler abzubauen. An allem anderen hapert es.

Das größte Problem ist der Netzausbau. Er hinkt dem Zuwachs an Erzeugungskapazitäten hinterher – und der Abstand wird immer größer. Die Folge sind volkswirtschaftliche Schäden, die sich jedes Jahr auf Milliardenbeträge summieren. Weil der Ökostrom dort produziert wird, wo man ihn nicht braucht, werden nördlich des Mains in guter Manier Windräder abgeregelt.
Als Ausgleich werden im Süden die verbliebenen Kohlemeiler hochgefahren. Und alle Betreiber der Anlagen bekommen Staatsgeld dafür. Drei bis vier Milliarden Euro sind das jedes Jahr. Ohne neue Leitungen wird sich das Problem auswachsen und auch die Klimabilanz schwer belasten.
Was ist mit der Wärmewende und dem Verkehr?
Die Energiewende ist indes nicht nur eine Stromwende, sondern auch eine Wärme- und Verkehrswende. Und in diesen beiden Bereichen, auf die immerhin knapp zwei Drittel des nationalen Endenergieverbrauchs entfallen, tut sich wenig. E-Autos und Wärmepumpen sind zu Ladenhütern geworden.
Ordentlichen CO2-Einsparungen im Kraftwerkspark stehen Mehremissionen im Verkehr gegenüber, die sich seit 2020 auf 35 Millionen Tonnen summieren. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm, sieht es im Gebäudebereich aus. Kurz ausgedrückt: Deutschland fährt und heizt derart falsch, dass die Klimaziele auf lange Frist nicht zu erreichen sein werden.

Mehr Wachstum heißt mehr Ressourcenverbrauch
Das grundlegende Problem der deutschen Öko-Transformation aber ist, dass eine Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch nicht in Sicht ist. Umgekehrt formuliert ist es auch die Rezession in der Wirtschaft, die Deutschland gerade die Klimabilanz rettet. Seit zwei Jahren schrumpft das Bruttoinlandsprodukt. In der Industrie kommt es noch viel dicker. Hier sinkt die Produktion schon seit über einem halben Jahrzehnt.
Für Ex-Ifo-Chef Hans-Werner Sinn markiert 2018 das Wendejahr, als die Automobilindustrie als tragende Säule der Republik zuletzt Rekorde einfuhr. Seitdem gehts mit der Industrie abwärts. Und mit der Klimabilanz aufwärts.
Deutschland muss es gelingen, diesen fatalen Zusammenhang aufzubrechen. Wenn das Land jeden Monat zehntausend Industriearbeitsplätze verliert, wie im Jahr 2024 geschehen, dämmert auch dem Letzten, dass das kein Zukunftsmodell sein kann. Erfolge bei der CO2-Reduktion hin oder her.